Eileithyia

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Eine spätsommerliche Briese umspielte ihre Haare, als wir ins freie traten. Sie umklammerte meinen Arm, während wir das Klinikgelände verließen und auf die Straße gelangten. Sie zuckte bei jedem vorbeifahrendem Auto zusammen und drückte sich eng an mich. Aber mit jedem Schritt, den sie tat, wurde sie sicherer, bis sie nur noch meine Hand hielt. Wir erreichten einen Park und ich schlug vor, hindurch zu gehen.

Das Mädchen war kaum wiederzuerkennen. Sie ließ meine Hand los, blieb aber in meiner Nähe. Bei jedem lauteren Geräusch zuckte sie jedoch zusammen und griff wieder meine Hand. Es entlockte mir ein leises Lachen, als sie mich langsam wieder losließ und sich etwas vor mich wagte. Locker folgte ich ihr und schaute mich um. Ich lief fast gegen sie, als sie stehen blieb, konnte aber noch vorher abbremsen. Das Mädchen schaute mich an und zeigte auf den kleinen See, der mit Schilf umrandet war. Auf dem Wasser schwamm eine Entenfamilie und kleine Kinder standen an einem der Stege, um sie mit Brot zu füttern. Ich konnte ein kleines Funkeln in ihren Augen erkennen, als sie beschloss mich ans Ufer zu ziehen. Dabei hörte ich einen Laut, der mir bis jetzt fremd erschien. Ein Lachen. Ein leises Lachen stahl sich aus ihren Lippen, während ich hinter ihr her stolperte. Als wir das Ufer erreichten, kam ich leicht ins Wanken, weil sie mich ziemlich schnell losließ. Ich konnte mich grade noch so an einem der Bäume abstützen. Langsam hob ich meinen Blick vom Boden zu dem Mädchen. Ich wollte unbedingt ihren Namen wissen. Ihre Stimme hören. Das Mädchen war auf einen der Stege geklettert und ging bis ganz vorne. Ich joggte ihr kurzerhand nach und kam neben ihr zum Stehen.

„Vorsicht, nicht dass du noch reinfällst", sagte ich leise und griff nach ihrer Hand. Sie ließ die Geste zu und umschloss meine Finger mit ihren dünnen. Ihre Haare wehten leicht im Wind und trafen öfter mein Gesicht, doch ich ignorierte es. Je länger wir dort Hand in Hand standen, desto klarer wurde mir, dass ich mich langsam aber sicher in sie verliebte. Es war völliger Schwachsinn, ich kannte sie nicht einmal wirklich. Leises Seufzen unterbrach die angenehme Stille zwischen uns. Erst als das Mädchen mich fragend ansah, realisierte ich, dass das Seufzen aus meinem Mund kam. Ich grinste sie bloß an und schaute zurück auf das sich leicht bewegende Wasser. Viele funkelnde Kristalle trieben auf der Oberfläche und ließen den See einem Traum gleichwerden. Einer von ihnen blendete mich kurz, ehe er hinter einer seichten Welle wieder verschwand.

„Liam?", holte mich eine Stimme aus dem Traumzustand. Ich drehte mich um und erblickte Niall, der am anderen Ende des Stegs stand und mir zuwinkte. Kurz schaute ich zu dem Mädchen, das zu mir aufblickte.

„Willst du meinen besten Freund mal kennen lernen?", fragte ich sie, woraufhin sie nickte. Lächelnd zog ich sie zu dem Blondschopf, der uns breit angrinste. Nach einem kurzen Handschlag stellte ich dem Mädchen Niall vor, der übertrieben grinste und eine Verbeugung hinlegte, woraufhin das Mädchen leise kicherte. Sie ließ sich jedoch, trotz seines Charmes, nicht von ihm anfassen, was mich irgendwie froh stimmte. Zu dritt gingen wir weiter durch den Park. Das Mädchen fand die Steinstatue ziemlich interessant und spielte damit rum. Niall und ich setzten uns einige Meter entfernt ins Gras. Mit der einen Hand rupfte ich einzelne Halme heraus und warf sie neben meine Schuhe. Mein Blick war immer auf das Mädchen gerichtet.

„Das ist sie also", bemerkte Niall nach einiger Zeit und übertönte somit das Geschrei der kleinen Kinder. Nickend sah ich zu ihm rüber.

„Es ist lächerlich", sagte ich dann und heftete meinen Blick wieder an das Mädchen, beobachtete jede ihrer Bewegungen.

„Was ist lächerlich?"

„Das ich anfange, Gefühle für sie zu entwickeln, ohne sie überhaupt zu kennen." Niall machte ein nachdenkliches Gesicht und nickte dann. Ich sollte auf meinen Kopf hören, nicht auf mein Herz.

Ein wohlbekanntes Klingeln dran in meine Ohren und Niall und ich drehten uns gleichzeitig zum Eiswagen um, der hier schon entlang fuhr, als Ni und ich noch kleine Jungen waren.

„Einmal wie immer?", grinste Niall mich an und war schon auf den Beinen. Ich nickte und beauftragte ihn, noch ein Vanilleeis für das Mädchen mitzubringen. Während Niall zum Eiswagen ging, erhob auch ich mich und ging zu ihr. Sie strahlte mich an und reichte mir einen Stein, der die Form eines Sterns hatte; mit viel Fantasie.

„Niall holt grade ein Eis. Ich hoffe, du magst Eis." Wie aufs Stichwort kam Niall grade auf uns zu und versuchte die drei Eiswaffeln zu balancieren. Er schaffte es grade so zu uns und drückte mir sofort meine Eiswaffel in die Hand. Walnuss und Caramel. Dann wollte er dem Mädchen ihre Eiswaffel geben, doch sie zuckte vor Niall zurück, was mich irgendwie belustigte. Ich nahm ihm die Vanilleeiswaffel ab und reichte sie dem Mädchen, während ich an meinem leckte. Zögerlich nahm sie die Waffel und probierte. Sie zuckte vor der Kälte des Eises zusammen, leckte aber gleich nochmal daran. Es schien ihr zu schmecken.

Wir hatten uns auf eine Bank gesetzt, um das Eis in Ruhe zu essen. Da das Mädchen ansgt vor Niall zu haben schien, saß ich zwischen den beiden. Ich hoffte, dass sie ihn eines Tages mögen wird. Lange nachdem wir das Eis verputzt hatten, saßen wir noch auf der Bank. Der Himmel begann, die Sonne zu vertreiben. Diese wehrte sich und hüllte den gesamten Himmel in ein orange-rot. Das war mein Stichpunkt. Das Mädchen musste langsam in die Klink zurück. Ich verabschiedete mich von Niall, der in unserer Wohnung schon mal anfangen sollte zu kochen, während ich das Mädchen zurück brachte.

Als wir an der Klinik ankamen, war die Sonne schon fast hinter dem Horizont ertrunken. In etwas eiligerem Tempo gingen wir durch die Gänge, in denen wir Dr. Williams fanden. Sie nahm das Mädchen an sich und brachte sie in ihr Zimmer. Ich folgte den beiden und verabschiedete mich dann von dem Mädchen. Nachdem Dr. Williams die Türe geschlossen hatte, drehte sie sich zu mir herum und sah mich mit einem Blick an, den ich nicht zu deuten wusste.

„Möchte ich wissen, was Sie mit ihr gemacht haben, Liam?" Ich hingegen grinste nur.

„Ich habe ihr neue Hoffnung gegeben, Dr. Williams."

***

Unglaublich, dass schon fast 9K Menschen dabei sind :o ein Danke ist da wohl nicht genug *-*

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen ♥

Neverland3r xoxo


Mute [*Abgeschlossen*]Where stories live. Discover now