Verloren

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Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Psychisch wie auch körperlich. Nun sitze ich hier, auf dem Boden und halte meine Tochter fest im Arm. Sie ist das einzige Überbleibsel von meiner Familie. Von mir selbst. Niemand sonst kann mich trösten, keiner ist mehr da. Niemand. Außer dir.. Sie gibt einen vergnügten, quickenden Ton von sich und rollt sich in meinen Armen umher. Aber du gibst mir auch nicht genügend Kraft um all meine Aufgaben zu meistern. Als Oberhaupt. Als Ohnezahn wegging um selbst eine Familie zu gründen und eine Partnerin zu finden da er jetzt Alpha war, dachte ich, ich würde es mit der Hilfe der anderen schaffen. Dachte ich zwar, obwohl alles perfekt war. Meine Frau war gerade erst schwanger geworden und Berk war auch wieder komplett aufgebaut und hatte sich erholt von der schrecklichen Katastrophe. Ich betrachte meinen Ring an der Hand und mir stiegen, wie jedes Mal, wenn ich an sie dachte Tränen in die Augen. Meine Kleine rieb sich angestrengt die Augen und gähnte gemütlich, bevor sie sie schloss und einschlief. Sie ist ja so unschuldig und hilflos und versteht noch nicht was um sie herum geschieht. Wie sehr ich leide. Als Astrid erst ca. fünf Monate schwanger war, bekam mein Vater in Walhalla Besuch von seinem besten Freund. Grobian verbrannte sich beim Schmieden so schwer, dass er nach zwei Tagen Leiden verstarb. Er war so ein erfahrener Schmied und Muffel war zu dem Zeitpunkt nicht in der Nähe. Es hätte nicht passieren dürfen.. Ich blickte auf meine alte Axt, die er mir damals geschmiedet hatte und legte meine Kleine behutsam in ihr Bettchen. Das hatte Grobian auch noch für uns gemacht kurz bevor er.. Vier Monate später dann, wollte es mich dann noch immer nicht loslassen. Nicht einmal an dem Tag ihrer Geburt. Aber dort konnte ich sowieso an nichts anderes mehr denken. Sie lachte noch als die Wehen eintrafen. Selbst dann behielt sie Ruhe und ließ sich geduldig von mir zu Gothi tragen. Ich erinnere mich an jedes Detail dieses Tages. An ihre plötzlichen Schreie, die unsere alte Heilerin aufhorchen ließen und wie sie darauf herausgerannt kam. Meine Mutter nahm sie mir ab und legten sie auf das Bett. Ich stand noch eine Minute neben ihr und dann bat mich Gothi die Hütte zu verlassen. Ich sah Astrid das letzte Mal mir aufmunternd zu zulachen, dann stellte ich mich vor die Tür. Von draußen hörte ich ihre Schreie und ihr Stöhnen. Manche waren leise, andere wieder etwas lauter. Aber gegen Ende wurden sie immer lauter. Plötzlich kreischte sie laut nach meinem Namen und ich stürmte zurück an ihr Bett. Es war alles voller Blut. Meine Mutter hielt ein Handtuch mit meiner Kleinen im Arm. Doch ich wandte mich zuerst zu meiner Frau. Deren schmerzverzerrtes Gesicht werde ich nie mehr vergessen. Es hat sich in mein Gehirn gebrannt wie ein Brandzeichen in die Hüfte eines Jaks. Ich drehe mich noch einmal zu meiner Tochter um und betrachte, wie sie schläft. Meine Tränen rennen die Wangen hinunter. Ich zuckte ab und zu vor Schmerz und Trauer zusammen, aber sie schlief weiter. Sie ist es ja gewöhnt. Als Astrid meine Hand nahm, sagte sie leise zu mir:"Gib mir sie bitte nur einmal.". Ihre Stimme war schwach. Meine Mutter übergab sie ihr und blickte mich an. Ihr Blick sagte genau das aus, was ich auch als Haudrauf und Grobian von uns gegangen waren, in ihren Augen erblickt habe. Genau das, was ich nie wieder sehen wollte und was ich nicht zu träumen wagte, passierte. Schon wieder. Mein eigenes Lächeln starb darauf sofort aus und ich sah hinüber zu Astrid. Die lag geschafft im Bett mit ihrer Tochter im Arm. Ich beugte mich über sie und sagte:"Keine Angst, du wirst dich wieder vollkommen erholen, mein Schatz.". Dann schaute sie mir in die Augen. Von dem Moment an war ich verloren. Ich fühlte nur noch Trauer und Schmerz. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ich blickte hoffnungsvoll Gothi an, doch die senkte und schüttelte nur leise den Kopf. Astrid zog mich zu sich. Ganz nah an ihr und unserer Kleinen flüsterte sie mir mit immer mehr abschwächender Stimme zu:"Hicks, weißt du noch welcher Mädchenname mir am besten gefiel?". Ich nickte und bemerkte meine Tränen gar nicht. "Gut..", sie zuckte zusammen und ich nahm sie in den Arm. Jetzt wurde ihr Oberteil komplett nass von unseren Tränen, die sich vermischten. "Hicks, bitte versprich mir eins..". Doch ich unterbrach sie und redete ihr immer wieder "Nein, nein" ein. Aber sie zog mich noch näher heran und umarmte mich,so gut es eben ging. "Hicks, bitte", flüsterte sie weiter. "Bitte, du bist noch so jung, mach was aus deinem Leben und werde ohne mich glücklich und bitte pass auf unsere Kleine auf. Ich liebe dich, aber vergiss mich bitte nicht.". Zwischen den Sätzen machte sie immer wieder kleinere Pausen, in denen sie zusammenschreckte. Mein "Nein, nein, bitte nicht du.." wurde immer lauter und hilfloser. Doch sie schaute zu unserer Tochter und wieder zu mir. Ich nahm sie in den Arm und küsste sie ein letztes Mal. Daraufhin gab sie unserer Kleinen auch einen zarten Kuss auf die Stirn. "Ich liebe dich auch, meine Süße.", sagte sie schwach. Dann gab sie sie meiner Mutter und drückte sich noch ein letztes Mal fest an mich und schaute mich ein letztes Mal mit ihren wunderschönen, blauen Augen an. "Versprichst du mir das?". Ich schluckte und antwortete ihr:"Versprochen.". Ihre Lippen brachten noch ein kleines Lächeln hervor und sie sagte noch einmal:"Ich liebe dich, Hicks..". Ich konnte nur noch stottern und hatte keine Stimme mehr:"Ich liebe dich auch, Astrid..". Dann schlossen sich ihre Augen für immer und der sonst so feste Druck ihrer Hände ließ nach. So habe ich die Liebe meines Lebens verloren. Das ist jetzt schon ein halbes Jahr her. Ich wünsche mir jeden Abend, wenn ich meine Kleine ins Bett bringe, nichts sehnlicher als sie endlich wieder in die Arme schließen zu können. Mein Weinen wird stärker und ich denke an die vielen Male, als Mutter hereingekommen war und mich weinen hörte. Sie nahm mich in den Arm, redete mir wirklich aufmunternde Worte zu und weinte mit mir. Das konnte sie wirklich besser als kein anderer, Weisheiten und aufmunternde Worte zu sprechen, ohne dabei selbst im Mitleid zu versinken. Aber jetzt kann sie mich auch nicht mehr trösten. Heute morgen wollte ich sie wecken und ihr das Frühstück ans Bett bringen. Dort lag sie ganz friedlich und regte sich nicht mehr. Ich breche wieder zusammen und krümme mich am Boden vor Schmerz, wenn ich daran denke. Genau wie heute Morgen. Aber wieso musste ich auch so großes Leid erfahren? Wieso ich? Ich hatte doch schon genug ertragen müssen. Langsam mühe ich mich auf einen Stuhl und versuche einigermaßen aufrecht zu sitzen. Die Tränen flossen wie ein reißender Strom und das Loch in meinem Herzen wurde immer größer und immer schmerzhafter. Erst mein Vater, mein treuer Freund, dann meine geliebte Frau.. und wieso jetzt auch noch meine Mutter? Die, die ich so lange vermisst hatte und endlich wiedergefunden hatte? Ich schlage mit den geballten Fäusten auf meinen Schreibtisch und immer wieder in mein Gesicht. Das alles soll jetzt aufhören! Ich will nicht mehr weinen, nicht mehr so tun als ob ich ein gutes Oberhaupt wäre und innerlich doch so leide. Meine Sicht wird immer trüber. Die Schmerzen und das Blut in meinem Gesicht lenken mich etwas von der ganzen Situation ab. Ich glaube ich liege schon wieder auf dem Boden. Ich fühle nichts mehr nur noch eine große Leere. Plötzlich nehme ich ein entferntes Klopfen wahr. Dann wird es stärker. Jemand ruft vor der Tür laut meinen Namen, aber ich kriege das schon nicht mehr mit. Ich glaube es ist Fischbein. Meine Kleine beginnt noch laut zu schreien. Dann wird alles schwarz...

Fortsetzung folgt...


Ich musste diesen One-Shot einfach mal aufschreiben, da er mich einfach nicht mehr losgelassen hat.. Hoffe ihr habt genauso mitgefühlt, wie ich ^^

One-Shots (Httyd)Where stories live. Discover now