Warum Regen nicht gleich Regen ist.

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Regen.
Was kommt dir in den Sinn, wenn du das Wort Regen hörst? Mit was verbindest du Regen?

Es gibt Menschen, die denken nur an den Regen im Sinne von Gewitter. Du weißt schon, den Regen, der an deine Fensterscheibe klopft, während du im kuscheligen Warmen sitzt. Der Regen, der die Felder und Straßen unter Wasser setzt und überschwemmt; Regen, der vielleicht den Keller deines Nachbars ‚absaufen' lässt, wie man so schön sagt. Der Regen, während dem du am Fenster stehst und dir vielleicht – zumindest ein ganz kleiner Teil deiner Selbst – wünschst, es würde aufhören zu stürmen, da du die Nässe und die meist damit verbundene Kälte verabscheust. Aber du könntest auch so ein Mensch sein, den der Regen – das Gewitter, das Nasse auf deinem Gesicht – nichts ausmacht, sodass du kurzerhand beschließt, hinaus zu gehen, oder einfach trotz des Wetters irgendwohin läufst. Du genießt das entweder sanfte Nieseln oder das eher starke Prasseln auf deiner Haut, man gibt dir das Gefühl der Zufriedenheit; oder du ignorierst das Wasser, das in Rinnsalen über deine Kleider fließt, bist nur dazu gezwungen, in den Regen zu gehen – auf dem Weg zur Schule, Arbeit, nach Hause et cetera – und wartest nur darauf, endlich ins Warme zu kommen.
Dieser Regen kann aber auch negative Seiten haben. Er zerstört Leben. Wie? Tsunamis. Überschwemmungen, die Millionen Menschen das Zuhause nehmen. Überflutungen, die den Lebensraum vieler Lebenswesen unbewohnbar machen.
Regen schenkt, nimmt aber auch zugleich Leben.

Doch es gibt auch Menschen, die das Wort Regen anders interpretieren, anders aufnehmen, anders nutzen. Wenn ich beispielsweise an Regen denke, denke ich an Worte. Worte, die wie der Regen auf dich niederprasseln. Diejenigen, von denen die Worte geschrieben oder gesprochen wurden, wissen oftmals nicht, welche Folgen sie hinterlassen, wissen nicht, was danach geschieht. Sie können nicht immer wissen, was man fühlt, nachdem man die Worte vernommen hat.
Beispiele für einen solchen Regen aus Worten?
Nach einer wilden Nacht, die du mit deinen besten Freunden feiernd verbracht hast, kommst du angetrunken – schlimmstenfalls betrunken – nach Hause; deine Eltern erwarten dich bereits, sie sind schlecht gelaunt und sauer auf dich. Was passiert? Ja, deine Eltern halten dir eine Moralpredigt; und was ‚prasselt' regelrecht auf dich ein? Worte. Deine Reaktion? – Das bleibt dir selbst überlassen.
In der Schule kommen diese obercoolen – jeder kennt, alle hassen und fürchten sie – Mitschüler auf dich zu, wollen entweder dein Taschengeld, deine Hausaufgaben oder verprügeln dich ohne einen ersichtlichen Grund zu haben; wenn du ihnen mit Lehrern oder dem Direktor drohst, was prasselt auf dich ein? Nicht nur die Fäuste der Halbstarken. Worte – meist verletzend, verspottend, niedermachend. Die Reaktion auf diese Situation ist eure Sache.
Dann existiert auch der Wortregen, der von vielen – und dafür muss man nicht mal Autor sein – ersehnt wird. Viele nennen es „einen Lauf haben", manche sagen „Wortschwall", ich nenne es „Wortregen". Man sitzt irgendwo im nirgendwo, denkt gar nicht groß nach, und dann: eine Idee. Du sprudelst regelrecht vor Energie, weißt genau, wie was wann und wo passiert, hast total den Durchblick. Du könntest stundenlang über dieses eine Thema referieren.
Und was passiert, wenn du diesen ‚Wortregen' brauchst? Dürre. Es ist warm, kein Wölkchen steht am Himmel, die Aussicht auf Regen ist gleich null. Du verdurstest, hast den roten Faden in deiner Geschichte verloren, siehst vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Ein anderes Beispiel könnte vielen von euch ebenfalls vertraut sein: Kritik.
Kritik kann manchmal wirklich – und das ist auch gut so – kurz und positiv, aber auch kurz und negativ ausfallen. Natürlich muss man lernen, mit dieser Kritik umzugehen; aber sobald die ganze Sache unfair und beleidigend wird, dann macht man sich doch schon Gedanken. Man nimmt sich das Ganze zu Herzen, versucht sich zu bessern, und „der Käse ist gegessen".
Aber dann gibt es auch noch diese Kritik, die uns wirklich alle beinahe innerlich zerfrisst. Lange, gemeine und fiese, immer wieder auftauchende Worte zu deinem Handeln. Zu deinem Geschriebenen, in das du Herzblut gesteckt hast. Die Verfasser versuchen dich herunter zu ziehen, dein Werk schlecht zu machen. Sie wollen dich am Boden sehen, dein Herz soll bluten, dein Kopf soll wegen den ganzen „Bin ich gut genug?"-Fragen explodieren. Ja klar, diese Art von Kritik versucht man von außen her zu ignorieren, man sagt vor anderen, dass die kritisierende Person selbst nichts kann.

Doch innerlich? Man stirbt fast.

Denn der Regen schenkt, nimmt aber auch Leben.

#250616 MadamePottine.

sechsundzwanzigdrei.Où les histoires vivent. Découvrez maintenant