Kapitel 10

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Justin

Ich kann es immer noch nicht fassen. Was bildet sich der Kerl nur auf sich ein?!, dachte der Idiot der auch noch in sein Bett geklettert ist und ihn küssen wollte... Was hab ich mir nur dabei gedacht? Echt peinlich. Leider kann ich nicht leugnen, dass ich über den "Kuss" immer noch glücklich bin, auch wenn Trice anscheinend keine Ahnung davon hat.

Beim Frühstück konnte ich ihm kein einziges mal in die Augen schauen. Naja, um ehrlich zu sein, habe ich ihn sogar komplett ignoriert. Ich frag mich, was er jetzt von mir denkt.. kann mir eigentlich aber auch ziemlich egal sein. Wenigstens hat der Lehrer für heute eine Wanderung auf so 'nen komischen Berg geplant, weshalb ich Trice noch besser aus dem Weg gehen kann. Echt kindisch, aber ich kann mich ihm gegenüber momentan echt nicht mehr normal verhalten. Zuerst der Kuss und dann auch noch das von heute morgen. Leon hat mich schon gefragt, was mit mir los sei, aber ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Ich muss es erst mal selber verarbeiten. Außerdem ist es doch viel zu peinlich. Ich könnte echt im Erdboden versinken. Wie kommt Trice überhaupt darauf, dass ich auf ihn...

"Hey", unterbricht mich plötzlich jemand. Es ist Luke. "Alles klar bei dir?" Ich nicke zögerlich. Spielt er etwa auf heute morgen an? Es herrscht eine unangenehme Stille. Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll. Er mustert mich aufmerksam und fragt dann weiter: "Hast du schon ein Brot eingepackt?" Wieder nicke ich, woraufhin er sein Gesicht verzieht: "Bist ja echt gesprächig heute.", er senkt seine Stimme, "Ich hab 'ne Frage an dich." Irgendetwas sagt mir, das es um Trice geht.

"Schieß los.", sage ich vorsichtig. Er kommt etwas näher, damit es auch ja keiner mitkriegt: "Hast du romantische Gefühle für Trice?" Obwohl ich wusste was kommt, zucke ich zusammen. Das nenn ich mal 'ne Formulierung. Ich starre schweigend auf den Boden. Er wartet geduldig auf eine Antwort, keine Spur von Verachtung oder Spaß. Einfach nur ein verständnisvolles Warten, ganz so als würde er sagen wollen, dass ich ihm vertrauen kann. Natürlich kann ich dann nicht anders als ihm die Wahrheit zu offenbaren. Langsam nicke ich, woraufhin er auch kurz und wissend seinen Kopf auf und ab bewegt. "Cool", er klopft mir anerkennend auf die Schulter. Das war's.

Dachte ich zumindest. Nachdem wir weiter 10 Minuten in Ruhe nebeneinander standen, räusperte Luke sich wieder: "Wie hast du herausgefunden, dass du ihn magst?" Mein Gesicht fängt an zu glühen und meine Mundwinkel wandern  nach oben. Gute Frage.. Er lässt mir Zeit zum Überlegen. Als ich antworte, kann ich ihm nicht in die Augen schauen: "Ähm... ich hab irgendwann einfach gemerkt, dass ich ihn nicht normal anschauen kann und in seiner Gegenwart immer total nervös werde. Außerdem hab ich immer das Gefühl halb zu sterben, wenn er mich -" Wie vom Blitz getroffen blicke ich nach oben und sehe ihn ernst an. "Kannst du mir sagen, wieso er mich in letzter Zeit aufeinmal so verarscht?" Ich spühre ein unbehagliches Gefühl in meiner Brust. Luke legt seinen Kopf schief: "Was meinst du?" Mir sind die Sachen zu peinlich, um sie konkret anzusprechen, weshalb ich nur meine, dass er mir immer zu nahe kommt und das mit voller Absicht, nur um mich wütend zu machen, obwohl er mich davor nie wahr genommen hat.

"Warum fragst du ihn nicht selber? Ich halte es für besser, wenn ihr die Sache unter euch klärt.", mit diesen Worten klopft er mir ermutigend auf die Schulter und verschwindet im nächsten Moment. Verdattert bleibe ich alleine zurück und schaue ihm hinterher, als mein Blick auf Trice fällt. Mein Herz setzt für eine Sekunde aus, da wir direkten Blickkontakt haben. Wenn man vom Teufel spricht...

Trice

Ich wende meinen Blick ab. Worüber haben Justin und Luke nur geredet? Ich erinnere mich an Justins Gesicht. Es war knallrot. In seinen Augen lag ein schwacher Glanz und er konnte Luke nicht mal in die Augen schauen! Außerdem hat er noch so verlegen gelächelt. Genau so, wie er sich normalerweise mir gegenüber verhält. Und ich dachte wirklich NUR MIR gegenüber. Habe ich mir wohl doch zu viel auf mich eingebildet? Ich denke an meine Worte von heute morgen, als ich ihm auch noch eingebildet gesagt habe, dass er auf mich stehe. Jetzt hält er mich wohl für 'nen totalen Spinner und redet womöglich nie wieder ein Wort mit mir. Ich dachte echt immer, dass er nur vor mir so schüchtern ist und jetzt stellt sich das Gegenteil heraus. Ich denke an all das, was ich ihm angetan habe. Die Annäherung im Klassenzimmer, sein Brot, das mit der Schokolade und dann auch noch heute morgen. Jetzt sieht es ja total so aus, als würde ich etwas von ihm wollen, obwohl es doch eigentlich anders rum sein müsste! Wieso reg ich mich so darüber auf? Kann mir doch egal sein, wenn er mich jetzt hasst, war dann halt sowas wie ein dummer Streich von mir. Wieso habe ich das alles überhaupt getan? Bilder von Justins verlegenem und gleichzeitig wütendem Gesicht flackern vor meinen inneren Augen auf. Mich überkommt ein Gefühl von Bitterkeit und Hilflosigkeit.

Als die Exkursion endlich beginnt, spreche ich Luke auf das Gespräch an: "Worüber hast du mit Justin geredet?" Es klingt ziemlich beiläufig, obwohl ich es nicht mal beabsichtige. Luke zögert eine Weile und meint dann, dass es nichts Besonderes war. Aus irgendeinem Grund löst das eine Art Wut in mir aus. Ich bin normalerweise nicht sonderlich neugierig, aber haben die beiden etwa ein Geheimnis vor mir?

"Hat er irgendwas zu dem Vorfall von heute morgen gesagt?", frage ich weiter. Luke mustert mich scharf: "Was war da überhaupt los?" Ich habe Mist gebaut, das war los! Ich erzählte ihm knapp was vorgefallen war, woraufhin er anfängt zu lachen: "Also so kenne ich dich ja gar nicht. Du wolltest sein Hemd richten? Und behauptest auch noch, dass er Gefühle für dich hätte? Ganz schön selbstbewusst."
Ich stöhne: "Jaja, Luke. Ich weiß selber was für 'ne dumme Aktion das war. Ich wollte ihn einfach ärgern.. und ich dachte echt, dass er was für mich empfindet, aber da war ich wohl zu voreilig." Statt weiter darauf einzugehen, grinst er nur vor sich hin. "Was ist denn bitte so lustig?", kommt es genervt aus mir heraus. "Nichts nichts." Boah, Luke! Eins der wenigen Dinge, die mich auf die Palme bringen, ist Luke und seine ewige Geheimnistuerei, macht immer einen auf allwissend.
"Ach ja, bevor ich es vergesse, viel Glück, Trice.", er klopfte mir auf die Schulter. Glück? Wobei denn??

Reverse (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt