8. Kapitel

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"Danke für die Hilfe. So ging es wesentlich schneller", meinte Dad. "Keine große Sache Dad! Wann kommt Mom wieder?", just in dem Moment kratzte ein Schlüssel im Schloss und man hörte das dumpfe Klackern ihrer Schuhe. "Wenn man vom Teufel spricht. Komm gehen wir hoch!"
Meine Mutter war mit Tüten beladen und versuchte diese gerade vergeblich auf dem Küchentisch zu legen. Vorsichtshalber zog ich mich unauffällig in mein Zimmer zurück. Vielleicht vergaßen sie dann, das es in diesem Haus noch zwei weitere Hände gab die beim auspacken helfen konnten. Grinsend schwang ich mich auf die Balken und schaute auf Morgentau herunter. Diese wälzte sich gerade genüsslich im üppigen Gras und hinterließ einen unförmigen Abdruck. Nach einer Weile zog ich mein Notizbuch hervor und schlug eine Seite auf. Mit flinken Händen skizzierte ich ein Einhorn. Es stand im Mondschein auf einer Lichtung und schaute gen Himmel. Die Mähne fiel wellig bis zum Boden und es sah beinahe so aus als ob sie glitzern würde. Auf der Stirn prangte ein gedrungenes Horn. So gut waren mir noch nie eine Zeichnung gelungen. Selbst das Gras mit den Blumen, bei dem ich sonst immer Probleme hatte, wirkte real. Ja die Blume strahlten geradezu im Mondlicht. Sanft, fast ehrfürchtig, strich ich über das Blatt. Und es kam mir ein bisschen so vor, als ob sich das Fell des Einhorns wirklich weich anfühlte.

"Essen ist fertig", schallte es von unten herauf. Flink sprang ich vom Balken und hüpfte kurz darauf fröhlich die Treppe herunter.
Schon bevor man die Küche betrat, roch man den herrlichen Duft von Kartoffeln und Soße. Fröhlich setzte ich mich auf meinen Stuhl und füllte jedem den Teller. Ungeduldig wartete ich bis meine Eltern sich setzten.
Hungrig machte ich mich über das Essen her, was meine Eltern zum schmunzeln brachte. "Was? Arbeiten macht hungrig!", grinste ich. "Gar nichts Schatz", lächelte meine Mutter und widmete sich ihrem Teller. "Schön wenns dir schmeckt." Mein Vater begann bloß grinsend mit seinem Essen.
Nachdem ich das ganze Geschirr in die Spülmaschine gestopft hatte, konnte ich endlich wieder zu Morgentau. Das Pony stand seelenruhig im Gras und knabberte an ein paar Halmen. Leichtfüßig kletterte ich über die Balken und lief zu ihr. "Hallo Morgentau, da bin ich wieder. Ich hab dir was mitgebracht.", mit den Worten zog ich einen Apfel aus der Jackentasche, den ich aus dem Obstkorb stibitzt hatte. Sie schaute nur kurz auf, nahm ihn sanft aus meiner Hand und senkte den Kopf wieder. Seufzend machte ich mich auf den Weg in den Schuppen. Mit der Putzbox bewaffnet trat ich kurz darauf wieder aus der Tür. Im Gehen nahm ich den Strick vom Haken und stoppte bei Morgentau. "Jetzt wirst du erstmal richtig geputzt.", da sie nicht die Anstalt machte ihren Kopf zu heben, beugte ich mich herunter und hackte ihn ein. "Komm", meinte ich sanft. Tatsächlich setzte sie sich in Bewegung, sodass ich sie bis zum Anbindering führen konnte. Mit einer schnellen Bewegung schlang ich den Strick durch das Eisen zu einem Knoten. Kurzentschlossen rollte ich den Wasserschlauch aus, um den größten Dreck zu entfernen. Still ließ sie es über sich ergehen, zuckte nur einmal kurz, als der kalte Strahl auf ihren dünnen Körper traf.
Schweigend wusch ich sie ab und öffnete die Putzbox.

"Sieht doch schon viel besser aus". Zufrieden begutachtete ich mein Werk und packte alles wieder ordentlich zusammen.
Ihr Fell hatte nun eine gleichmäßige blassgraue Farbe angenommen. Die Mähne sah weniger wild aus, selbst der Schweif fiel ordentlich herab.
Lächelnd löste ich den Knoten und hakte den Strick aus dem Halfter.
Sofort sprang sie über das Gras davon und hielt erst an, als ein großer Abstand zwischen uns entstanden war. Dort entspannte sie sich wieder und knabberte genüsslich am Gras. Seufzend räumte ich den Kasten an seinen Platz und beobachtete Morgentau aus dem Türrahmen heraus weiter. Dösend stand sie auf der Wiese und schien nichts mehr um sich herum mitzubekommen.
Nach ein paar Minuten verließ ich meinen Standpunkt und trottete gemächlich zum Wohnhaus zurück.
Zu meinem Glück kam ich bis in mein Zimmer ohne jemandem zu begegnen. Keine unangenehmen Fragen, keine langen Gespräche.
Aufseufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen und starrte an die Decke. Morgentau war ein schwieriges Pony. In einem Moment total zutraulich, doch im nächsten Moment wie ausgewechselt. Ängstlich und schreckhaft, ließ niemanden an sich ran.
Meine Gedanken wurden vom Regen unterbrochen, der plötzlich an die Scheiben pladderte. Einfach rausgehen würde nun scheinbar nicht mehr.
Ächzend richtete ich mich auf und schwang mich auf die Balken.
Morgentau hatte sich nicht bewegt, der Regen schien an ihr abzuprallen, sie nichtmal zu berühren.
Lächelnd schaute ich zu ihr herunter, bis mein Blick auf die Kette auf dem Fensterbrett fiel. Der Anhänger strahlte ein warmes Licht aus. Wie elektrisiert nahm ich ihn in die Hand. Warm fügte er sich in meine Hand und beruhigte mich ungemein.
Mit zittrigen Fingern öffnete ich den Verschluss und legte sie mir um. Sie passte wie angegossen.
Ich ließ mich vom Balken gleiten, schnappte mir neue Klamotten und verschwand in Richtung Bad. Um die Kette nicht nass zumachen wollte ich sie ausziehen, doch der Verschluss war weg. Runde um Runde tastete ich die Kette ab, doch alles nur feine metallene Kettenglieder. Mit einem etwas mulmigen Gefühl beließ ich es dabei.
Frisch geduscht und mit neuen Kräften öffnete ich meinen Laptop. Ein etwas älteres Modell, der Alte meiner Eltern, aber noch funktionstüchtig. Ungeduldig wartete ich bis er hochfuhr.

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