Der Ball

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Das Schloss erstrahlte schon von weiten in den wunderschönsten Farben. Laternen zeigten den Weg über eine große Brücke bis hin zum Schlosstor vor dem sich die Adligen in ihren schönsten Gewändern präsentierten.
Wachen führten Patrouillen und hielten Ausschau nach möglichen Angriffen.
Ich lächelte schief.
Sie würden schon am nächsten Morgen über diese friedliche Nacht feiern, ahnungslos, dass sich das größte Übel bereits eingeschlichen haben würde, wie eine Seuche, eine Krankheit.
Ich erkannte Matteo in einer Masse von jungen Damen. Aufgeregt kicherten sie über einen Witz, den er wohl gerissen hatte.
Ich blickte noch einmal über meine Schulter und sah Mia und Masjat zwischen einer kleinen Menge von aufgebrachten Bürgern stehen, die sich bei jeder Feierlichkeit vor dem Schloss versammelten.
Sie nickten mir aufmunternd zu. Ich lächelte ein letztes Mal und konzentrierte mich dann ganz auf Matteo, der gerade die Gruppe von Frauen verabschiedete.
Ich verneigte mich sanft, er tat es mir nach.
"Ihr seht umwerfend aus, Großcousine.", flüsterte er schmeichelnd.
"Ihr ebenso, liebster Großcousin."
"Wisst ihr über alles Bescheid?", fragte er.
Ich nickte. "Das tue ich. Doch ich hege keine großen Hoffnungen, Signor de Rossi. Der König mag sich für viele Dinge interessieren, doch die Liebe ist es weiß gott nicht."
Matteo schmunzelte. "Sì, jedoch wird er schon seit einiger Zeit von seinem Hofstaat gemustert. Sie wundern sich über eine ausbleibende Hochzeit. Es verbreiten sich Gerüchte. Heute wird er sich eine Frau suchen, das weiß ich aus sicherer Quelle. Er muss sich die Gunst der Adligen sichern."
Zumindest die Adligen, dachte ich bei mir, wenn er auch sonst niemandes Gunst sichert, einige Unterstützer brauch sogar der barbarische König.
"Seid ihr bereit?"
Schnell schüttelte ich den Kopf. Was für eine Frage? Ich würde in hundert Jahren nicht dafür bereit sein.
"Ich kenne diesen Mann nicht, Signor de Rossi. Wie muss ich mich verhalten? Ich kenne mich nicht aus mit den höfischen Gepflogenheiten. Alles was ich in meinem Leben war, war eine Wilde."
"Das ist er ebenso.", erwiderte Matteo, "Natürlich auf eine andere Art und Weise, doch in seinem Herzen brennt das Feuer der Freiheit. Er verachtet die Regeln und jene, die jeden Tag danach leben. Natürlich darf er das nicht zeigen, doch so ist es. Also seid ihr selbst und macht euch interessant. Er braucht eine Frau mit der er jagen kann, mit der er neue Dinge ausprobieren kann, mit der er das Feuer noch deutlicher spürt, keine die über Kleider redet und ein Schachspiel einem Krieg vorzieht."
Ich nickte, beeindruckt darüber welchen engen Kontakt Matteo doch zu dem König zu haben schien und von welchen Nutzen er uns noch sein würde, welchem Nutzen er mir sein würde.
Würde alles aufgehen und ich in diesen Mauern eingesperrt sein so brauchte ich einen Freund.
Matteo lächelte mich an. "Es wird alles gut", beschwichtigte er mich, "Ihr beweist großen Mut, Signorina Pollina. Behaltet ihn bei. Nur so könnt ihr überleben."
Er griff nach meiner Hand und führte mich vorbei an den Wachen ins Innere des Schlosses.
Es war so wie ich es mir immer vorgestellt hatte und noch viel schöner. Der Ballsaal war riesig. Die Decken waren höher als die Wolken und verziert mit unglaublichen Zeichnungen.
Der Raum war geschmückt mit weiteren Laternen. Die Musik ertönte bereits und verbreitete die lieblichsten Töne im ganzen Raum.
Matteo zog sanft an meinem Ärmel und beugte sich zu mir. "Dort. Das ist er.", er zeigte auf einen Mann auf der anderen Seite des Saals, der gerade mit einigen Wachen redete, "Ich werde euch vorstellen."
Matteo musste mich beinahe, vorbei an den vielen Menschen, schleifen. Mein Körper wehrte sich gegen das, das ich gewollt war zu tun.
Wir kamen näher und ich konnte ihn endlich besser erkennen. Den Mann, der mich meiner Familie beraubte, der das Land, das ich einst mein zu Hause nannte, zu Grunde richtete.
Er war anders als ich ihn mir vorgestellt hatte, trotz, dass ich ihn schon auf vielen Gemälden sah. Seine rotbraunen Haare stimmten mit ihnen überein. So wie seine dunklen Augen, sein leichter Bart, seine scharfen Gesichtszüge, seine kräftige Statur und seine Jugend. Doch etwas an ihm konnten selbst die begnadetsten Künstler nicht wiedergeben. Das abgrundtiefe Böse in ihm. Ich spürte es so deutlich wie das enge Korsett, das ich trug.
Etwas in seiner Aura versprühte Angst, Einschüchterung, ja, beinahe Ergebenheit.
Plötzlich sah er zu uns, sah Matteo auf sich zukommen. Er verabschiedete die Wachen und kam uns entgegen. Er begann zu grinsen und sogleich schauderte es mir.
"Matteo!", rief er freudig, "Es ist ewig her seit ich euch auf einem meiner Feste sah. So viel Arbeit mit eurer Frau?"
Matteo lächelte als ob sie tatsächlich gute alte Freunde seien. "Ja, ja. Sie fordert viel, doch sie gibt ebenso viel. Meine Großcousine bat mich sie zu begleiten. Von weit her hörte sie über eure Feierlichkeiten."
Die Blicke des Königs trafen mich. Eine augenblickliche Kälte breitete sich in meinem Körper aus. Es war sein Blick. Seine Augen. Seine tiefschwarzen Augen. Es war als stellte er sich schon jetzt vor, wie er mir am schmerzvollsten die Haut von den Knochen reißen könne.
Ich zwang mich zu lächeln, so schwer es mir auch viel, bei einer solchen Präsenz.
"Wie ist euer Name?", fragte er und verbeugte sich.
"Aurora Pollina.", antwortete ich.
Er griff nach meiner Hand und hauchte darüber während er seine Lippen zu einem Kussmund verzog.
"Ich hoffe ihr werdet euch heute selbst überzeugten können von der Qualität meiner Feierlichkeiten, bellezza."
"Das hoffe ich ebenso." erwiderte ich leise.
Er lächelte ein letztes Mal höflich und wendete sich anderen Gästen zu. Enttäuscht von mir selbst sah ich zu Matteo.
"Was hätte ich sagen sollen?", fragte ich verbittert.
Matteo lächelte. "Nicht viel mehr, keine Sorge, mehr habe ich fürs erste nicht erwartet. Der Abend ist noch jung und der König feiert meist bis in den Morgen. Euch bleibt noch viel Zeit."
Ich nicke unsicher.
"Ich muss noch einige begrüßen. Amüsiert euch und ergreift eine Chance, wenn sie sich euch bietet."
Er schritt davon zu einigen Geschäftsmännern, die auf einer steinernen Bank saßen.
Am liebsten hätte ich ihn festgehalten. Noch nie hatte ich mich so fremd gefühlt.
Eine Weile beobachtete ich die Menschen, die tranken, tanzten und jubelten.
Immer wieder suchte ich nach dem König und beobachtete seine Handlungen, um womöglich ein Gespräch aufzubauen. Und dann, dann endlich, sah ich eine Möglichkeit. Er sprach mit einer dünnen, blassen Frau, die ihn umgarnte als gäbe es kein Morgen mehr. Doch ich hatte sie einige Stunden zuvor gesehen, wie sie ihren Ehering in der Ritze ihres Busen zu verstecken versuchte.
Ich witterte einen möglichen Erfolg und ging auf die Beiden zu. Ich verneigte mich vor ihnen und lächelte den König an.
"Amüsiert ihr euch?", fragte er ohne großes Interesse zu zeigen. Er begaffte lieber die blasse Schönheit neben mir.
"Sì", antwortete ich, "Euren Ruf habt Ihr euch verdient."
Er nickte desinteressiert. "Wie schön. Dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend."
Es war eine eindeutige Aufforderung zu gehen, doch so leicht ließ ich mich nicht abwimmeln. Der König mochte die höfischen Regeln nicht als würde ich mich auch nicht an sie halten. Was sollte er groß tun? Mich vor den Augen aller köpfen? Auch, wenn es vermutlich sein Wunsch wäre.
"Oh, ich kam nicht um mit euch zu plaudern.", sagte ich frech, "Ich kenne eure reizende Gesprächspartnerin und konnte es mir nicht nehmen lassen, sie zu begrüßen."
Entgegen meiner Hoffnungen, wurde der Gesichtsausdruck des Königs steinhart und wütend. Ebenso der, der Frau.
"Solch eine Frechheit. Ich kenne Sie nicht.", rief sie wütend.
Noch war mein Spiel nicht verloren.
"Oh, tatsächlich?", erwiderte ich und beobachtete ihr Glas. Sie hatte es leer getrunken, doch redete noch nicht besonders lange mit dem König. Außerdem erkannte ich die Adern, die aus ihrer Hand hervortraten. Sie schien das Glas in einem festen Griff zu halten. War es Wut oder eher das aufkommende Bedürfnis in ihr ein weiteres Glas zu trinken?
"Womöglich könnt Ihr euch nicht mehr daran erinnern.", meinte ich, "Die meiste Zeit in der ich Euch sehe, unterhaltet Ihr euch lieber mit eurem Glas Wein als mit euren Gästen. Zumindest Euer Mann ist ein wunderbarer Gastgeber. Wie geht es ihm?"
Aus dem Augenwinkel erkannte ich endlich die Reaktion, die ich mir die ganze Zeit erhofft hatte.
Der König hob die Augenbrauen und sah die Dame fragend an. "Euer Mann?"
Sie wurde rot und schüttelte schnell den Kopf. "Nein, Herr, ich weiß nicht von was sie redet."
Ich lachte auf. "Ihr wagt es den König zu belügen? Lasst euren Ring ganz zu Hause, aber versteckt ihn nicht in eurem Busen, wie eine armselige Hure."
Der König lachte laut auf. "Geht mir aus den Augen.", befiel er der Blassen, "Ich sehe, dass Signorina Pollina die Wahrheit spricht."
Schnell nahm sie ihre Füße in die Hand und ging schnellen Schrittes aus der Halle.
"Eine solche Wortwahl aus dem Mund einer solch zarten Frau. Ihr überrascht mich, tenerezza."
Ich schmunzelte, unfähig die Freude über den Erfolg, den ich soeben erreicht hatte, zu verbergen.
"Es mag sich nicht geziemen, solch raue Worte auszusprechen, König, doch meiner Meinung nach geziemt es sich noch weniger ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es doch eindeutig nötig ist zu sprechen."
Der König nickte amüsiert. "Ich kann euch nur zustimmen."
Plötzlich ergriff er meine Hand. Es ekelte mich an, doch ich schrak nicht zurück. Ich beherrschte mich wiederwillig.
"Tanzt mit mir, tenerzza. Ich bin mir sicher, es gibt noch viel über euch zu erfahren."
Ich sah es in seinen Augen. Etwas veränderte sich. Die Kälte wich etwas anderem. Es war nicht Liebe, es war nicht Zuneigung. Nein, es war eher der Wunsch, etwas besitzen zu wollen. Er sah mich an wie ein kleiner Junge sein neues Spielzeug, von dem er schon jetzt wusste, dass er nicht lange damit spielen würde, doch zumindest für den Moment hegte er ein unstillbares Verlangen.

Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt