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Meine Antwort hatte sich auf ein einfaches 'Ja' beschränkt, danach hatte ich beschlossen mein Handy auszuschalten und das alles erst einmal auf mich wirken zu lassen. Aus lauter Erschöpfung war ich wenig später eingeschlafen und wachte weit nach Mittag auf. Mein Zimmer sah immer noch aus, wie das blanke Chaos, dennoch fehlte mir der Elan und die Willenskraft um es aufzuräumen. Also ging ich zuerst in die Küche, um etwas zu essen. Mum war schon lange vor mir aufgestanden und hatte begonnen die größten Schäden aufzuräumen. Mich verwunderte es ein wenig, dass wir alles einfach so wieder anfassen durften, bezüglich den Spuren, welche der oder die Täter hinterlassen haben könnten. Entweder hatte die Polizei schon all ihre Beweise gefunden oder gar keine. Ich tippte insgeheim eher auf Letzteres. Es gab einfacheres als einen Einbruch aufzuklären. Auch, wenn ich schon den Kreis der Verdächtigen einschränken konnte, so wusste ich nicht, welche Gang unser Heim zerstört und den Schatz gestohlen hatte.

„Ich muss mit dir reden Kira", begann meine Mutter in ihrem besorgten Ton, als ich mich an den noch gedeckten Frühstückstisch setzte und begann mir ein Brot zu schmieren. „Dann leg los." „Ich habe mich von Thomas getrennt", sprach sie weiter und mir fiel das Messer aus der Hand. „Was? Wieso das so plötzlich?" „Es war nicht das Richtige, das habe ich leider erst viel zu spät gemerkt." Okay, Einsicht ist ja bekanntlich der beste Weg zur Besserung, dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass es hier um etwas ganz anderes ging. „Hast du jemand anderen kennengelernt?", fragte ich direkt heraus und Mum drehte sich mit großen Augen um. „Bin ich so durchschaubar?" „Irgendwie schon." Dann wusste ich ja schon mal wo ich diese Eigenschaft her hatte. „Wer ist er? Wie sieht er so aus?", sprudelte die Neugierde nur so aus mir heraus und Mum fing an zu lachen. „Nicht so stürmisch, du wirst ihn schon sehr bald kennenlernen. Er wird morgen bei uns zu Abend essen." „Na, dann bin ich ja mal gespannt."

Es klingelte an der Tür und Mum ging hin, um zu öffnen. Wenig später kam sie wieder zurück und dicht gefolgt von Oli. Bei seinem Anblick durchfuhr mich eine Anspannung, welche meine Muskeln stahlhart werden ließen. Sofort sprang ich auf und fasst ihn am Arm. „Komm wir gehen rüber", hetzte ich ein wenig und zog ihn hinter mir her. Ich wollte diese Situation nicht vor meiner Mutter haben. „Was ist hier passiert?", fragte er und mir kam es so vor, als wüsste er genau was vorgefallen war, denn er wirkte angespannt. „Bei uns wurde gestern Nacht eingebrochen", antwortete ich kleinlaut und ging einen Schritt zurück. „Was ist mit dem Armband? Es ist noch da oder?" Ich schluckte stark, sodass meine Speiseröhre schmerzte. „Nein, es... es ist weg", stotterte ich mit piepsiger Stimme und fokussierte Oli nun ganz genau. Und als hätte ich es nicht anders erwartet, wurde er wütend. Man konnte es genau an seiner Mimik ablesen und ich wusste, dass es nun für mich bedrohlich wurde. „Es tut mir leid. Ich hatte es gut versteckt, aber sie haben es gefunden. Es kam so vor, als hätten sie nur das gesucht."

Ich bereute diesen Satz sofort, denn jetzt hatte ich mich verraten. Jetzt wusste Oli, dass ich es wusste und jetzt war es zu spät. „Du solltest darauf aufpassen!", schrie er plötzlich los und ehe ich mich versah hatte ich seine Hand im Gesicht, welche mich auf mein Bett schleuderte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt ich meine Wange fest mit meinen Händen bedeckt und vergrub mein Gesicht in der Bettdecke. „Wie konnte das passieren! Ich habe dir gesagt, du sollst darauf aufpassen!" Irgendwie versuchte ich ruhig zu bleiben, doch es erschien mir als eine Kunst dies zu schaffen. „Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!" Die Matratze gab nach, dann riss er mich an der Schulter herum, so dass ich unter ihm lag. „Du wirst es wieder besorgen, du wirst dafür sorgen, dass dieses Armband wieder in meine Hände gerät. Hast du mich da verstanden?!" Ich nickte halbwegs kontrolliert und versuchte meine zitternden Glieder zu beruhigen. „Gut, denn wenn du es nicht schaffst, wirst du eingewaltiges Problem bekommen. Das du dich darauf verlassen kannst."

Er war mir nun so nahe, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Seine Augen schienen vollkommen schwarz zu sein und sein Blick so intensiv, dass ich mich nicht wagte diesen auch nur eine Sekunde zuunterbrechen. Ich nickte wieder, dann stand er auf. „Ich hol dich um zehn ab." Ich schluckte, dann flüsterte ich ein 'Ja'. Er sah mich nicht noch einmal an, bevor er mein Zimmer und unsere Wohnung verließ. Wie bekam ich nun meine Mutter beruhigt? Mit zitternden Knien schlich ich zu meiner Zimmertür und streckte den Kopf hinaus. Aus der Küche drang laute Musik. Sie hatte also nichts mitbekommen. Welch ein Glück.

Es war genau zehn Uhr als es klingelte, dennoch war es nicht wie erwartet Oli der dort stand, sondern Gustav. Ungläubig schaute ich den circa eins siebzig großen Mann an und freute mich wenig später über die nicht gesprächige Autofahrt, welche mir bevor stand. Mir war nicht nach rede zumute, denn insgeheim rutschte mir das Herz in die Hose. Mir war bewusst geworden, dass es mir sicherlich keiner glauben würden, wenn ich ihnen sagte, dass sich das Armband nicht mehr in meinem Besitz befand. Eher würden sie mich des Lügens beschuldigen. Es war der gleiche Weg wie gestern, also fuhren wir wirklich auf das Gelände, auf dem ich mit Tom vor weniger als vierundzwanzig Stunden gewesen war.

„Schönes Veilchen", begann plötzlich Gustav zu sprechen und ich zuckte heftig zusammen. „Was?", fragte ich perplex zurück und schaute ihn entgeistert an. „Das an deiner Wange. Sieht übel aus." Sofort griff in mir an die besagte Stelle und spürte den Schmerz, welcher mein Gesicht durchfuhr, als ich diese berührte. „Darf ich?", fragte ich und zeigte auf den hochgeklappten Spiegel. „Nur zu." Ich klappte den Sonnenschutz herunter und schob das Verdeck für den Spiegel beiseite. Bei diesem Anblick hielt ich die Luft an. Gustav hatte Recht. Den unteren Teil meiner linken Wange zierte ein großes blaues Veilchen, welches immer bunter zu werden schien. Hoffentlich war es noch nicht so stark ausgeprägt gewesen, als ich mich von Mum verabschiedet hatte.

„Ich tippe auf deinen Freund", begann Gustav wieder zu sprechen und ich klappte den Sonnenschutz wieder nach oben. „Das geht dich gar nichts an", giftete ich zurück und schaute starr nach vorne. „Und lass mich weiter tippen, es geht entweder um das Armband oder um Tom." Ein heftiges Ziehen durchfuhr meinen Magen und ich versuchte das Würgen, welches mir im Hals steckte, zu unterdrücken. Mir war schlagartig schlecht. Woher wusste er von Tom? Und wenn er es wusste, würde Oli auch nicht länger der Unwissende sein.

„Mit der Ruhe. Du kannst offen zu mir sein, was Tom betrifft, immerhin war er es ja auch, wenn es um dich ging." War ich im falschen Film? Was war hier los? Tom erzählte einem Gangmitglied von Oli, dass er mit seiner Freundin umherzog, wahrscheinlich hatte er Gustav auch noch von unserem kleinen Techtelmechtel erzählt. „Ich merke schon, du versteht gar nichts. Ich bin sein bester Kumpel und damit auf deiner Seite. Schon klar, schwer zu glauben, da wir nicht den nettesten Start hatten, aber ich musste mich zurückhalten. Tom zur Liebe." Das waren eindeutig zu viele Informationen. Ich schloss kurz dieAugen, schüttelte den Kopf, um wieder zur Besinnung zu kommen. „Also du bist Toms bester Freund?" Gustav nickte. „Genau." „Und wie kann das sein, dass du dann nicht in seiner Gang bist?"

„Das war ich einmal." Plötzlich wirkte er niedergeschlagen, daher wusste ich, dass dieses Thema im Moment nicht angebracht war. „Ok und Tom schickt dich jetzt, damit du auf mich aufpasst?" „Nein, die Abholaktion ist auf Olis Mist gewachsen. Kam mir aber nicht ungelegen, so hatte ich wenigstens einen Moment um dich aufzuklären.Anders hätte ich nicht so eine Chance bekommen." „Und Oli lässt dich mich einfach abholen? So als besten Freund seines Feindes?"

„Er denkt, dass Tom und mich nichts verbunden hätte außer die Gang. Bei den 'Hurricans' ist es nicht so üblich mit offenen Karten zu spielen, was Freundschaften betrifft. Da weiß man nur, dass Tom und Bill Zwillinge sind, wer sonst mit wem enger befreundet ist, geht keinen was an. Das macht die Gruppe nur verletzlich, dass hat auch nun Oli an eigenem Leib spüren müssen." Siehe da, wie Gustav doch so gesprächig sein kann. „Wie meinst du das?" „Erinnerst du dich an dein erstes Battle? Als jeder so geschockt war, dass Tom diesen Tobi in den Ring schickte? Tom wusste ganz genau, dass Tobi Lenns bester Freund war und wenn man eine Rechnung offen hat, begleicht man diese sofort. Lenn hatte Bill zuvor Schwuchtel genannt und ehe er sich versah, stand er auch schon mit seinem besten Freund in der Arena."

Wow. Das war hart. So sah also Toms harte Seite aus. In diesem Moment wünschte ich mir einfach nur, dass ich diese Seite an ihm niemals kennenlernen würde. „Bin ich für Tom auch eine offene Rechnung?" Schlechte Frage, ganz schlechte Frage. Kein Wunder, dass ich so durchschaubar war, wenn ich immer so Dinger brachte. „So in der Art", grinste Gustav und sah mich kurz an.

Streetbattle - Faust gegen Faust (Tokio Hotel)Where stories live. Discover now