Kapitel 3 • Thomas

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Ich schlug wütend auf den Boxsack ein. Mit jedem Schlag wurde ich noch wütender. "Wow, lass den armen Boxsack in Ruhe!" Ich drehte mich um und schaute zu Santana, die belustigt in der Tür lehnte. "Ich bin nicht in der Stimmung." gab ich nur zurück und löste die Bandagen von meinen Fingerknöcheln. Ich ließ mich wie ein nasser Sack auf das Doppelbett fallen, das in unserem improvisierten Versteck stand. Santana setzte sich neben mich. "Hey, was ist denn los?" fragte sie und legte ihre Arme um meine Schultern. Von der Seite schaute sie mich erwartungsvoll an. "Ich bin sauer." "Und weiter?" "Ich vermisse New York, aber mir gehen diese ständigen Möchtergern-Gangster auf den Wecker!" "Und was kann der arme Boxsack dafür?" "Soll ich mich lieber mit dir prügeln?" fragte ich ironisch. "Nein, ich will nicht, dass du weinst wie ein Baby." Ich schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, entschied mich aber, darauf nicht weiter einzugehen. "Armer, kleiner Tom." murmelte sie und legte ihren Kopf auf meine Schulter. "Ich habe eine Idee, dich abzulenken." Sie  schmiegte sich enger an meinen Arm. "Was denn?" "Wir schnappen uns jetzt den Wagen, fahren vor Lucias Haus und observieren sie." Ich nickte und stand auf. Ich wechselte schnell mein Shirt. Ich schämte mich kein bisschen vor Santana, sie war wie eine kleine Schwester für  mich. Man fragte mich mal, wie ich Santana beschreiben würde. Wie ein Sturm auf zwei Beinen war meine Antwort gewesen. Denn das war sie auch.

Vor Lucias Haus saßen wir also im Wagen. Die Sonne war bereits aufgegangen und zauberte warmes Licht in die friedliche Straße. Ich wartete und wartete. Santana sang leise vor sich hin. "Love can touch us one time, and last for a lifetime-" "Musst du jetzt so eine Schnulze singen?" fragte ich und drehte mich genervt zu ihr um. "My Heart Will Go On ist keine Schnulze, sondern ein Klassiker." gab sie nur zickig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich stupste das rosa Bandana an, das ihr um den Kopf lag und sie lächelte, wenn auch wahrscheinlich ungewollt. Endlich, ich sah Lucia. Ihre Gestalt setzte sich auf den Platz am Fenster und starrte Löcher in die Luft. "Meinst du, sie kann mich erkennen?" "Ich glaube nicht. Wenn sie einen von uns erkennt, dann mich. Du siehst genug Undercover aus." antwortete Santana und grinste. Aber sie hatte recht. Ich trug ein Hemd, wie eigentlich ziemlich selten. Außerdem waren meine Haare nicht gestylt, also lagen sie einfach so total wuschelig auf meinem Schädel. Lou sah total bezaubernd aus. Ich bemerkte ihre kleine Schwester, die gerade über die Straße ging und den gepflasterten Weg zur Veranda betrat. In der Hand hielt sie eine Tüte vom Bäcker. Sie war süß, aber ziemlich nervig, jedenfalls wenn ich Lydia Glauben schenken sollte. Lydia war ebenfalls eine von meinen Leuten, und sie hatte den Auftrag, Meggie zu beschatten. Ich bekam das Bedürfnis, mit ihr zu sprechen. Ich hatte Lydia vor langer Zeit auf der Straße aufgelesen und unter meine Fittiche genommen. Ich krabbelte also auf die Rückbank und suchte mein Handy. "Scheiße, Thomas!" "Was?" Santana drehte sich mit geweiteten Augen zu mir um. "Ich glaube, sie hat uns gesehen! Wir müssen fahren, jetzt!" Ich setzte mich richtig hin. "Nein, zu auffällig. Wir bleiben hier." "Und wenn sie diese Kenna anruft?" "Soll sie doch. Mir doch egal, ob mich ein verdammter Teenager sieht. Dann holen wir sie uns sofort." "Und was machst du mit Kenna?" "Die will ich auf keinen Fall dabei haben. Die ist hibbelig, nervig, aufdringlich-" "Thomas, wir müssen hier weg." Santana deutete mit ihrem Kopf in Richtung Straße. Kenna eilte - mit ihrem Brötchen noch in der Hand - direkt auf Lucias Haus zu. Sie trug außerdem einen großen Rucksack auf dem Rücken, der ziemlich vollgestopft aussah. Mit einem Satz saß ich wieder auf dem Fahrersitz und trat auf das Gaspedal. Viel zu schnell rasten wir von ihrem Haus weg. Wir hätten Kenna unterwegs fast überfahren. Dafür kassierte ich dann einen ungläubigen Blick von Santana, den ich aber gekonnt ignorierte. Ich durfte nicht zulassen, dass Lucia mir durch die Lappen ging.

Etwa fünf Minuten später waren wir dann an unserem Versteck angekommen. Das alte Theater sah von außen echt komplett verlassen aus. Wir parkten den Wagen gut versteckt und tippten dann den Geheimcode ein. Die Tür öffnete sich. Scott und Dylan hatten alle Türen mit ihren selbstentwickelten Türsicherungen versehen. Die Teile waren der Wahnsinn, so würden wir keine unerwünschten Gäste haben. Ich eilte hastig durch die Tür, Santana folgte mir.

Der erste, den ich hier sah, war Dylan. "Thomas, was ist los? Du siehst aus wie nach der letzten Verfolgungsjagd in New York." Ich ignorierte ihn allerdings und ging einfach stur weiter. "Wir wären fast aufgeflogen." antwortete Santana an meiner Stelle. Ehe mir irgendwer folgen konnte, schlug ich die Tür zum Bad zu und schloss ab. Ich stemmte meine Hände am Waschbeckenrand ab und schaute in den Spiegel. Verdammt, ich sah echt fertig aus. Ich machte also schnell meine Haare, klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht und verließ das Bad. Anschließend wechselte ich das Hemd gegen ein normales Shirt und zog meine Lederjacke drüber. Jetzt war ich wieder ich. Besser gesagt, war ich jetzt wieder der Thomas, der der Anführer der Sangster's Gangsters war.

Ich ging direkt in den Raum, der wohl früher mal als Garderobe gedient hatte. Jetzt diente er uns als technische Zentrale. Natürlich hockte Dylan mal wieder vor seinem Computer und haute auf die Tasten. Er unterbrach das Klackern, als er mich bemerkte. "Was kann ich für dich tun, Boss?" "Ruf unser Lager an. Sag ihnen, wir kommen früher als erwartet.".





Flashlight (German Thomas Sangster FF)Where stories live. Discover now