Kapitel 2

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Dring Dring Dring... 

Was, wo? Oh. Vollkommen verträumt von der Autofahrt riss mich mein Handyklingelton aus meinen Gedanken. Auf dem Bildschirm blinkte ein Foto auf, welches ich  in unserem letzten gemeinsamen Urlaub vor dem Tod unserer Eltern gemacht hatte. Sie sah so fröhlich und glücklich darauf aus, dass mich alleine der Gedanke an dieses Gefühl in Wehmut versetzte. "Hey Süße, was gibt's?", fragte ich, klemmte das Telefon an mein Ohr und nahm wieder beide Hände ans Lenkrad. "Ich habe ganz vergessen dir zu erzählen, dass heute das Treffen für unsere Versetzung am Ende dieses Schuljahres ist... Du musst da unbedingt hin." Ihre Stimme klang ganz heiser, wahrscheinlich vor Nervösität. Sie hatte Angst, dass ich mal wieder nicht erscheinen würde. Ich seufzte. "Okay, ich mache mich auf den Weg. Bis gleich", antwortete ich und beendete das Gespräch. Es war nicht das erste Mal, dass so etwas vorkam. Um ganz ehrlich zu sein hatte ich erst ein einziges Mal wirklich daran gedacht. Ich konnte mich immer wieder aufs Neue dafür ohrfeigen, jedoch mussten wir, sowohl Mona, als auch ich, der Realität ins Auge blicken: Meine Mutter war unersetzbar. Aber ich versuchte wirklich mein Bestes, in erster Linie für Mona. Selbst dann, wenn es eigentlich wichtigere Dinge zu erledigen gab. Wie jetzt zum Beispiel. Ich war schon gute achtzig Kilometer aufs Land rausgefahren, um unsere Tante zu besuchen. Ohne einen guten Grund würde ich das nie tun, nichtmal im Traum. Doch sie wollte mir ein paar Kisten mit Erinnerungsstücken meiner Eltern überreichen, die sie beim letzten Aufräumen auf dem Dachboden gefunden hatte. Dass sie mir jene überhaupt anvertrauen wollte, war ein Wunder für sich. Denn Maddy war mit Abstand die Person, die mich am meisten verachtete. Sie hatte schon mehrfach das Sorgerecht für Mona eingefordert, da sie der festen Überzeugung war, dass ich sie noch "verderben" könnte. Die hat sie echt nicht mehr alle. Zum Glück konnte sie das Jugendamt noch nicht davon überzeugen, aber seither hatten sie mich auf dem Kieker. Maddy machte den Menschen ordentlich Dampf unter dem Hintern, das konnte sie immer schon gut. Jedenfalls waren wir uns seit dem nicht gerade wieder näher gekommen. Also war ich im Endeffekt ganz glücklich, dass mir der Besuch erspart blieb.

Ich befand mich noch immer mitten auf einer vereinsamten Landstraße, ringsherum nur Staub und trockene Luft. Um pünktlich zum Termin in der Schule zu erscheinen, musste ich schnell umkehren und dann ein ordentliches Tempo auflegen. Also schaute ich mich gar nicht erst um und drehte das Lenkrad kraftvoll nach links, um eine 180 Grad Wendung einzulegen. Die Reifen rutschten jedoch gefährlich den Asphalt entlang und durch die Reibung des Gummis entstand ein unangenehmes Quietschen. Ich verlor vor Schreck die Kontrolle über das Lenkrad, wurde aufgrund des Tempos gegen die Autotür gedrückt und versuchte verzweifelt die Bremse durchzutreten. Doch dann passierte alles nur noch in Sekundenbruchteilen: Ein blauer Fleck näherte sich von hinten, ich kam abpruppt zum Stehen und auf einmal merkte ich nur noch, wie sich ein Airbag auftat und meinem Kopf genau im richtigen Moment auffing. Dann war alles schwarz.

*

"Miss?" ... "Hören Sie mich?" ... Über meinen Augen lag ein weißer Schleier, der mir jegliche Sicht vernebelte. Während ich mir langsam die Augen rieb und wieder zu mir kam, meldeten sich auch die ersten Schmerzen. Dem Pochen in meiner Schulter und der milden Taubheit meines linken Arms nach zu urteilen, hatte ich einiges abbekommen. Ich erinnerte mich daran, dass ich zu Monas Schulveranstaltung fahren wollte und bei der Wendung irgendwas schief lief. Hatte ich etwa einen Unfall gebaut? Mein Gehirn war wie zugekleistert und gab im Moment kaum etwas her. "M'am? Ich frage noch einmal: Können Sie mich hören?" Jetzt nahm ich die unfreundliche Stimme voll wahr und meine Augen schienen sich auch wieder einigermaßen gefangen zu haben. Ich blickte auf und sah, dass ich auf einer Trage in der Nähe meines Autos lag, neben mir ein Arzt und vor mir ein Polizist. Oh mein Gott... Das blaue Auto hinter mir war ein Streifenwagen gewesen... Hatte ich mit einem Polizeiauto einen Unfall gebaut? Ohje, wenn ich da mal wieder heil rauskam. "Ja, ich kann Sie hören", antwortete ich. Die Gesichtszüge des Mannes entspannten sich etwas. Was echt gut für ihn war, denn diese runzelnde Stirn hatte ihn in Kombination mit seiner faden Haut und den ungepflegten Stoppeln am Kinn ziemlich unangenehm aussehen lassen. "Sehr gut. Dann würde ich mich nun gern mit Ihnen unterhalten, wenn Sie dazu in der Lage sind", meinte er, während sein missbilligender Blick immer von mir zum Notizbuch und wieder zurück wanderte. Ich antwortete: "Natürlich, nur zu", stieg von meiner Trage und folgte ihm in Richtung seines Wagens. Es war ein nagelneuer Einsatzwagen, zumindest sah er so aus. Wahrscheinlich war er Obersheriff oder sowas, denn ein derart aufpoliertes Polizeiauto hatte ich noch nie gesehen. Der verunglückte Wagen lag neben der Fahrbahn, vermutlich wurde er bald von einem Schrotthändler aufgesammelt. Es schien nämlich nicht gerade so, als würde Herr Ich-Bin-Ja-So-Wichtig sich darum kümmern wollen. Aber mir sollte es egal sein.

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⏰ Last updated: Sep 01, 2015 ⏰

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The Star Full Of Skys [PAUSIERT]Where stories live. Discover now