6. Run

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Ich ließ ruckartig den Schirm los, griff nach Soo-Ahs Hand, woraufhin sie in ihrer Erzählung stoppte. Und ich rannte. Irgendwo hin. Nur weg von meinem Vater.

"Hey, was is-" rief Sie erschrocken und wollte vor Schreck stehen bleiben, bis sich mein drängender Blick in ihre aufgerissenen Augen bohrte. Es grenzte an ein Wunder dass sie meine Aktion ohne weitere Fragen hin nahm, denn wie vom Blitz getroffen rannte auch sie los, wie eine Irre die von einem tollwütigen Guerilla verfolgt wurde. Naja, in gewisser Hinsicht wurden wir von einem tollwütigen Gorilla verfolgt.

"Soo-Ah! Bleib stehen!", schrie unser Vater aus der Entfernung mit tiefer, besorgter Stimme, schnaufend folgte er uns.

"Hört auf zu rennen!" Die Stimme kam näher.

Kleine nasse Haarsträhnen klebten mir auf der Stirn. Meine Haare wurden von den unzähligen Tropfen an meinen Kopf gedrückt. Die Schuhe durchgeweicht.

Soo Ah schrie neben mir auf, ich spürte wie ihre nasse Hand aus der meinen glitt und ihr Körper von meiner Seite wich.

So schnell wie ich es bemerkte, wirbelte ich schon herum und verlor beinahe den Halt auf der rutschigen Straße.

"Soo-Ah!" kreischte ich panisch und griff instinktiv nach ihr, nach irgendetwas, was ich zu fassen bekam.

Ich versuchte mit aller Kraft auf die pulsierende Hand einzuschlagen, die sich unbeeindruckt um ihr schmales Handgelenk schloss und sich kein Stück löste. Verzweifeltes Geschrei meinerseits und drohende Rufe seinerseits erfüllten die breite Straße mit Krach, das Blut rauschte wild in meinen Ohren und diese Situation erschien mir zu banal um wahr zu sein, je lauter ich gegen den Mann anbrüllte, der sich unser Vater schimpfte.

Er ließ los.

Wir stürzten.

"Soo-Ah! Was soll das?" schrie mein Vater sie an und wollte erneut nach seiner Tochter greifen. Benommen rappelte ich mich auf und schlug schwach seine Hand zur Seite, schwankend stand ich vor ihm. Es war absurd.

"Hör auf damit, Young Jae! Du solltest am besten wissen, dass sie mich braucht, schau dich an!" Seine Brille war übersät mit Regentropfen und seine einst schwarzen Haare standen nass in alle Richtungen ab. Seine Augenbrauen waren wutverzehrt, die Krawatte saß perfekt. Er widerte mich an.

"Das letzte was sie braucht ist einen Vater wie dich. Schau mich an!" knurrte ich wütend zurück und versuchte mich standhaft hinzustellen. Ich baute mich vor ihm auf, Soo-Ah immer noch hinter mir.

"Geh mir aus dem Weg" zischte er bedrohlich, doch ich dachte gar nicht daran mich nur einen Zentimeter von dieser Stelle zu bewegen um tatenlos dabei zuzusehen, wie er meine Schwester gegen ihren Willen zu dem machte, was ich in seinen Augen nie war.

Seine Tochter.

Im nächsten Augenblick spürte ich, wie ich den Halt verlor und der feste Untergund meine Füße verließ, nachdem seine nasse Handfläche hervorschnellte, bevor ich den Schlag überhaupt habe kommen sehen.

Der Schmerz durchzog erst meinen brummenden Kopf, danach meinen kompletten Körper.

Um mich herum verlor alles an Form, die Welt stand Kopf, das einzige was ich spürte war der harte Asphalt unter mir.

Ich hörte wie sie kurz aufschrie. Danach folgte Stille.

Mein Kopf sank auf die Straße. Etwas warmes lief durch meine Haare, kalte Regentropfen prasselten beruhigend auf meine Wangen, ich schloss die Augen als die Müdigkeit und Schwärze meine Sinne benebelte und bloß dumpfe Geräusche meine Ohren erreichten. Ich hörte meinen Herzschlag.

~Little Problems~ || K.T.H BTSWhere stories live. Discover now