Acht

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„Und ich dachte, du wolltest nichts mehr mit Swan zu tun haben", krächzt Adrians Stimme aus dem Lautsprecher meines Handys.

„Tja... dachte ich zuerst auch", sage ich, während ich meinen Kleiderschrank nach etwas zum Anziehen durchsuche. Das Handy habe ich zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, wobei es mir schwerfällt, es nicht fallen zu lassen.

„Aber du hast deine Meinung innerhalb von fünf Sekunden geändert, oder was?" Ich antworte ihm nicht sofort, sondern mustere das weiße Minikleid, das ich soeben hinter meinen ganzen anderen Kleidern gefunden habe. Wann habe ich das denn bitte getragen?

„Naja...", sage ich vage und entdecke im gleichen Moment noch ein Minikleid, allerdings in schwarz. So einen tiefen Ausschnitt habe ich doch nie getragen...

„Was habt ihr denn vor?", erkundigt sich Adrian. Genau dann fällt mir ein, woher die Kleider kommen. Es sind Überbleibsel aus Mayas Garderobe. Seufzend hänge ich sie über meinen Schreibtischstuhl. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich freuen sollte, diese Kleider noch zu haben, oder ob ich wieder anfangen sollte zu heulen. Aber darum kann ich mich auch später kümmern.

„Keine Ahnung, sie hat bloß gesagt, ich könne zu ihr kommen. Mehr weiß ich aber auch nicht. Mann, Adrian, was soll ich bloß anziehen?", frage ich. Langsam verzweifele ich wirklich an der Auswahl meines Outfits. Das war schon lange nicht mehr der Fall gewesen, sonst machte ich mir kaum Gedanken, solange es nicht komplett beknackt aussieht.

„Süße, ich dachte eigentlich, dass du dich gar nicht mehr für sowas interessierst, deinen sonstigen Outfits nach zu urteilen. Freut mich für dich."

Ich übergehe die Beleidigung und gebe nur einen frustrierten Laut von mir. Noch einmal durchwühle ich den Berg an Klamotten, der auf meinem Fußboden verteilt liegt. „Bitte, jetzt hilf mir doch mal!", quengele ich in den Hörer.

„Nimm das dunkelrote Top mit dem tiefen Ausschnitt und den schwarzen Minirock." Seine Stimme trieft vor Sarkasmus und ich kann sein Grinsen schon beinahe hören.

„Du weißt, dass ich kein Date mit dir habe, oder?", hake ich nach.

„Gut. Dann frag mich aber bitte nicht nach Ideen für deine Klamotten." Wir schweigen beide und ich ziehe ein schlichtes, weißes T-Shirt und eine blaue Jeans aus dem Chaos an Kleidung. Dazu einen einfachen Gürtel und die dunkle Strickjacke.

„Ich glaube, ich habe was", murmele ich, mehr zu mir selbst als zu ihm.

„Das ist schön. Darf ich dann jetzt auflegen?", fragt er. Er scheint mittlerweile nebenbei eine Beschäftigung gefunden haben, denn er klingt recht abgelenkt.

„Jaja. Bis morgen, vielleicht", antworte ich abgelenkt und versuche, die Jeans anzuziehen. War die eigentlich schon immer so eng? Wann hatte ich denn zugenommen?

„Sag mir dann bitte, wie's mit Swan gelaufen ist", bittet er. „Bis morgen, Süße."

Ich lege auf und zerre die Jeans über meinen Hintern, hüpfe noch ein paar Mal auf und ab, versuche, die Hose so vernünftig anzuziehen. Innerlich habe ich die heimliche Hoffnung, dass ich Swan gefallen würde. Wieso ich mich plötzlich so für ihre Meinung interessiere, weiß ich selber auch nicht genau. Wahrscheinlich hat das Jahr der Einsamkeit mich einfach verändert.

Ich sehe noch einmal auf mein Handy, um Uhrzeit und Adresse zu überprüfen. Swans Wohnung liegt in einem Viertel der Stadt, das ziemlich weit von meiner Wohnung entfernt ist. Aber ich habe noch anderthalb Stunden, also kümmere ich mich noch um meine Haare und mein Make-up.

Das letzte Mal, dass ich mir solche Mühe gegeben habe mit meinem Aussehen, hatte ich noch Maya bei mir und hatte es für sie getan.

Sollte Swan eventuell doch eine Art Ersatz für Maya werden? Ich kann sie mir ja schon irgendwie als meine Freundin vorstellen... zumindest vielleicht.

Endlich mache ich mich auf den Weg zu ihrer Wohnung. Es ist mein erstes Date seit langem – abgesehen von diesem miserablen Speed-Dating – und ich bin wahnsinnig aufgeregt.

Trotzdem freue ich mich auf den Abend.


Speed DatingWhere stories live. Discover now