4. Kapitel

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Emma

Was fällt diesem Blödmann eigentlich ein? Wütend schmiss ich die Tür hinter mir zu und stampfte die Treppe hinauf in mein Zimmer. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen und schloss die Augen. Was für ein Tag. Ich hatte zwar nicht erwartet das es einfach sein würde, doch dass es so in die Hose ging hatte ich auch nicht erwartet. Müde rieb ich mir über das Gesicht. Was sollte sie mit Michael machen? Würde er was sagen? Würde er ihr schlechtere Noten geben? Oder war er so schlau und würde sie in Ruhe lassen? Auch wenn vieles dagegen sprach, hoffte sie, dass sie zumindest in dieser Sache etwas Glück haben würde. Es konnte ja nicht immer alles zu ihrem Nachteil laufen, oder? 

Und was war eigentlich mit Chris los? Hatte er eine gespaltene Persönlichkeit oder führte er was im Schilde? Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau. Die meiste Zeit war er einfach nur fies und herrisch. Aber manchmal kam eine Seite von ihm zum Vorschein, die ich von ihm nicht kannte. So wie vorhin. Bevor er wieder fies wurde.

"Emma?" Ich hörte die Stimme meiner Mutter aus dem Erdgeschoss. Irritiert setzte ich mich auf und stellte fest, dass es schon dämmerte. Anscheinend war ich eingeschlafen.

"Komme gleich.", rief ich hinunter und ging nach unten. Meine Mutter packte gerade Einkäufe in den Kühlschrank.  

"Na, wie war dein erster Schultag?" Sie lächelte mich an und packte weiter aus. Meine Mutter hatte keine Ahnung was in der Schule vorgefallen war, geschweige den der Party in den Ferien. Und wenn es nach mir ginge, würde das auch so bleiben. Nach dem Tod meines Vaters vor etwa fünf Jahren hatte meine Mutter Depressionen bekommen und es hatte Jahre gedauert, bis sie wieder sie selbst war. Dennoch erwischte ich sie hin und wieder wie sie mit einem ausdruckslosen Gesicht in die Ferne starte. Ich wollte sie nicht beunruhigen oder der Grund für weitere Depressionen sein. 

"Eigentlich ganz gut. Wir haben sofort mit dem Unterrichtsstoff weitergemacht. Habe auch schon einige Hausaufgaben auf." Während ich das sagte, lächelte ich meine Mutter beruhigend an. Sie hatte nun alles weggeräumt und holte einen Topf aus dem Schrank.

"Hast du Wünsche was das Abendessen angeht?" Sie warf mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttelte den Kopf. Meine Mutter war eine sehr gute Köchin und es kam nur sehr selten vor das mir etwas nicht schmeckte. 

"Dann lass dich überraschen."


Nach dem Abendessen saßen meine Mutter und ich noch zusammen am Küchentisch und besprachen was diese Woche alles anstand und wer von uns wann kochte. Meine Mutter arbeitete im Schichtdienst weshalb wir uns die Aufgaben teilten.

"Weist du Emma, es gibt da etwas worüber ich mit dir reden wollte." Sie schaute auf ihre Hände hinunter und spielte mir ihren Fingern. Wenn meine Mutter so anfing, musste es etwas wichtiges sein. Denn an sich war sie der Typ der sofort sagte was er dachte. Mein Herz begann schnell zu schlagen und ich wurde nervös.

"Sicherlich weist du, dass es immer mein Traum war ein eigenes Restaurant zu besitzen und die Menschen mit meinen leckeren Speisen zu verwöhnen. " Sie schaute mich mit einem leichten Lächeln an und fuhr fort. 

"Eine Freundin von mir ist auf der Suche nach jemandem, der ihr Restaurant übernimmt. Sie und ihr Mann wandern nach Italien aus und möchten es nicht einem Fremden überlassen."

"Das ist doch wunderbar." Ich sagte das zwar, war aber etwas verwirrt. Welche Freundin meinte meine Mutter genau? Nach dem Tod meines Vaters hatte meine Mutter sich extrem zurückgezogen und hatte nur wenig Kontakt mit anderen Menschen gehabt. 

"Ich wusste dass du das verstehen würdest." Erleichtert lächelte sie. "Sonja hat bereits alle Papiere aufgesetzt. Ich würde zuerst für ein Jahr bei ihr als Köchin arbeiten um meine Kenntnisse aufzufrischen und wenn sie dann ausreisen, würden sie mir das Lokal überlassen." Bei dem Namen Sonja klingelte da etwas. Hieß nicht die Halbschwester meines Vaters Sonja?

"Meinst du Papas Halbschwester?", fragte ich vorsichtig, da ich nicht wusste wie sie reagieren würde. Das Lächeln erstarb auf ihren Lippen und sie ließ den Kopf sinken. Mir rutschte das Herz in die Hose. Aber meine Mutter fing sich überraschend schnell. Sie atmete tief ein und aus und schaute mich dann wieder an.

"Genau. Nach dem Tod deines Vaters hatten wir uns etwas aus den Augen verloren. Doch vor einigen Jahren kamen wir wieder ins Gespräch und seitdem unterhalten wir uns regelmäßig." Ok. Das war neu für mich. Nach dem Tod meines Vaters hatten wir eigentlich zu niemandem aus seiner Familie mehr Kontakt gehabt. Naja, dazu musste man sagen das er nur die eine Halbschwester hatte und einen Cousin. Seine leiblichen Eltern waren früh verstorben und zu seinem Stiefvater hatte er nie eine gute Beziehung gehabt. Irgendwie fand ich es schon komisch das meine Mutter mir nie davon erzählt hatte. Andererseits freute ich mich für sie. Sie brauchte auch Kontakt zu anderen Menschen und nicht nur mich und ihre Arbeit.

"Ok. Und was bedeutet das dann für uns?" Irgendeinen Grund musste es ja geben, weshalb sie dieses Thema nur so zögerlich ansprach.

"Naja, das Restaurant befindet sich etwa 3 Stunden von hier entfernt und wir müssten umziehen." Bei ihren Worten fiel mir die Kinnlade herunter. Es mochte ja sein das mein Leben in dieser Schule aktuell in Trümmern lag, aber ich war im letzten Jahrgang. Bald würden die ersten Prüfungen auf mich zukommen, da konnte ich doch nicht einfach die Schule verlassen. Bevor ich etwas erwidern konnte, hob meine Mutter die Hand.

"Ich weis was du gleich sagen wirst Emma. Und ich bin sehr stolz auf dich deswegen." Sie streckte ihre Hand aus und streichelte über meine. "Du warst schon immer ein schlaues Mädchen." Sie zog ihre Hand zurück und rieb sich über die Stirn.

"Es gibt noch etwas was ich dir erzählen sollte." Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee. "Dein Vater hatte von seinen Eltern Geld geerbt. Und er hatte eine Lebensversicherung. Einen Teil von seinem Erbe haben wir damals investiert um dir so die Ausbildung oder das Studium zu erleichtern. Und naja, denn Rest des Erbes haben wir eigentlich auch nie angerührt. Zuerst kamen wir sehr gut alleine Zurecht und als dein Vater starb, wollte ich sein Geld nicht anrühren." Wieder war ich total überrascht und wusste nicht was ich sagen sollte. Oder worauf meine Mutter da eigentlich hinaus wollte.

"Also ja, mir war schon klar, dass dir dein Abschluss hier sehr wichtig ist, deshalb habe ich den Verwalter angerufen und einiges in die Wege geleitet. Die Wohnung die dein Vater geerbt hat, wurde frisch renoviert. Dort kannst du einziehen. Sie ist in der Nähe der Schule und schön geräumig. Monatlich wird dir von mir und dem Verwalter Geld überwiesen von dem du gut leben kannst. Das investierte Geld bleibt investiert und von dem Rest kaufe ich mir das Restaurant." Meine Mutter strahlte vor Begeisterung. In nur wenigen Minuten hatte sie nicht nur ihr Leben total verändert sondern auch meines. 

"Du bist jetzt schon 18 Jahre Emma und so vernünftig für dein Alter. Ich bin sehr stolz auf dich und sicher dass du das schaffst. Und sollte es Probleme geben, rufst du mich einfach an. Und wenn du in wenigen Monaten dein Abi hast, wolltest du doch eh in die Großstadt zum studieren." 


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