Eine lange Reise

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10 Jahre später.

„Wir müssen aufbrechen!“, rief Tommy in Joels Ohr, der aus seinen Schlaf schreckte. Er rieb sich über die Augen und starrte seinen Onkel müde an. „Was?“, fragte er noch halb im Schlaf. Tommy fuhr sich durch seine Haare und griff nach den Taschenlampen auf dem demolierten Wohnschrank. „Ich sagte. Wir müssen aufbrechen, Joel!“ Er sah den 21-jährigen jungen Mann ernst an und packte ihn dann unsanft am Arm, um ihn von der Couch zu zerren. Joel stieß ihn wütend von sich und funkelte ihn an. „Ist okay! Aber du musst mich nicht gleich so grob anpacken, Alter.“ Er strich sein kariertes Hemd glatt und schnappte sich eine der Taschenlampen aus Tommys Hand. „Wieso müssen wir aufbrechen?“, fragte Joel leicht verwirrt. Er hatte keine Ahnung, weshalb sie schon wieder nach draußen mussten. Hier in der Stadt waren sie vor den Infizierten sicher. Riesige Maschendrahtzäune wurden rundherum erbaut und Soldaten patroullierten an den Zäunen entlang und schalteten jeden Zombie aus, der in die Nähe des Zaunes kam. In den 10 Jahren, die sie schon überlebt hatten, hatte Joel schon viele Verluste wegstecken müssen. Der größte von allen war immer noch sein Vater, den er bis heute noch nicht weggesteckt hatte und nachts wenn er den so dringend benötigten Schlaf nachholen wollte, sah er wieder, wie sein Vater tot am Boden lag. Wie er verzweifelt versucht hatte seinen Vater zu helfen, wie Tommy ihn weggezerrt hatte und ihn einfach liegen gelassen hatte. Joel fragte sich bis heute, ob sein Vater zu einen von denen geworden war, ob er vielleicht dort draußen war, als Zombie. Auch fragte er sich, ob er es schaffen würde ihn zu erschießen, sollte er ihm begegnen. Tommy schubste Joel unsanft aus der Tür und schnauzte ihn an: „Na los, Junge. Wir müssen das Tageslicht ausnutzen. Tröddel doch nicht so!“ Am liebsten hätte er Tommy eine in die Fresse gehauen, aber dieses eine Mal riss er sich zusammen. In den letzten Jahren waren die beiden schon öfters aneinander geraten. Als Joel alt genug gewesen war sich gegen Tommy zu behaupten, kam es ab und zu zu einer Schlägerei zwischen den Beiden. Joel hatte in letzter Zeit eine Aggressivität aufgebaut, die in den ungünstigsten Augenblicken zu Tage kam.

„Wieso, Tommy?“, versuchte er nocheinmal mit einen scharfen Ton. Tommy seufzte und marschierte neben ihn Richtung Tor. „Robert hat unsere Waffen. Gestern als ich ins Lager ging um sie zu überprüfen, haben mich zwei seiner Lakaien überrascht und niedergeschlagen. Sie haben sie alle mitgenommen.“ Tommy konnte Joel nicht in die Augen sehen. Joels grüne Augen blitzten wütend auf und er blieb abrupt stehen. „Wie bitte“, schrie er. „Und wieso sagst du mir Spast das nicht?!“ Tommy drehte sich zu Joel und erhob den Finger. „Hüte deine Zunge, Junge.“ „Oh nein, werde ich ganz sicher nicht, du Arsch. Ich hab dich gestern gefragt woher du die Platzwunde hattest und du meintest nur du wärst gegen etwas gerannt. Ich habe dir diesen Schwachsinn nicht geglaubt, aber ich konnte mir wirklich keinen Reim darauf machen. Aber, dass du so feige bist …“ Joel schnaubte verächtlich und stolzierte an seinen Onkel vorbei. Der jedoch packte ihn fest am Arm und riss ihn zu sich. „Hör zu, Joel. Wenn ich dir das gesagt hätte, dann wärst du zu ihnen gestürmt und die hätten dich niedergemäht. Die hätten dich auseinandergenommen. Ich wollte dich nur beschützen, so wie ich es deinen Vater geschworen hatte!“ Joel zuckte zusammen und spürte wie die alte Wunde wieder aufriss. Wenn sein Vater doch noch hier wäre, dann würde alles soviel einfacher sein. Er sah Tommy in die Augen und nickte dann leicht. „Du hast recht“, begann er leise. „Was machen wir jetzt. Hast du einen Plan?“ Tommy ließ seinen Neffen los und nickte. „Ja. Wir müssen zu Tess und dann holen wir uns unsere Waffen zurück.“ Beide marschierten schweigend los. Sie ließen das Tor zur Außenwelt hinter sich und bogen in eine Gasse ein. Das Gras wucherte ihnen schon bis zur Taille. Zerfall hatte die ganze Welt seit der Epidemie überfallen. Alte Schrottkaren lagen umher, Müll stapelte sich in den Ecken und verschimmelte Sofas standen in den leeren Wohnungen. Alles im allen war das heutige Leben nicht mehr mit dem alten zu vergleichen. Hier wurde um das nackte Überleben gekämpft. Vorräte wurden knapp, Munition wurde knapp und es gab nur wenige Möglichkeiten irgendwas herzustellen. Tommy ging vorraus und quetschte sich dann durch einen versteckten Spalt. Joel folgte ihm schweigend. Auf der anderen Seite war ein sorgfältig angelegter Garten mit einen großen Baum in der Mitte. An einen dicken Ast wurde eine Schaukel befestigt, die verlassen im Wind leicht schaukelte. Joel musste bei diesen Anblick schmunzeln. Tess hatte einen kleinen Sauberkeitstick. Für sie war die Epidemie die reinste Katastrophe und sie bekam jedes Mal beinahe einen Herzinfarkt wenn sie die schmutzigen, zerbeulten Sachen sah. Man konnte sich sicher sein, dass Tess Unterschlupf der einzige auf der ganzen Welt war, der so richtig sauber und schön aussah. Joel musste automatisch auf seine schmutzigen, durchschwitzten Sachen gucken und wappnete sich schon mal innerlich für Tess Gezeter. Tommy musste wohl den gleichen Gedanken gehabt haben, denn er murmelte von „Na die wird uns eine Standpauke halten“. Tapfer näherten sich die beiden Männer der Tür und Tommy klopfte sachte auf das Holz. Augenblicklich erschien ein Rotschopf mit strahlend blauen Augen und Sommersprossen auf der Nase. „Ja wen haben wir denn da?“, grinste Tess und rümpfte dann die Nase als sie die schmutzige Bekleidung sah. Joel rieb sich verlegen den Nacken und Tommy fühlte sich dennoch wohl in seiner Haut. Er ging ohne Einladung an Tess vorbei ins Innere. Tess sah ihm böse nach und widmete sich dann mit einen freundlichen Lächeln Joel wieder. „Na komm herein, Joel. Dein Onkel hat einfach keine Manieren!“ Joel grinste und ging an Tess vorbei in ihr Heim. „Das hat er doch nie, oder?“ Tess lachte und hakte sich bei Joel ein. „Na wenigstens hat es einer.“ Sie führte Joel in die Küche, wo sie Tommy antraf. Er knabberte gerade an einen Brot und trank eiskaltes Wasser. Tess schnaubte empört und marschierte auf Tommy zu, riss ihm das Brot aus der Hand und boxte ihn hart auf den Arm. „Was soll das, Tommy?“, knurrte sie verärgert. Der zuckte nur mit den Schultern und schnappte sich das Brot wieder zurück. Dann stopfte er sich alles in den Mund und kassierte damit noch mehr Boxhiebe von Tess. Joel konnte ihnen nur amüsiert zusehen. So ging es immer zu, wenn sie Tess besuchten. Tommy stibitzte sich immer etwas aus ihren Vorräten und musste dafür Schläge von Tess einstecken. Auch wenn sie ein Sauberkeitsfreak war, dennoch konnte die junge Frau deutlich stark austeilen. Tess war älter als Joel. Sie war schon 25 Jahre alt, doch hatte schon immer etwas für Joel übrig. Die beiden hatten schon oft etwas miteinander, aber eine richtige Beziehung war es nie. Nur ein Vergnügungstrip. Joel sah in Tess nur eine Freundin mit gewissen Vorzügen, aber dennoch war er nie so wirklich in jemanden verliebt gewesen. Er konnte es sich nicht wirklich erlauben jemanden in sein Herz zu lassen. Natürlich hatte sich dort Tess und Tommy eingeschlichen und die Gedanken sie zu verlieren machten ihn immer total rasend. Doch auch wenn er oft glaubte alleine wäre er besser dran, dann hatte er sich mega getäuscht. Alleine ist nie jemand besser dran. Wenn es mal brenzlig wurde konnte man auf Backup zählen.

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⏰ Last updated: Aug 14, 2013 ⏰

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