Kapitel 11

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Ich bleibe noch wach und höre ihrem regelmäßigem Atmen zu und denke nach. Ich denke darüber nach warum ich das gestern gemacht habe, warum es mir gefallen hat es sich aber trotzdem im Nachhinein falsch anfühlt. Und warum es sich mit Sammy so richtig anfühlt. Ich fange an sie zu vergleichen. Sammy kenne ich noch nicht so lange, Paula jedoch schon immer. Paula kann ich meine Probleme nicht anvertrauen, da ich weiß, dass sie daran zerbrechen würde. Bei Sammy ist das was anderes. Sie hat selbst so viel erlebt, und ich bin mir sicher, dass sie mit meinen Problemen zurecht kommen würde. Mit Paula habe ich eine Vergangenheit, doch würde eine Beziehung in der Zukunft halten? Und wenn nicht... wäre es dann nicht sehr komisch aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit?...
Bei Sammy muss ich mir keine Gedanken darüber machen ... eine Vergangenheit gibt es nicht und eine Zukunft mit Sammy ist sowieso ungewiss. Das Mädchen ist genauso gut einzuschätzen wie der goldene Schnatz. Kann in der einen Sekunde auf die nächste die Richtung wechseln, auf einem Fleck bleiben und sich kein Stück bewegen. Und wenn man flink genug ist, schafft man es ihn einzufangen und ist sich dann sicher, dass er einen nicht verlässt... außer man lässt ihn fliegen.

Ich werde mich von beiden für's erste fernhalten. Ich bin an die Nähe gewohnt... kenne es nicht anders... muss herausfinden, wie es ohne die beiden ist.

Ich setze mich auf ohne Sammy dabei zu wecken und setze mich so leise wie möglich in den Rollstuhl und fahre zu Helena die um diese Uhrzeit bestimmt schon wach ist... Naja irren ist menschlich oder? Ich finde sie schlafend in einem der Patientenbetten. Musste wohl eine anstrengende Nacht gewesen sein ... aber so viele Patienten sind doch gar nicht hier ... vielleicht macht sie etwas emotional fertig... ich lege mich aufjedenfall zu ihr dazu und schlafe noch ein bisschen da die Sonne noch nicht einmal aufgegangen ist, keine Ahnung warum ich so früh wach war und geglaubt habe, dass Hel schon wach ist.

Jedenfalls träume ich davon, dass das Gebäude von Infizierten überrannt wird... überall sind Tote... ich konnte bloß Jenni und Sammy retten... Paula starb in meinen Armen... und ich wache heulend auf. Helena und Jenni sehen mich besorgt an. Ich wische mir schnell die Tränen weg und frage mit heiserer Stimme „habe ich nur geweint oder auch geschrien?"
„Du fängst wieder an zu schreien..." antwortet mir Jenni ehrlich und ich lege mich erschöpft zurück ins Bett.
„Wir haben dich aufjedenfall gesucht... Sam hat gesagt, dass sie neben dir eingeschlafen ist und du in der Früh nicht mehr da warst... und dass du weglaufen wolltest auch..."

Ich schweig sie beide eine ganze Weile an, hab die Rechnung aber nicht mit meinem Magen gemacht, der knurrt beide sehr laut an.
„Ist schon gut, ich bin ihr nicht böse ... muss jedoch bisschen Zeit ohne Sammy und Paula verbringen. Wenn es Hel nichts ausmacht lebe ich für eine Weile bei dir und helf dir hier in der Krankenstation" Hel nickt bloß und ich setze mich in meinen Rollstuhl. Beide gucken mich verwirrt an. „Soll mein Magen nochmal so laut knurren oder bekomm ich jetzt endlich was zu futtern?" lache ich und wir gehen zu dritt frühstücken. Der restliche Tag verläuft harmlos, fast gar keine Verletzte und ich darf sogar Inventur machen. Ich schaff es dank Helena auch wieder regelmäßig zu essen.

2 – 3 Tage geht das ganze gut. Bis jedoch ein großes Unglück geschieht, in Eingang A gab es ein Leck und es waren zum Glück nur ein dutzend Leute die es erwischt hat da Jonathan und seine Freunde die Infizierten beseitigt haben. Es ist jedoch trotzdem ein großes Massaker bei denen die verletzt wurden. Die meisten wurden gebissen und somit mussten wir sie töten... das machte jedoch nie Helena, geschweige denn ich... nein es machte Jackson... er wollte die Betroffenen jedes mal selbst von ihrem Leid erlösen.

Ich rolle gerade durch die Gänge und bringe den Verletzten ihre Medikamente. Und bleibe wie immer vor dem Bett stehen , das mit einem Vorhang verdeckt wird. Ich darf diesen Fall nicht sehen meint Helena... und sie will mir in letzter Zeit auch die ganze Zeit Blut abnehmen... will mir jedoch nicht verraten wofür das ist, also gebe ich es auch nicht her. Das versteht sie und lässt mcih auch damit in Ruhe. Nach einigen Wochen sind alle Verletzten die es geschafft haben wieder auf den Beinen und in ihren Schlafsälen. Doch der Patient den ich sehen darf geht einfach nicht. Und ich merke immer öfter, dass Sammy und Jenni diesen einen Fall besuchen kommen. Ich schaffe es Sammy einmal abzufangen und stelle mich ihr mit dem Rollstuhl in den Weg. Sie schafft es kaum mir in die Augen zu schauen.

Ich bekomme ein Stechen im Herzen wenn ich sie so traurig sehe... und dann mache ich etwas, das mich selbst überraschte. Ich ziehe sie auf meinen Schoß und umarme sie und flüster in ihr Ohr, dass ich sie vermisst habe. Sie nickt und erzählt mir, dass sie mich auch vermisst hat. Ich merke dass sie weint und streiche ihr beruhigend über den Rücken. Ich fahre mit ihr in der ganzen Etage herum und hoffe, dass sie einschläft. Was relativ bald der Fall ist, worüber ich ziemlich glücklich bin, denn im Schlaf sieht Sammy so sorgenlos aus und ihre Gesichtszüge sind alles andere als angespannt und sie sieht aus wie ein Engel.

Ich fahre uns zurück zur Krankenstation und lege sie in ein frisch gemachtes Bett und ich mich neben sie. Ich hatte sie wirklich vermisst, hab den Schmerz aber unter Arbeit vergraben. Doch jetzt vergrabe ich meinen Kopf in ihren Haaren und atme ihren Duft ein und schlafe daraufhin auch bald ein, mit einem Engel im Arm.

Ich wache so auf wie ich eingeschlafen bin. Jedoch war Sammy schon wach und dreht sich sofort um nachdem sie gemerkt hat, dass ich wach bin.
„Ich wollte dich nicht wecken"
„Hast du nicht" ich grinse sie leicht an und wir verstummen beide. Fast wie aus Reflex greife ich nach ihrer Hand und streiche mit meinem Daumen über ihre Handfläche.
„Es tut mir Leid, dass ich dir und Paula aus dem Weg gegangen bin..." entschuldige ich mich, denn ich fühle mich schuldig.

„Ich möchte es bei euch beiden wieder gut machen und mir ist bewusst, dass eine einfache Entschuldigung da nicht reicht... also nimmst du die Einladung zum Essen an?" Sammy überlegt, nickt jedoch dann und wir grinsen uns an und schauen uns bis zum Mittagessen in die Augen. Das jedoch essen wir getrennt und ich bereite schon alles fürs Abendessen vor. Ich darf laut Helena sogar schon mit Krücken laufen und deshalb rolle ich gerade in die letzte Reihe. Wechsel vom Rollstuhl zu den Krücken und muss wieder am Vorhang vorbei. Und da hörte ich es... dieses Schluchzen... das kenn ich doch... langsam humple ich zum Vorhang und ziehe ihn beiseite...

Found her. Love her. Lose her.Where stories live. Discover now