+++Zehn+++

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Kapitel zehn

Als wir wieder bei meinem neuen vorübergehenden Zuhause angekommen waren, herrschte immer noch eine drückende Stille zwischen uns. Mein Herzschlag hatte sich zwar einigermaßen wieder beruhigt, doch die Aufregung spürte ich immer noch in meinen Knochen. Es wirkte alles so unfassbar surreal, dass ich manchmal einfach nur abwartete und hoffte, aus diesem Albtraum aufzuwachen. Wie konnte sich ein einziges Leben in so kurzer Zeit um hundertachtzig Grad wenden? Wie konnten so viele einschneidende Erlebnisse in einem so unbegreiflich kurzen Zeitraum geschehen? Und wie um alles in der Welt war ich dazu in der Lage, noch immer die Kraft zu besitzen, um weiterzumachen?

Ich hatte, wenn man genau darüber nachdachte, alles verloren. Mir wurde es immer wieder bewusst und doch erschien es mir so unwirklich. Ich hatte meine Eltern verloren und mein Zuhause. Auch wenn es quantitativ nur zwei Dinge waren, war es doch alles, was ich hatte. Es war zum Verzweifeln. Je mehr ich darüber nachdachte, desto auswegloser kam mir die Situation vor. Ich meine, mir war zuvor schon bewusst gewesen, dass sie ausweglos war, aber mit jeder Sekunde verlor ich immer mehr den Glauben daran, dass es sich lohnte, wenn ich weiterkämpfte. Immerhin hatte ich nichts mehr, um dass es sich zukämpfen lohnte.

Und doch war ich hier. Hier, um meine eigene Welt zu retten. Zumindest das, was von ihr übrig war.

Riley schien sich in meine Situation hineinzuversetzen, zumindest sagte mir das sein mitleidiger Blick, welchen er mir schenkte.

„Wenn du dich ausruhen willst, du kannst-"

„Nein Riley. Alles was ich will, sind Antworten.", redete ich mit fester Stimme dazwischen. Die ganze Zeit habe ich zugelassen, dass dieses neue Leben mein altes zerstört. Mir wurden meine Liebsten genommen, von meinem Zuhause wurde ich vertrieben und mein Vertrauen wurde ebenso misshandelt, genauso wie mit meinen Gefühlen gespielt wurde. Ich erinnerte mich zwar nicht mehr an alles, doch einzelne Flashbacks zeigten mir Bruchstücke von dem, was geschehen war, bevor ich Riley traf. Ich hasste es, so zu leben. Und das schlimmste war, dass ich nicht mal genug Hintergrundwissen über diese Gestaltwandler-Sache und die damit verbundene mir verborgene Welt hatte. Ich hatte keine Ahnung, weil mir kein verdammtes Schwein auch nur irgendwas darüber erzählen wollte und diese Tatsache machte mich so rasend, dass ich das Gefühl hatte, jeden Moment zu explodieren. 

Ich wollte wissen, ob es sich lohnte, für diese unbekannte neue Welt zu kämpfen. Ich wollte wissen, ob die Aufdeckung dieser ganzen Rätsel es leichter machen würde, über alle meine Verluste hinwegzukommen und ob sie im Laufe der Zeit nicht mehr ganz so schmerzten, wie sie es jetzt taten.

„Alina.", murmelte Riley seufzend, fast schon flehend.

Oh nein, diesmal werde ich kein Nein dulden. „Ich habe ein Recht auf diese beknackten Antworten!" Ich bemühte mich wirklich die Ruhe einigermaßen zu bewahren, doch es gelang mir nur mäßig. 

Wäre ich nicht so geladen, hätte ich sicherlich schon ein schlechtes Gewissen. Vielleicht sollte ich meinen Ärger nicht an Riley auslassen, zumindest nicht so. Aber dadurch, dass ich so sehr über die Ereignisse der letzten Zeit nachgedacht und mich immer mehr hineingesteigert hatte, konnte ich meine Wut nicht länger verbergen. Zu lange hatte ich bereits alles in mich reingefressen und runtergeschluckt, in der Hoffnung, nachdem ich meine Rache auf Jake ausgeübt habe, würde alles besser werden. Aber das war völliger Quatsch. Ich wusste nicht, was es brauchte, damit es besser werden würde. Aber Rache war es auf keinen Fall. Und schon gar nicht an Jake. Ich fragte mich wirklich, wie ich das all die letzten Tage denken konnte. 

Riley setzte sich auf den Rand der Couch und fühlte sich sichtlich unwohl. So kannte ich ihn kaum, aber da musste er jetzt durch. Ich werde ganz sicher nicht weiter in einer Welt leben, von der ich keine Ahnung hatte. Das wäre, als würde man mit einem Flugzeug verreisen, ohne zu wissen, was ein Flugzeug überhaupt ist.

Revenge - Auf Leben und Todحيث تعيش القصص. اكتشف الآن