Kapitel 8

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Jakobs Auto passte zu ihm. Ein alter Mercedes in glänzendem Schwarz. Am Heck hatte er eine ziemlich große Delle, die Jakob mit einem Schulterzucken abtat. Nachfragen wollte ich nicht, also stieg ich ein und zog die Tür hinter mir zu. Von innen sah das Auto wesentlich moderner aus als von außen. Den alten Ledersitzen stand eine nagelneue Soundanlage entgegen. Es roch nach Süßigkeiten, Zigaretten und ein wenig nach Deodorant, sportlich und frisch. Neben meinen Füßen lag die leere Verpackung eines Überraschungseis. Die Vorstellung, wie Jakob im Supermarkt Überraschungseier kaufte, brachte mich zum Schmunzeln. »Du stehst auf Süßkram?«, fragte ich, während ich meinen Gurt befestigte.

Jakob linste aus dem Augenwinkel zu mir und zog eine rabenschwarze Augenbraue hoch. »Du etwa nicht?«

So, wie er mich ansah, wusste ich sofort, dass es auf diese Frage nur eine richtige Antwort gab. »Doch, doch«, erwiderte ich schnell, »Nichts geht über Schokolade.«

Er ließ die Schultern sinken und atmete geräuschvoll aus. »Gut. Ich dachte schon, du wärst eine von denen.«

Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, ein Kichern zu unterdrücken, doch als Jakob seinen Arm auf meine Rückenlehne legte und sich gefährlich nahe zu mir beugte, verging mir das Lachen. Mit konzentriert zusammengezogenen Brauen blickte er über die Schulter und versuchte, beim Ausparken keinen Erstklässler zu überfahren, während ich bewegungsunfähig daneben saß und meine Fingerkuppen in den Beifahrersitz bohrte. Meine Augen klebten an seinem Kinn fest, das bis zum Anschlag durchgestreckt war. Ich konnte sehen, wie ein Muskel in seinem Kiefer zuckte.

»Also, Cherie«, sagte Jakob, nachdem er endlich ausgeparkt und sich wieder zurückgelehnt hatte, »Wo darf ich dich hinbringen?«

Die Nervosität hatte mich immer noch im Griff, aber ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. »Nach Hause, bitte.«

»Mit Vergnügen. Nur leider weiß ich nicht, wo das ist.«

Vor lauter Scham begannen meine Wangen zu glühen. »Äh, ja, natürlich!« Ich gab mir eine innerliche Ohrfeige. »Achtzehnter Bezirk, Währingerstraße. Von dort aus navigiere ich dich dann.«

»Damit kann ich schon mehr anfangen«, entgegnete Jakob, bog dann aber trotzdem falsch ab. Als der Wagen in einem Schlagloch einsank, spritzten zu beiden Seiten kleine Wasserfontänen weg. »Ich hab Hunger. Ist doch kein Problem, wenn wir einen Abstecher zu McDonald's machen, oder?«

Ich schüttelte den Kopf und bemühte mich um ein Lächeln, während in meinem Inneren bereits eine leichte Panik anschwoll. Und ob das ein Problem war! Hastig fischte ich mein Handy aus dem Rucksack und schrieb meinem Dad eine Nachricht, in der ich mich für meine Verspätung entschuldigte. Dass ich bei einem fremden Jungen im Auto saß, erwähnte ich nicht. Stattdessen erzählte ich ihm irgendwas von einem spontanen Matheförderkurs, für den ich mich angemeldet hätte. Hoffentlich würde er mir das abkaufen – ein Matheförderkurs in der zweiten Schulwoche war schließlich nicht unbedingt die glaubwürdigste Ausrede. Aber hey, hatte er mir nicht erst letzte Woche einen Vortrag gehalten, dass ich mich in Mathe wieder mehr reinhängen sollte?

Keine zwei Minuten später antwortete mein Vater mit einem Daumen nach oben. Erleichtert und mit einem unscheinbaren Schmunzeln auf den Lippen lehnte ich mich in meinen Sitz zurück.

Der Rest der Fahrt verlief ziemlich unspektakulär. Jakob blickte schweigend durch die Windschutzscheibe und konzentrierte sich auf die Straße, während ich mein Bestes tat, ihn nicht anzustarren, zumindest nicht durchgehend. Obwohl er wirklich unglaublich aussah, mit den tanzenden Schatten der Scheibenwischer im Gesicht und diesem gedankenverlorenen Blick.

Jakob parkte zwei Blocks von McDonald's entfernt. Er meinte, er bräuchte frische Luft. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, also konnten wir entspannt neben der Straße entlangspazieren. Seine Schritte waren groß, viel größer als meine, weshalb ich zusehen musste, mit ihm Schritt zu halten. Ich versuchte, mich auf meine Schuhe zu konzentrieren, doch mein Blick wanderte immer wieder zu ihm und blieb dort kleben. Er trug keine Jacke über dem Hoodie, auch wenn es wegen des Sturms sehr kalt geworden war. Eine dunkle Strähne hing ihm ins Gesicht und hob sich stark von der blassen Haut ab, seine Lippen waren von der Kälte leicht gerötet. Er zog eine Zigarettenschachtel aus der Bauchtasche seines Hoodies. Mit dem Daumen klappte er den Deckel auf und steckte sich eine Zigarette in den Mund.

Gemalter HerzschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt