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Alles um mich rum drehte sich. Immer wieder sah ich für kurze Zeit Umrisse von Menschen oder Häusern, doch es drehte sich alles so schnell, dass ich nur noch Striche sah. Es war wie eine Farbenmischung. Grau. Blau. Schwarz. Gelb. Braun. Grün. Alles vermischte sich und eine grässliche, schmerzen bereitende Farbe entstand. Doch ehe ich mich versah, waren es plötzliche andere Farbe. Grau. Blau. Gelb. Braun. Grün. Hellblau. Weiß. Sonne. Ich erkannte die Sonne. Es war Tag.

Tag. Arbeit. Ich muss in die Arbeit.

Alles in meinem Kopf fühlte sich benebelt an. Seit gestern Nacht drehte sich mein Kopf nur noch, die Übelkeit, die ich mittlerweile empfand, bekam ich erst vor, oh mein Gott, ich wusste es nicht mehr. Dennoch empfand ich Übelkeit, Schwindel und ein komisches Gefühl, das kaum zu beschreiben war. Doch das Wort, das es am ehesten trifft ist: Leere. Doch wie konnte ich so viel fühlen. Schwindel. Übelkeit. Schmerzen. Angst. Trauer. Und doch fühlte ich mich nur Leer. Wie ging das? Ich wusste es nicht... bis heute nicht.

Trotzdem musste ich in die Arbeit, sonst hätte mich mein Boss gefeuert. Zwar war es mittlerweile eh egal, weil ich eh schon alles verloren hatte, was mir etwas bedeutete, dennoch durfte ich nicht einfach so aufgeben. Ich musste kämpfen. Ich musste weitermachen.

Nach einem gefühlten halben Tag kam ich vor der großen Halle an. Als ich vor der Halle stand, versuchte ich mich daran zu erinnern, wie ich hierherkam, doch es fiel mir nicht mehr ein. Einzelne Ausschnitte waren mir noch bekannt. Ich wusste, wie ich die Straße überquerte, wie ich warten musste, dass die Ampel endlich rot war, wie ich die Sonne anschaute. Doch mehr wusste ich nicht. Es waren wie Filmrisse. Vom ganzen Denken fing mein Herz zu brummen an, deswegen entschied ich mich schnell reinzugehen. Also betrat ich die graue, dunkle, kalte aussehende Halle in der eine trockene Hitze herrschte. Die Maschinen liefen auf Hochtouren, wie meine Kollegen, die schon ganz verschwitzt von der, wahrscheinlich, Arbeit waren.

Der lange Weg zu meinem Büro kam mir heute noch länger vor als zuvor schon. Jeder Schritt tat weh und das nicht nur von dem ganzen Alkohol den ich gestern, wie es aussah, in mich schüttete, sondern auch, weil ich mit jedem Schritt einen schnelleren Herzschlag bekam. Mit jedem Schritt wuchs die Angst in mir.
Die Angst vor dem was auf mich zu kam.
Die Angst vor meinem Boss.
Die Angst vor meinen Fehlern.
Die Angst vor den Menschen, von der Gesellschaft.
Die Angst vor Najoen... Die Angst war derzeit wohl meine größte.

Zugleich spürte ich mit jedem Schritt, wie mein Leben bedeutungsloser wurde.
Schritt.
Ich hörte meine Eltern schreien.
Schritt.
Meine Eltern trennten sich.
Schritt.
Meine Mum und ich mussten umziehen.
Schritt.
Ich habe keinen Schulabschluss.
Schritt.
Ich muss arbeiten.
Schritt.
Ich verschwende 8 Stunden am Tag an einer Arbeite, die ich hasse.
Schritt.
Ich habe keine Freunde.
Schritt.
Najoen hat mich gefickt.
Schritt.
Ich wollte es gar nicht wirklich.
Schritt.
Ich lernte einen Jungen kennen.
Schritt.
Ich verlor ihn.
Schritt.
Er hasst mich.
Schritt.
Ich sollte ihn auch hassen, doch ich liebe ihn.
Schritt.
Meine Mutter starb.
Schritt.
Meine Mutter hat mich allein gelassen.
Schritt.
Ich habe alles verloren.
Schritt.
Meinen Vater, meine Mutter, Jimin und mich selbst.
Schritt.
Ich weiß nicht wer ich bin,
Schritt.
Doch ich weiß es, ich bin Nichts.
Schritt.
Ich bin einsam.
Schritt.
Mein Leben ist scheiße.
Schritt.
Das ist zu viel für mich.
Schritt.
Der Tod beendet alles Probleme.
Schritt.
Ich sollte mich umbringen.
Schritt.
Bitte, lass mich endlich sterben!

Schritt. Und schon Stand die Türe vor mir und ich wollte sterben.

Soll ich jetzt wirklich reingehen oder umdrehen und mich umbringen? Ein Seil um meinen Kopf wickeln. Meine Pulsader aufschneiden. Mich vor einen Zug werfen. Ich hatte nichts mehr Lebenswichtiges.

Yoonmin | It never happens (FF)Where stories live. Discover now