Kapitel 1

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Ich sitze in einem mir bekannten Raum in der Schule, der Raum, der mir schon seit zwei Jahren bekannt ist. Ich blicke durch den Biologieraum und niemand außer mir ist da. Die Fenster sind offen und man hört Stimmen lauter Schüler und die Vögel singen. Ich sitze in der letzten Reihe und jede Reihe von 1-4 ist höher als die andere, die letzte am höchsten. Meine Augen fallen auf die Tafel, wo der Name Herr Snavo in Schreibschrift steht. Vor mir auf dem Tisch befinden sich ein grüner Ordner mit mehreren Arbeitsblättern, meine Federmappe und ein Zettel. Ich nehme den Zettel und heb ihn auf:

"Wir müssen über deine Arbeit im Unterricht sprechen Luna. Komm nach dem Unterricht bitte zu der Chemiesammlung."

Ich halte mich an dem Stuhl feste und drehe mich zu der Uhr an der Wand hinter mir, nur um zu realisieren, dass die Pause schon seit 10 Minuten begonnen hat und ich noch immer in dem Zimmer sitze und vermutlich gleich rausgeschmissen werde. Schleunigst nehme ich meine Sachen und tu sie in meinen Rucksack. Ich stehe auf und mach mich auf den Weg zu der Chemiesammlung. Zuerst aus dem Biologieraum, dann die Treppen runter und ich sehe wie Herr Snavo, mein Biologielehrer, mich zu ihm ruft und er nicht befriedigt aussieht nachdem ich ihn 10 Minuten lang warten lassen habe. Meine Beine nehmen an Tempo zu und ich lasse meinen Rucksack vor dem Betreten der Sammlung fallen. Uns wird immer gesagt wir Schüler sollen niemals unbeaufsichtigt in die Sammlung gehen, da sich dort eine Menge an teuren und wichtigen Materialien der Lehrer für den Unterricht befinden, wie z.b. unechte Knochen oder ausgestopfte Tiere und auch Anatomien Puppen. Herr Snavo hält die Tür auf und lässt mich zuerst die Sammlung betreten. Ohne etwas zu sagen, zeigt er zu den Stühlen, die am Fenster stehen, um mich aufzufordern mich dort hinzusetzen. Ich setze mich hin und breche die Stille und Spannung, die in der Luft liegt. "Tut mir leid für die Verspätung, ich habe nicht wirklich wahrgenommen, dass der Unterricht vorbei war. Allerdings wollten sie mich sprechen, was ist denn?" Ich beobachte sein Gesicht und weiß nicht, ob ich mir anhören muss, wie unhöflich es ist oder ob er mir sagt, dass er selbst noch was machen musste. Er holt ein Atemzug ein. "Ich vergesse das kleine Missgeschick einfach, du brauchst dir dabei keine Sorge machen Luna. Ja genau, ich wollte mit dir über deine Mitarbeit sprechen. Du scheinst öfters abgelenkt zu sein, ist das richtig?"

Niemals hätte ich gedacht, dass Herr Snavo, einem eigentlich strengen Lehrer so etwas auffällt

"Es stimmt und ich entschuldige mich bei ihnen. Es kommt nicht wieder vor und ich werde mich besser an ihrem Unterricht beteiligen." Sag ich ihm in Hoffnung, dass er mich dann entlässt und ich endlich dieser Spannung fliehen kann. Diese Spannung liegt schon immer in der Luft, seit ich Herr Snavo in der achten Klasse bekommen hab. Er war der typische strenge Lehrer und mittlerweile bin ich in der zehnten Klasse und es wirkt aber anders. Meine Mitschüler beschweren sich nach jeder Schulstunde über ihn und reden darüber, dass er nur noch schlimmer gewurden ist. Was ich dazu sage? Sie haben recht. Er ist allen gegenüber sehr kritisch außer mir. Herr Snavo wirkt sanfter und er nimmt mir Sachen nicht böse. Die Klassenkameraden von mir haben das auch bemerkt, dass er mich bevorzugt. Es kamen auch Gerüchte zustande in denen es hieß, dass ich mit ihm schlafen würde und Herr Snavo deswegen mir gegenüber aufmerksamer und netter ist. Ich, Luna Naomi Itali, kann schwören, dass ich nie mit meinem Bio-Lehrer geschlafen habe. "Alles gut???" fragt er mich und ich merke, wie ich wieder von dem Gespräch in meine Gedanken getaucht bin, obwohl ich ihm gerade erst gesagt habe, dass es besser wird. "Es tut mir leid, ja alles bestens. Haben Sie gerade noch irgendwas gesagt?" Er schaut mir besorgt in die Augen und ich weiß, dass er weiß, dass etwas nicht stimmt. "Ich habe gesagt, dass ich für dich da bin und, dass du mit mir kommunizieren kannst, falls dir etwas auf dem Herzen liegt." Ich bin ihm dankbar, dass Herr Snavo es meidet nochmal nachzufragen. Nach einer kurzen Pause antworte ich ihm, dass es nicht nötig ist, und ich versichere ihm nochmal, dass alles okay ist und ich nur etwas abgelenkt bin, aber es nicht wieder vorkommt. Herr Snavo erzählt mir noch von meinem Notenstand und mir fällt auf, dass ich eine ganze Note weiter runtergerutscht bin und nun auf 3,5 stehe. Bevor er mir noch was sagen kann, verabschiede ich mich und er begleitet mich aus der Sammlung.

Ich muss mich mehr an dem Unterricht beteiligen. Ich brauche einen guten Durchschnitt und ich habe bis jetzt immer eine 2 in Biologie bekommen auf dem Zeugnis. Wenigstens das soll so bleiben, wie es ist.

Ich schaue auf meine Armbanduhr und gehe zu meiner nächsten Schulstunde. Es ist Freitag und nach Biologie in der ersten und zweiten Stunde, habe ich in der dritten und vierten Stunde Physik mit Frau Ram und die fünfte und sechste entfallen. Frau Rams ist auch meine Mathe- und Klassenlehrerin. Ich habe sie nicht gemocht in der neunten, aber jetzt ist sie mega lieb. Wir bearbeiten nochmal das Thema Mechanik und ich verstehe es schnell. Auch hier sitze ich in der letzen Reihe, weil ich es hasse, wenn die Aufmerksamkeit in den vorderen Reihen auf einem liegt. Nach der ersten Stunde schweife ich wieder von dem Unterricht ab und denk wieder nach. Zuhause passiert viel zu viel. Meine Mutter, Anastasia, ist wieder im Streit mit meinem Vater, Marco. Immer wieder auf das Neue und das seit ganzen 16 Jahren. Nie konnten sich die beiden zusammen an den Tisch setzen und ordentlich darüber sprechen, um eine Lösung zu finden. Mein Vater droht uns wieder und weigert sich Rechnungen zu bezahlen. Ich als die älteste Tochter muss dann halt auch die Therapeutin meiner Mutter sein und ich bin zu jung dafür mir die Probleme meiner Eltern anzuhören. Wieder zu hören, dass mein Vater ein Arschloch ist und uns in das Verderben zieht. Schon seit meiner Kindheit die Therapeutin der eigenen Mutter. Ich kann nicht mehr und bin einfach nur müde. Zurück aus meinen Gedanken, fällt mir auf, wie sich Tränen in meinen Augen bilden und es immer enger in meiner Brust wird. Ich stehe auf und bitte meine Lehrerin darum mich auf die Toiletten zu lassen, da ich weiß was in der nächsten Minute geschehen wird. Eine weitere Panikattacke, eine Folge der Überforderung von allem, mit der ich jeden Tag zu kämpfen hab. Die naturwissenschaftlichen Fächer befinden sich alle in einem Gebäude, dem sogenannten F-BAU und alle sind auf verschiedene Etagen verteilt. Physik ganz oben, Biologie auf der zweiten Etage und Chemie ganz unten, wo auch die Chemiesammlung und die Toiletten sind. Ich gehe die Treppen runter und halte eine Hand an mein Hals für meine Atmung und versuche die Panikattacke ein bisschen hinauszuzögern. Unten angekommen, wird meine Atmung immer schwieriger, ich kriege weniger Luft und fange an lauter einzuatmen, um mehr Luft zu bekommen. Ich höre ein Husten und realisiere sofort, dass es von Herr Snavo ist, aber ich ignoriere es und renne zu den Toiletten, wo ich mich endlich in einen Stall schließe und mich an der Wand fallen lasse und meine Augen schließe. Ich fokussier mich auf den Fakt, dass ich es bald geschafft habe und endlich weg von zuhause bin, da endlich Ferien sind und meine Großeltern mütterlicherseits mich abholen werde. Dann muss ich mir für zwei Wochen nicht mehr anhören, was mein Vater wieder getan hat und, wie meine Mutter den Kontakt wegen meiner kleinen Schwester nicht abbrechen will. Die größte Lüge, die ich jemals gehört habe und ich bin der lebendige Beweis dafür. Meine Panikattacke verschlimmert sich und ich fange an über die Konversation mit Herr Snavo zu denken. Komischerweise beruhigt mich das mehr, wie es sollte. Ich denke an seine ruhige und sanfte Stimme, wie er für mich da ist und stelle mir vor, dass er vor mir steht und seine Arme ausgestreckt sind. Wie ich aufstehe und meine Arme um ihn werfe und wir Körper an Körper sind. Wie er mich hält und wie er mich ins Ohr flüstert, dass alles gut sein wird und ich stark bin, dass wir gemeinsam dadurch arbeiten. Weiterhin sind meine Augen geschlossen, aber die Enge und die Last in meiner Brust und auf meinen Schultern nimmt ab. Herr Snavo hat noch immer die Arme um mich, löst aber einen, um seine Hand an meine Wange zu legen und er streicht leicht, hoch und runter, mit seinem Daumen darüber und wischt mir die Tränen weg. Ich öffne meine Augen und alles ist weg, Herr Snavo, aber auch meine Panikattacke. Ich hole ein Taschentuch aus meiner Hosentasche und wisch mir die Tränen weg, putze mir die Nase und geh zum Waschbecken. Meine Uhr sagt, dass es schon 10:50 Uhr ist und ich in 10 Minuten schon keine Schule mehr habe. Das kalte Wasser tut meinem Gesicht und meinen roten Augen gut und ich beruhige mich immer mehr. Ich gehe aus den Toiletten und mache meinen Weg zu Physik nach ganz oben. Als ich die Treppen hoch gehe, kommt mir Herr Snavo entgegen und wir beide bleiben stehen. Für einen kurzen Moment denk ich, dass er was sagt und ich lasse meine Augen kurz auf seine Lippen fallen, die sich spalten, sofort wieder schließen und er mir zunickt und sich schnell aus dem Staub macht. Angekommen im Physikraum, packe ich meine Sachen zusammen, weil wir 5 Minuten früher entlassen werden und ich schon vorher mit den Arbeitsblättern durch war. Ich werfe meinen Rucksack über meine Schultern, gehe schleunigst zu meinem Fahrrad, setze mir meine Kopfhörer auf und fahre nachhause. Bei dem Fahrradfahren kommt mir der Wind entgegen und es fühlt sich gut an eine frische Brise abzubekommen. Ich höre gerade Rehab von Amy Winehouse und denk nur noch an die Ferien, die bevorstehen. Aber eine gewisse Person geht mir nicht mehr aus dem Kopf, ich verdränge es und schieb sie zur Seite und konzentriere mich weiterhin an die Ferien zu denken und was ich so machen werde. 

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⏰ Last updated: May 18 ⏰

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