One

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Maggie




„Dad, ich glaube der Typ mit dem Yves Saint Laurent Mantel ist hier!"

Mein Vater hatte anklingen lassen, dass er einen seiner Mitarbeiter, der eine Vorliebe für dieses Kleidungsstück zu haben schien, heute zu uns nach Hause eingeladen hatte. Nun stand er da und blickte mich etwas perplex mit großen Augen an.

Seine wilden Locken reichten bis über die Schultern und gaben ihm etwas leicht Verwegenes. Trotzdem wirkte er elegant, was vermutlich an diesem Mantel lag.

Da er noch keinen Ton gesprochen hatte, sondern mich weiterhin musterte, sah ich mich genötigt, erneut zu reden.

„Was ist? Bist du am Boden festgewachsen oder erwartest du, dass ich dich trage?"

Endlich schien Leben in ihn zu kommen.

„Ähm, nein. Aber ich hätte eigentlich erwartet, dass du dich vorstellst."

Die Worte kamen äußerst lässig über seine pinken Lippen und ich musste beinahe grinsen.

„Oh, sorry, ich dachte, du wüsstest, dass ich Alistairs Tochter bin", antwortete ich ebenso lässig.

„Nein, aber jetzt weiß ich es. Ich heiße übrigens Harry", stellte er sich vor.

„Freut mich, ich bin Maggie."

Er folgte mir in das Innere meines Elternhauses. In seiner Hand hielt er ein großes Paket, welches in Geschenkpapier eingewickelt war. Dem Muster nach zu urteilen, war das Päckchen für den kleinen Jungen bestimmt, der seit einigen Tagen bei meinen Eltern wohnte. Weder mein Vater noch meine Mutter klärten mich auf, was es mit dem goldigen Kind auf sich hatte. Nachzufragen machte sowieso keinen Sinn, denn ich würde nur eine ausweichende Antwort erhalten.

Als Tochter eines Polizeibeamten, der als Leiter einer Spezialeinheit tätig war, musste man einfach damit klarkommen, dass man über gewisse Dinge nicht sprach. Oder zumindest so tat, als seien sie nicht relevant.

Kaum betraten wir das Wohnzimmer, lief Kieran, der kleine Junge, auf unseren Gast zu und schrie laut: „Harry!"

Für einen Moment stutzte ich, denn sie schienen sich gut zu kennen. Harry breitete seine langen Arme aus, schnappte den Zwerg, wirbelte ihn durch die Luft und fragte dabei: „Na, Dreikäsehoch, wie geht es dir?"

„Duuuuuuuut!", kam es zurück.

Kieran hatte einen leichten Sprachfehler, er konnte den Buchstaben G noch nicht aussprechen und machte stets ein D daraus.

Als Grundschullehrerin hatte sich so einige Erfahrung mit Kindern und stellte die These auf, dass sich das irgendwann geben würde, zumal Kieran noch viel jünger war. Er wurde demnächst erst vier. Jedenfalls fand ich es süß, wie Harry mit dem kleinen Kerl umging. Er schien unglaublich kinderlieb zu sein, was mir sehr gefiel.

Natürlich konnte mein Vater als echter Workaholic das Arbeiten auch am Wochenende nicht sein lassen und bat Harry kurz in sein Arbeitszimmer. Nachdenklich schaute ich den Beiden hinterher. Es musste ein heißer Fall sein, an dem sie dran waren und der kleine Junge gehörte irgendwie mit dazu, da war ich mir sicher.

Während Harry durch Abwesenheit glänzte, holte ich die Malstifte für Kieran hervor. Begeistert begann er einen Delfin zu zeichnen, so lang, bis der große, braunhaarige Mann wieder auftauchte, um ihn in den Zoo zu entführen.

Schnell packte ich Kierans Rucksack zusammen, tat eine Banane sowie Apfelsaft hinein und übergab Harry das bunte Teil.

„Ich wünsche euch einen schönen Tag im Zoo."

Sideline | Spin off zur Black-ReiheWhere stories live. Discover now