S I X T E E N

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S I X T E E N

Ich verspürte eine angenehme und bekömmliche Wärme, die sanft meinen kaputten Körper umschloss, als wollte sie ihn wieder zusammen flicken und heilen. Ein einnehmender Druck ruhte auf mir, der sich so behaglich, und trotzdem so fremd anfühlte, als würde sich ein bedrängender Fremdkörper an mich schmiegen. Ein klitzekleines, kaum merkliches Kribbeln fand seinen Weg in meine zusammengepressten Hände und immer und immer mehr floss das berauschende Lebensgefühl rasant in meinen Körper zurück. Ein zuckersüßer Duft umspielte meine kleine Nase, der verdächtig nach frisch gepflügten roten Rosen und himmlischen Zimtgebäcken roch. Ich erblickte nichts als schreckliche und tiefe Schwärze, in der ich sanft dahin schwebte, vor meinen trüben Augen. Ich flog auf herrlichem Material durch eine fremdartige, magische Konsistenz, die sich anfühlte, als würde ich leicht wie eine Feder auf seidigen Wellen treiben, die mich immer und immer tiefer in das Zentrum des grusligen Meeres trieben. Ertrank ich gerade? War ich in einem Wasserbecken? Ich konnte nichts identifizieren. Ich konnte nicht einmal mehr auseinanderhalten, ob meine Lider geschlossen waren, oder ich sie offen hielt. Wo war ich? Was war ich? War ich lebendig? In dieser fremdvorkommenden Position habe ich das Leben noch nie erfahren. So fühlte sich lebendig sein nicht an. War ich tot? Konnte sich so der unvermeindliche Tod anfühlen? So zart, so weich, so undurchdringlich?

Es war so, als würden in meinem Schädel ein kleines Gewitter herrschen mit vielen, starken Wolken, die mich an ein sinnreiches Denken hindern wollten. Als mein Körper immer und immer mehr zur erholenden Besinnung kam und meine aufgewühlten Gedanken nach einiger Zeit klarer und verständlicher wurden, konnte ich zu meiner Erleichterung erfahren, dass ich aus meinem Mund immer wieder ein leichtes Lüftchen ausstoß. Ich atmete. Ich lebte. Ich war nicht tot. An was hätte ich auch schon sterben können? Außerdem befand ich mich nicht in den überragenden Tiefen eines mitternachtsblauen Meeres, sondern war wohl eher auf einer Matratze anwesend. Einer Matratze, die so entzückend weich war, dass man sie kaum von einem Wolkenbett hätte unterscheiden können. Nur schwer erkannte ich ein paar kurze Erinnerungsfetzen, die aber immer darauf auf sofortige Weise verschwanden. Schließlich konnte ich mich an einem herumhuschenden Gedanken festhalten und in meinem Kopf spielte sich eine kleine Szene ab.

Auf dieser war ich ohne Zweifel zu erkennen, während ich still einen rot-orangenen Baum schmückte, der mir so seltsam, doch so bekannt vorkam. Der Baum. Der Weihnachtsbaum, den es eigentlich nie hätte geben sollen. Zumindest auf dieser Welt, auf der ich mich momentan befand. Asgard, so musste sie heißen. Neben mir war ein bildschönes Mädchen, die tratschend und lächelnd der selben Tätigkeit nachkam, wie ich. Irgendwas in meinem verletzlichem Körper schrie nach ihr. Schrie klagend ihren Namen, und befahl mir, dass ich mir Sorgen um das brünette Mädchen machen sollte. Aira. Das war sie. Aira, meine Kammerfrau. Aira, meine Gehilfin. Aira, meine Freundin.

Die belustigende und fröhliche Szene verschwamm und nun rief es sich mir wieder ins Gedächtnis, warum ich tief innerlich so besessen darauf war, dass ich mich um Aira Sorgen machen sollte. Die Kolorierungen waren nicht mehr bunt und verspielt wie auf dem vorherigen Erinnerungsfaden, sondern wirkten düster und miesepetrig. Ungeheuerliche Windstöße schlugen mir entgegen, als ob ich genau in diesem Moment mit dabei wäre. Doch ich war es nicht. Trotzdem kämpfte ich mich durch das furchtbare Ungewitter, was keines zu sein scheint. Ein ohrenzerreißendes Schreien fing meine Ohrmuschel auf und es hörte sich so furchterregend an, als würden diejenige Person gerade höllische Schmerzen erdulden müssen. Und nur wenige Sekunden, Sekunden voller schriller Rufe, unmenschlichen Windstößen und paranormalen Aktivitäten, später, erkannte ich den Grund für all diese sonderbare Unmenschlichkeit, die hier stattfand. Ich rief Aira Befehle zu, sie solle doch nun endlich diese verdammte Kette loslassen, doch jeden missachtete und ignorierte sie.

Aira...Aira! Was war mit ihr? Wie erging es ihr? Soweit ich mich erinnern konnte, war sie lebendig, als ich sie das letzte Mal erblickte. War sie es immer noch? Oder hatte dieser Kontakt mit meiner Kette schlimme Folgen? All diese verwundbaren Sorgen und Gedanken brachten mich zurück in mein intaktes Leben, was ich wohl noch nie verlassen hatte. Ich war niemals tot gewesen. Ich war nur bewusstlos. Und es war endlich Zeit aus dieser verfluchten Ohnmacht aufzuwachen.

F I R E E M P R E S SWo Geschichten leben. Entdecke jetzt