4. Kapitel

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Während mein PC hochfuhr, schmiss ich ein paar Klamotten in meine Tasche. Ich würde zu Tim fahren und ich würde ihm vorher nichts davon sagen. Ich musste grinsen als ich mir sein verblüfftes Gesicht vorstellte. Ich wollte noch schnell etwas twittern, damit sich meine Zuschauer keine Sorge machten. „Ey ihr Ficker, ich bin die nächste Zeit unterwegs, also werdet ihr wahrscheinlich erst mal nicht so viel von mir hören.", schrieb ich, dann suchte ich mir eine Zugverbindung. In 30 Minuten würde der nächste Zug schon fahren, dann wäre ich heute Abend in Köln. Ich tabbte nochmal auf Twitter um mir die ersten Reaktionen auf meinen Tweet durchzulesen. Ich scrollte bis ich Tims Namen entdeckte: „Junge was geht ab bei dir? Meld dich mal, mach mir Sorgen <3", hatte er geschrieben. So ein Spasti, der würde heute Abend noch was erleben, dachte ich und musste wieder grinsen. Ich fuhr meinen PC wieder runter und schnappte meine Tasche. Zum Bahnhof war es noch ein Stück, also musste ich auch langsam mal los. Als ich die Wohnungstür auf machte, blickte ich noch einmal in meine Wohnung zurück. Morgen würde sie wahrscheinlich leer sein. Aber es fühlte sich gut an hier weg zu kommen. Wie ein Schritt in die richtige Richtung. Ich schloss die Tür hinter mir ab und versuchte das Ganze nicht allzu Symbolisch zu sehen.

Am Bahnhof angekommen zog ich mir ein Ticket, kaufte mir noch etwas zu trinken und ging dann zum Gleis 7. Der Zug stand schon da. Ich stieg ein und suchte mir einen Platz am Fenster. Zum Glück war der Wagon nicht so voll. Der Zug fuhr an und ich beobachtete wie der Bahnsteig langsam an mir vorbei zog. Aus Gewohnheit wollte ich mein Handy herausholen, bis mir wieder einfiel, dass ich es ja verloren hatte. Mittlerweile zog Karlsruhe, meine Zwangsheimat der letzten Monate, an mir vorbei. Der Zug ratterte unter der Nachmittagssonne dahin. In drei Stunden würde ich in Köln sein. Ich würde Tim endlich sehen. Ob er wohl so aussah wie ich ihn mir vorstellte? Ob er sich freuen würde? Natürlich würde er sich freuen! Oder nicht? Vielleicht ist er auch geschockt und findet es dann scheiße, dass ich ihn überrascht habe. Ich hätte ihn doch besser vorwarnen sollen. Aber jetzt war es zu spät. Und Tim hatte sich gefälligst zu freuen, wenn sein bester Freund auf einen Überraschungsbesuch vorbei kam.

Inzwischen hatten waren wir in den Frankfurter Bahnhof eingefahren. Die Hälfte der Strecke war also fast geschafft. Langsam kroch eine Nervosität in mir hoch die ich mir selbst nicht erklären konnte. Wie sollte ich Tim denn überhaupt finden in einer Großstadt wie Köln, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Ich hatte ja keine Adresse oder so. Na da war ich ja mal überhaupt nicht überstürzt losgefahren. Am besten ich stieg beim nächsten Bahnhof aus und setzte mich in den nächsten Zug zurück nach Hause. Tim hatte bestimmt eh zu viel zutun um sich mit mir zu beschäftigen, im Gegensatz zu mir studierte er ja wirklich noch. Meine anfängliche Euphorie war verflogen. Aber ich wollte einfach nicht wieder zurück. Das war einfach eine einmalige Chance Tim endlich zutreffen. Ich musste ihn irgendwie finden. Ich dachte nach. Über alles was er mir je über Köln erzählt hatte. In welchem Stadtteil er wohnte wusste ich. Und in welches Fitnessstudio er ging wusste ich auch. Ich war selbst mal für ein paar Monate in Fitnessstudio gegangen, bis ich frustriert aufgegeben hatte. Dort hatte jeder seine Akte gehabt, in der alle Übungen standen die man machen sollte und so. Daher konnte man natürlich jederzeit an diese Akte. Da drin standen auch Adresse und sonstige Daten der Mitglieder. Vielleicht gab es in Tims Fitnessstudio etwas Ähnliches. Ich musste einfach darauf hoffen.

Die nächste Station war der Kölner Hauptbahnhof. Ich hing mir meine Tasche wieder um und stellte mich vor die Tür. Durch das kleine Fenster in der Tür konnte ich den Dom und den Rhein sehen. So viel würde sich ja heute vielleicht doch gar nicht verändern: Der Rhein floss auch durch Karlsruhe und große Kirchen gab es dort auch, versuchte ich mir die Nervosität wegzureden. Der Zug wurde immer langsamer und fuhr schließlich in den Bahnhof ein. Ich stieg aus und sah dem Zug noch zu, wie er wieder aus dem Bahnhof fuhr. Jetzt gab es also kein Zurück mehr. Ich quetschte mich an den anderen Reisenden und Koffern vom Bahnsteig nach draußen. Ich hatte keine Lust und Zeit jetzt noch lange nach dem Fitnessstudio zu suchen, also beschloss ich ein Taxi zu nehmen.

Davor angekommen musste ich schlucken. Ich kam mir vor wie ein Stalker. Aber wo vor hatte ich überhaupt so Schiss? Ich versuchte alle schlechten Gedanken wegzuschieben und drückte die Tür auf. Drinnen gab es eine Art Anmeldung an der irgendwelche sportlichen Kunden wohl ihre Mitgliedskarten einlasen. Ich sah mich suchend nach einem Aktenschrank oder so etwas um, aber ich konnte nichts in der Art finde. Mist, ich musste mir wohl etwas anderes überlegen. Zum Glück kam mir schnell eine andere Idee. Ich trat an die Anmeldung heran. Dahinter mixte eine Frau gerade ein Pulver in ein Glas Wasser. „Hi.", sagte ich. „Ähm, ich bin umgezogen und ich glaub ihr habt die Adresse im PC noch nicht geändert." „Kleinen Moment ich schaue mal eben nach.", sagte sie und Blickte auf den Bildschirm neben sich. „Wie heißt du denn?", fragte sie. Ich nannte ihr Tims vollständigen Namen. „Also diese Adresse steht hier.", sagte sie und drehte mir den Bildschirm zu. "Bingo", dachte ich und merkte mir schnell Straße und Hausnummer, die unter Tims Namen standen. „Achso, dann wurde das wohl doch schon geändert", sagte ich und grinste die Frau an. „Alles klar.", meinte diese und sah mich ein wenig skeptisch an. Bevor ihr die ganze Situation noch komischer vorkommen konnte drehte ich mich um und trat breit grinsend auf die Straße.

Jetzt musste ich die Adresse nur noch finden. Am besten ich fragte mich einfach durch. Der erste Typ, den ich ansprach hatte selbst keine Ahnung, wo die Straße war, doch beim Zweiten hatte ich Glück. Er gab mir eine ziemlich genaue Wegbeschreibung. Nach 10 Minuten bog ich in die richtige Straße ein. Ich zählte die Hausnummern: 55, 57. Tim wohnte in der 69. *lol* Mit jedem Schritt dem ich sein Haus näher kam fing mein Herz schneller an zu klopfen. Warum war ich denn bitte so übertrieben aufgeregt? Okay ich würde Tim gleich das erste Mal sehen, aber das war doch irgendwie kein Grund so auszurasten. 63, 65, 67...69. Ich stand vor seinem Haus. Mit zitternden Fingern fuhr ich die Namenschilder neben den Klingelknöpfen ab bis ich seinen Namen gefunden hatte. Ich atmete noch einmal tief ein, dann klingelte ich.


Buchstabensuppe (Stexpert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt