Teil 1 - Kreislaufkollaps

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Ich sah zu meiner besten Freundin, die genau vor mir saß und wild mit ihren Armen fuchtelte, da sie sich -mal wieder- über unseren Professor ausließ. Ich glaube, einige Dinge würden sich einfach nie ändern.
"Wir haben in zwei Wochen Semesterferien, also hör auf dich so aufzuregen", lachte ich. "Du und dein Optimismus." "Du und dein Pessimismus", erwiderte ich. 

"Wollen wir raus? Die Sonne scheint so schön?" Also packten wir unsere Sachen zusammen und liefen raus. Im Campus befand sich ein Park, der vor allem im Sommer gerne von den Studenten genutzt wurde. Während wir zum Park liefen, machte sich ein Stechen in meinem linken Brustbereich zu bemerken. Unbewusst glitt meine Hand dahin und ich fing an zu drücken, in der Hoffnung, dass es so aufhören würde. Dabei wusste ich, dass mein Versuch das Stechen auszulöschen sinnlos war. Geradezu erbärmlich. Mein krankes Herz machte mir zu schaffen. Doch wieso? Wieso jetzt? Wieso jetzt, wo alles perfekt lief? Wo ich einen Studienplatz hatte, wo ich verlobt war? Wieso jetzt?

Als wir saßen, nahm ich meine Hand von meiner Brust, meine beste Freundin sollte nichts davon mitbekommen. Niemand sollte es. Niemand sollte wissen, dass seit einigen Wochen dieses verdammte Stechen da war. In letzter Zeit fast schon täglich. Aufgrund des Stresses, redete ich mir ein. Dabei wusste ich es beseer.

"Ist alles okay bei dir?", hörte ich eine männliche Stimme an meinem Ohr flüstern, die mich erschrak und mir eine Gänsehaut verpasste. Als ich mich zur Seite wand, sah ich meinen Verlobten neben mir. Ich versank derzeit zu oft in Gedanken. Er musterte mich aus seinen dunklen Augen an. Grau mit braunen Punkten. Meine Lieblingsfarbe. Seine dunkelbraunen Haare sahen heute zersaust aus, was ihn jedoch kein bisschen hässlich wirken ließ. Ganz im Gegenteil, das macht ihn sogar attraktiver. Sein dunkler Dreitage Bart ließ ihn charismatisch wirken. Seine Lippen waren dünn, doch das störte mich kein bisschen. Seine Nase war markant, so wie seine Gesichtszüge. Verdammt, musste er so verboten gut aussehen?

"Du starrst mich so an, als ob du mich auffressen wirst." Ein schelmisches Grinsen säuselte sich auf seinen Lippen.
"Vielleicht habe ich das auch vor", grinste ich in frech an. Er legte seinen Kopf in den Nacken und fing an zu lachen, sein Adamsapfel kam so noch mehr zum Vorschein. Das Zeichen für Männlichkeit.
"Ist alles okay?", fragte er erneut, als er mit dem Lachen aufhörte. Seine Blicke glitten auf meine Brust und dann auf meine rechte Hand. Ich musste schwer schlucken. Ob er es gesehen hatte? Hoffentlich nicht!
"Ja, alles gut, mach dir keine Sorgen", lächelte ich in an.

Nachdem die Klausuren geschrieben waren, begannen endlich die Semesterferien. Endlich! Denn es war diesen Sommer unglaublich heiß für deutsche Verhältnisse und ich wollte nicht mehr in den vollen Vorlesungssälen sitzen und mich zu Tode schwitzen. Das in den letzten zwei Wochen mein Herzstechen zugenommen hatte und immer länger dauerte, überspielte ich gekonnt. Das mir aufgrund dessen des öfteren das Atmen schwer fiel, machte die Sache nicht besser. Immer noch verweigerte ich einen Arztbesuch, denn ich wusste, was ich zu hören bekommen würde und das wollte ich nicht. Ich wollte leben. Ich war glücklich. Das wollte ich auskosten. Mein Glück.

"Wann bist du fertig?", nörgelte mein ungeduldiger Verlobter am Handy. "Komm doch einfach hoch! Wie soll ich mich vorbereiten, wenn du jede verfluchte Minute anrufst?" Er seufzte und legte auf. Kaum eine Minute später klingelte es an unserer Tür, irgendjemand aus meiner Familie öffnete diese und ich hörte die Stimme meines Verlobten und meiner Mutter miteinander sprechen. Dann hatte vermutlich meine Mutter die Türe geöffnet.
Ich zog noch meinen linken Eyeliner und kämmte mir schnell durch meine Haare, da sie glatt waren, musste ich nicht viel mit ihnen machen.
"Okay, bin fertig!", rief ich, im Wohnzimmer angekommen. "Wurde auch Zeit", murmelte mein Verlobter, der sich bis gerade eben noch mit meinen Eltern unterhalten hatte. "Nur weil du ungeduldig bist und nicht warten kannst." "Ich wollte dich um 19 Uhr abholen, mittlerweile haben wir kurz vor 20 Uhr." Okay, die Sache mit der Pünktlichkeit war eindeutig meine Schwäche. Ich kam immer zu spät, wirklich immer, außer wenn ich zur Uni musste, da war ich immer pünktlich, wirklich immer. Ein Phänomen, dass sich niemand erklären konnte.

Bis in alle EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt