Die Geschichte des Nori Kapitel 1

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Diese Geschichte war nicht dazu gedacht, erzählt zu werden. Sie begann vor langer Zeit, in einem Dorf, das Babolath hiess. Babolath war damals noch ein kleines Dorf, nicht weit von der Meeresküste gelegen, ein Holzfällerdorf, in dem nur wenige Menschen lebten. Und damit es ein Holzfällerdorf war, musste es auch einen Wald geben. Und natürlich gab es diesen Wald, er war riesig, mächtige Bäume standen da, es war richtiges Holzfällerparadies, in dem sich Unmengen an Holz herstellen liess, das verkauft, aber auch zum Häuserbau im eigenen Dorf verwendet wurde.

Auf was sich jeder Holzfäller im Dorf das ganze Jahr über freute, das war das jährliche Dorffest, das Hubwalder Fest. Es war ein Fest, das jeden Sommer stattfand und an dem alle Bewohner von Babolath zusammenkamen, um ihre Erfolge zu feiern, nicht nur in der Holzfällerei, sondern auch der Fischerei, die Fortschritte in der Architektur und vieles mehr. Keiner liess dieses Fest aus. Alle Frauen und Kinder, Männer, alt und jung, versammelten sich und feierten mehrere Tage lang. Es war ein grosses Fest, es gab Spiele und Unterhaltungen für die Kleinen, Wettbewerbe und Mutproben für die Tapferen und Ehrgeizigen, Tanz und Musik, die vor allem für die Frauen gedacht waren. Und ums Essen und Trinken musste sich niemand Sorgen machen. Wer hungrig oder durstig war, der konnte sich reichlich verpflegen. Und es war köstlich.

Der erste Festtag hatte bereits begonnen und in Babolath herrschte eine feierliche Stimmung. Auch diesmal hatten sich alle Dorfbewohner versammelt. Nun ja, fast alle. Nori, der etwas abseits des Dorfes in einer Holzfällerhütte wohnte, war an jenem Tag nicht zum Feiern zumute. Nori war ein äusserst begabter Holzfäller. Das wussten alle im Dorf und dafür wurde er auch geachtet. Doch in den letzten Monaten hatte er sich nicht mehr am Holzfällen beteiligt. Warum? Seine Holzfälleraxt, die ihm schon vor 20 Jahren, gleich bei seiner Geburt, gegeben wurde und die ihn das ganze Leben begleitet hatte, war zerbrochen. Er war so traurig darüber, dass er nicht mehr lachte, nicht mehr arbeitete und kaum mehr aus seiner Holzfällerhütte kam.

„Nori, du übertreibst es nun, komm wieder nach draussen, komm und fälle ein paar Bäume mit uns!", wurde ihm gesagt, doch er wollte nicht. Auch wenn ihm das schon 100 Mal gesagt wurde, er wollte nicht mehr, er war zu traurig.

„Nori, warum bist du so traurig? Wir haben für dich eine neue Axt, so komm doch!"

Doch Nori wollte keine neue Axt, er wollte seine alte, seine für ihn so bedeutende Axt wieder zurück. Wochenlang hatte er versucht, sie zu reparieren. Doch die Klinge war gespalten. Für ihn gab es keine Hoffnung mehr, denn in Babolath gab es keinen Schmied, der ihm diese Axt hätte reparieren können, nein, auch nicht im ganzen Lande Everan, so meinte er.

„Nori, was ist los? Warum war dir diese Axt so wichtig? Uns sind schon so viele Äxte zu Bruch gegangen, doch wir sind darüber hinweggekommen, warum du nicht Nori? Warum du nicht?"

Tja, Nori war nicht nur ein begabter Holzfäller, er war Nori Hubwald, der Nachfahre Nori Hubwald der Erste, der vor vielen hundert Jahren dieses Dorf, Babolath gegründet hatte. Und die Axt? Ja, die gehörte nämlich genau diesem Nori Hubwald. Sie hatte also viele Hundert Jahre überdauert. Nori wusste, dass selbst eine solche Axt einmal zu Bruch gehen würde, denn keine Holzfälleraxt hält bis in alle Ewigkeit. Keine. Und Nun musste sich unser Nori, Nori der Achte, mit diesem grossen Unglück zurechtfinden. Dabei wäre das Hubwalder Fest doch genau die Möglichkeit, sich von diesem Leid, das ihn schon seit Monaten plagte, zu befreien.

„Nori! Das Hubwalder Fest hat bereits begonnen! Nori! Komm mit uns und feire mit uns! Vergiss dein Leid und fang wieder von vorn an! Na komm schon!"

Und tatsächlich, Nori liess sich schliesslich überreden und kam ans Fest. Auch wenn er zurückgezogen und einsam im Wald lebte und wenig mit den Leuten im Dorf sprach, so wurde er doch von allen geachtet, denn er war schliesslich nicht nur ein tüchtiger Holzfäller, sondern auch der Nachfahre von Nori Hubwald dem Ersten. So ging er nach draussen und machte sich auf den Weg zum Fest. Er nahm einen Geldbeutel mit, der mit 24 Muten gefüllt war, um sich eine neue Axt zu kaufen. Die 24 Muten waren das letzte Geld, das ihm nach so langer Zeit der Untätigkeit geblieben war. Trotzdem würde er, wie ihm seine Holzfällerkumpanen versicherten, nach dem Fest wieder von Neuem beginnen und wie schon seine Vorfahren, Grosses mit dem Holzfällen erreichen können. Ja, denn was seine Vorfahren geschaffen hatten, darüber wurde in Büchern geschrieben und die Geschichten den Kindern und Wissbegierigen erzählt. Nori Hubwald der Erste, hatte aus einem riesigen, mächtigen Baum, den er 34 Jahre lang gefällt hatte, ein Dorf, die nach diesem Baum benannt wurde, gebaut. So war Babolath entstanden. Das Holz des Baumes war so hart und stabil, dass die ersten Häuser Babolaths bis heute überdauerten. Und es reichte aus, um noch viele Häuser mehr zu bauen. Immer mehr Menschen zogen nach Babolath, das langsam zu einem richtigen kleinen Dorf anwuchs. Die Menschen waren glücklich in ihren neuen Häusern und Nori, der Gründer, wurde gefeiert und verehrt. Bald bekam Nori einen Sohn, Nori den Zweiten. Dieser baute Brücken die über die mächtigen Flüsse führten. Der Dritte errichtete das Nachbardorf Gar und der Vierte baute ein riesiges Schiff, und so weiter und so fort. Und all das, was geschaffen wurde, bestand aus dem Holz dieses einen gewaltigen Baumes. All das wurde mit dieser Axt gefällt, die jedoch nicht ewig, wie das Holz des alten Baumes, halten würde.

Nun war der Tag gekommen, jener Tag, an dem sie zerbrochen war. Der Tag von dem alle Hubwalder wussten, dass er kommen würde. Der Tag, an dem Schiffmir, das Seeungeheuer wieder erjagt werden musste. Das Seeungeheuer Schiffmir, das bis zu jenem Tag alle Hubwalder gefressen hatte.

„Nori, erzähl uns wieder die Geschichte mit Schiffmir, wie ging die nochmal? Warum musst du ihn jetzt erjagen? Du weisst, dass das sehr, sehr gefährlich ist, Nori! Warum genau diesen Fisch?"

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⏰ Last updated: Aug 18, 2015 ⏰

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