Ich bin also warst du

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Wenn ich daran denke, dass ich trotz der Schreie nicht umgekehrt bin, sondern geradewegs zur Tür gerannt bin, komm ich mir recht dumm vor. Doch woher hätte ich wissen sollen was passieren würde? Wenn ich gewusst hätte, was dort hinter der Tür vor sich ging, wäre ich weggerannt. Doch das bin ich nicht.

Es war Montagmittag und ich saß in der Cafeteria und wollte eigentlich nur in Ruhe mein Mittagessen essen. Doch wie so oft wurde ich gestört. Von Darryl. Darryl Kramer, dem vermeintlichen Psychopaten des neunten Jahrgangs. Er kam jeden Tag zu mir und erzählte mir von seiner ‚Gespaltenen Persönlichkeit'. Ich wusste weder warum er das ausgerechnet mir erzählte, noch wie er auf so einen Schwachsinn kam. Es war mir auch vollkommen egal. Es nervte mich eben nur. Auch egal, auf jeden Fall kam genau dieser Typ auf mich zu und setzte sich neben mich. Ich versuchte ihn nicht zu beachten und aß seelenruhig mein Brot weiter. „Hey Seth! Weißt du was letzte Nacht passiert ist?" „Nein Darryl", dachte ich mir, „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Und es interessiert mich auch nicht." „Seth?" fragte er nochmal. „Ja verdammt so heiße ich. Seth. 4 Buchstaben, mit ‚h' hinten." „Seeeeeth! Sag doch was, Mann!" jammerte Darryl. Trotz aller guten Vorsätze wandte ich mich meinem Brot ab und schaute ihm ins Gesicht. Er hatte milchig weiße Haut, blonde Haare und rotbraune Augen. „Hm?" brummte ich. „Er hat mir eine Botschaft ans Fenster geklebt. An die Außenseite genauer gesagt. Creepy, ne?" Ich musste zugeben, die Tatsache das Darryl im achten Stock wohnte machte die Sache wirklich gruselig. Aber wer sagte das er sich das Ganze nicht ausgedacht hatte. „Wirklich?" fragte ich genervt. Ihm schien das jedoch nicht aufzufallen: „Ja! Sie war von Jay. Und er meint was er sagt!" Ich verdrehte die Augen. Jay war, laut dem was ich in all der Zeit mitgekriegt hatte, der böse Geist der ihn angeblich immer heimsuchte. Zwar nie in der Schule oder sonst, wenn Leute dabei waren, aber Darryl beharrte darauf das Jay existierte und ihn zu einem sadistischen Mörder machen würde. Schlimmer als ‚Jack the Ripper'. Eines Tages würde er uns alle töten. „Und weißt du was auf dem Zettel stand? Er würde noch heute zuschlagen!" „Dam dam dam." Dachte ich nur. Der Junge sah mich misstrauisch an: „He! Ich merke das du mir nicht glaubst, Seth. Aber wart's ab! Vielleicht bist DU ja sein erstes Opfer!" fauchte er mich entrüstet an. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen: „Hilfe! Ein böser Geist wird mich umbringen!" meinte ich belustigt und grinste. Das brachte ihn völlig in Rage: „Es ist dein verdammtes Problem, wenn du stirbst nur, weil du mir nicht geglaubt hast. Aber du wirst schon sehen! Heute!" Mit diesen Worten stand er auf und stapfte wütend zum Ausgang. Grinsend saß ich an meinem Platz und schaute ihm hinter her. Die Sache war ziemlich albern. „Hey du! Na hat er wieder vom dem ‚Bösen Jay-Geist' prophezeit?" Das waren Lawrence und Amanda, meine Freunde. Sie kamen beide aus einer Ecke des Raumes auf mich zu und setzten sich zu mir an den Tisch. „Na? Was war's diesmal, hm?" fragte Amanda und strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ach, er hat angeblich eine Nachricht vom Geist bekommen. Sie soll außen an seinem Fenster geklebt haben." Erzählte ich mit gespielt ängstlicher Stimme. „Uuuh!" lachte Amanda und wedelte mit den Händen. „Halt, das beste kommt ja erst noch: Er hat gesagt Jay würde heute jemanden umbringen!" verkündete ich mit gespielter Dramatik. Lawrence zog eine Grimasse. „Wie kommt der denn darauf?" meinte er. „Und vor allem, warum glaubt er sowas?" fügte Amanda hinzu. Darauf meinte ich: „Ich gehe einfach davon aus, dass er sich die ganze Sache selbst ausgedacht hat um mich zu nerven. Oder er ist wirklich nicht ganz richtig im Kopf. Glaub ich aber nicht". Amanda hörte für einen kurzen Moment auf zu kichern. „Kann sein. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht schreibt ja auch jemand Darryl die Zettel und er glaubt an das das, was auf ihnen steht.", Überlegte Amanda, „Aber wie der Zettel dann an sein Fenster gekommen ist, wüsste ich auch gern." „Ach was, irgendjemand will ihm wahrscheinlich Angst machen. Wobei, dafür müsste er ziemlich leicht reinzulegen sein." Meinte Lawrence. „Och das ist er aber." Antwortete ich. „Er glaubt jedem und allem was er sieht und hört. Selbst wenn ihm jemand erzählen würde das ich ‚Freddy Krueger' wäre und er mich nachts mit einer Kettensäge in seinem Garten gesehen hätte." „‚Freddy Krueger' hat gar keine Kettensäge" brummte Lawrence und wir lachten. Dann meinte Amanda plötzlich: „Die Story wäre doch ein verdammt guter Horrorfilm. Sie ist mehr oder weniger originell und hat einen gewissen Unterhaltungswert." „Unterhaltungswert?", dachte ich, „Meiner Meinung nach hatten Darryls ‚Horror' Geschichten den Unterhaltungswert einer Banane. Nein, wahrscheinlich hatte selbst eine Banane mehr Unterhaltungswert als seine ‚Jay-Geist' Storys. „Wenn du ‚nen Pseudo-Horrorfilm drehen möchtest, bitte. Aber ich glaube das wird nix." Meinte Lawrence darauf. „Meinst du? Ich finde das wäre ein riesen Erfolg." Wir unterhielten uns weiter darüber ob die Geschichten von Darryl einen guten Horror-Film abgeben würden oder nicht, bis es zum Unterricht klingelte.

Lange-Kurze HorrorgeschichtenWhere stories live. Discover now