Kapitel 8

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Mario's Sicht
Freitag

Es war früher Morgen und ich sass wieder im Vorlesungssaal 101. Herr Bubendorf war wirklich anstrengend. Jede noch so kleine Bemerkung eines Schülers, brachte ihn aus dem Konzept. Ein komischer Kautz, aber er verstand was von Wirtschaft. Das musste man ihm lassen. Die erste Stunde war fast um und ich packte meine Bücher schon im Vorraus ein, damit ich gleich aus dem Zimmer flüchten konnte. Und genau in dem Augenblick passierte mir das Schlimmste Missgeschick, das ich je erlebt hatte. Mitten im Unterricht klingelte mein iPhone:

Dring, dring, dring, dring, dring, dring, dring, dring!!!

Ich sass regungslos da und der grimmige Lehrer schaute mir wütend und genervt, vom Klingelton, in die Augen. Er hatte uns in der kurzen Zeit wegen der Handys schon so oft ermahnt, dass ich bei 50 aufgehört hatte zu zählen und dabei war ich doch erst seit 'ner knappen Woche hier. Kein Schwein traute sich sein Handy aus der Tasche zu nehmen, seit er damit gedroht hatte, unsere Handys einfach aus dem Fenster zu schmeissen. Wir lachten ihn innerlich aus, bis vor ein paar Tagen ein Mädchen ihr Handy auf dem Tisch gehabt hatte und eine Nachricht eingegangen war. Er nahm es einfach, öffnete das Fenster und schoss es aus dem zweiten Stock. Unglaublich. Das Mädchen rannte heulend aus dem Vorlesungssaal.
Als ich mich wieder bewegen konnte und mein Handy nahm und ausschalten wollte, bekam ich noch eine Nachricht. In dem Moment, riss mir Herr Bubendorf das Handy aus der Hand: "Wenn es dir so viel Spass macht SMSen zu verschicken, Junge, dann lass uns doch auch Teil an diesem Vergnügen haben!
Oder soll ich es gleich aus dem Fenster schmeissen?", fragte er laut. Ich bekam Panik.
"Nein! geben sie mir mein Handy zurück!!", schrie ich voller Angst, stand auf und versuchte ihm das Handy zu entreissen. Der Schock stand mir ins Gesicht geschrieben und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Die anderen beobachteten das Schauspiel. Aus dem Augenwinkel sah ich Marco und die anderen Jungs verwirrt auf uns schauend und ich hatte so'ne ungefähre Ahnung wer mir geschrieben hatte, konnte aber gar nichts mehr dagegen unternehmen, bis Herr Bubendorf selbst die Nachricht las. Dann war keiner mehr zu hören. Alle waren für einen Moment still. Herr Bubendorf sagte eine Weile lang nichts. Er gaffte bloss noch auf's Display und bewegte sich nicht. Der ganze Saal hielt den Atem an und meine Vorahnung erwies sich als richtig. Er war verwirrt, schaute zur Klasse. Alle blickten ihn an. Etwas stimmte nicht. Das war jetzt jedem bewusst. Ich schaute mit einem Hilfe rufenden Gesicht zu Marco, der ihn mit verwirrter Miene erwiderte. Dann gab mir Herr Bubendorf verwirrt das Handy wieder zurück und ging leise murmelnd zurück an seinem Schreibtisch. Jetzt waren alle Augenpaare auf mich gerichtet und ich hasste dieses Gefühl. Ich stand nun mal nicht gern im Mittelpunkt, da fühlte ich mich ständig unwohl.
"Ihr könnt gehen. Die Stunde ist vorbei.", sagte er jetzt wieder mit einer etwas gefassteren Stimme und der Saal liess sich nur langsam wieder leeren. Der Auftritt von vorhin gab allen den Rest und sie versuchten alle einen Blick auf mein Handy zu erhaschen, doch ich schaltete es aus. Na ja, Leute. Wie es aussieht hätte er mit allem gerechnet, aber sicher nicht mit dem:
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⬅️Chats Jonas❤️ 📞
                  online
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Na, wie gehts?😌❤️

Hey, Süßer😚❤️
Hoffe du hattest 'nen
schönen Tag. Freue
mich dich bald wieder
zu sehen.
PS: Genauso wie auf
den Sex👄😏, ich bin
so geil auf dich das
glaubst du nicht!
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Es war mir sowas von peinlich. Wenn dein eigener Lehrer deine Sexnachrichten lesen würde, würdest du dir wünschen, niemals geboren worden zu sein! Und genauso fühlte ich mich in dem Moment. Wenn er die Nachricht wirklich laut vorgelesen hätte, wüsste jetzt jeder, dass ich schwul war. Ich musste besser aufpassen. Gott bewahrte mich zwar diesmal vor einem gezwungenermassen spontanen Outing, aber wer wusste schon, ob er mich auch beim nächsten Mal beschützen würde. Ich ging aus dem Klassenzimmer. Ich hatte jetzt zwei Freistunden und die wollte ich sinnvoll nutzen und mich ein wenig hinzulegen. Ich ging den anderen und Marco gekonnt aus dem Weg und flüchtete in Richtung Ostflügel.

Marco's Sicht

"Ich hatte Herr Bubendorf noch nie in meinem ganzen Leben so aufgelöst gesehen, wie heute.", sagte ich. Die anderen Stimmten mir zu, dann legte Auba seine Gabel auf dem Teller. Ich wüsste wirklich zu gern, was in der SMS gestanden war. Mario wollte dies auf jeden Fall für sich behalten...
"Ich habe letztes Mal schon einen Verdacht gehabt. Vielleicht hat das ja etwas mit diesem Jonas zu tun.", sagte Auba und ich erinnerte mich an Mario's schwarze Beats-Kopfhörer mit dem eingravierten "J" an der Seite.
"Damit könntest du nicht ganz Unrecht haben.", gab ich zu. Ich wünschte, es stimme nicht, aber irgendwie passte alles zusammen.
"Vielleicht sind die beiden mehr als gute Freunde.", fuhr ich fort, "Vielleicht ist dein Mitbewohner schwul, Auba." Ich dachte wieder an das Penis-Bild, dass ich zufällig gesehen hatte und fragte mich, ob er zu der Zeit vielleicht doch mit Jonas geschrieben hatte. Auba machte ein angewiedertes Gesicht und äusserte sich danach sehr homophobisch über Mario. Ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Nicht das ich schwulenfeindlich wäre, im Gegenteil, aber...ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir egal wäre.
"Wie wär's wenn du ein wenig Detektiv spielst und es einfach herausfindest. Dann hätten wir hier endlich Klarheit.", schlug Kevin Auba vor.
Es herrschte betretenes Schweigen.
Auba dachte nach.
Es war nicht gerade Gentleman-Like das zu tun. Man hätte ihn auch ganz einfach fragen können, das war uns schon bewusst, aber es war uns schlicht ergreifend peinlich ihn direkt darauf anzusprechen.
"Ach, scheiss die Wand an. Ich machs jetzt. Hoffen wir, dass er Zuhause ist.", sagte Auba.
Also probierten wir es auf die harte Tour.
Auba machte sich sogleich auf dem Weg zu Zimmer 19. Er hörte von aussen die Dusche. So, jetzt durfte er keine Zeit mehr verlieren. Er tippte schnell den Zimmercode ein und ging leisen Schrittes zu Mario's Hose, die er auf dem Bett liegen sah. Er griff hinein, um das Handy zu ertasten. Gar nichts, kein Handy. Ok. Weiter suchen. Dann sah er in seiner Jackentasche nach. Links war nichts. Rechts auch wieder nichts. Zu guter Letzt die Tasche. Er schaute in jedes noch so kleine Fach nach, kein Handy, dann schaute er beim Hauptfach nach. Schulbücher, Stifte, ein Kondom? Na sowas. Okey...Wieder nichts, verdammte Scheisse!
doch dann, als er seinen Kopf hob, fiel ihm, zu seinem erstaunen, der kleine geöffnete Spalt bei der Schublade auf. Er öffnete die Schublade und Bingo! Mario's Handy. Mario duschte immer noch, er musste sich beeilen. Er schaltete sein iPhone ein und entsperrte seine Tastatur mit einem altbekannten Trick, den Erik ihm mal gezeigt hatte. Dann ging er zu den Kontaktdaten und suchte nach Jonas. Jackpot!
Er öffnete von da aus den Whatsapp-Chat der beiden und las sich die letzte Nachricht durch, die Mario von ihm um circa 9:00 Uhr morgens erhalten hatte. Etwa um die gleiche Uhrzeit, las Herr Bubendorf die Nachricht. Und was Auba jetzt da lesen musste, setzte ihm so sehr zu, dass er vor lauter Konzentration gar nicht bemerkt hatte, dass das Wasser aus der Dusche nicht mehr lief.
"Was machst du da?"

Götzeus - Es passierte in jener Nacht (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt