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LESENACHT Teil 1






Wie Kira gesagt hatte, sitzt Avery oben auf meinem Bett und liest ein Buch. Bei genauerem hinsehen, war es jedoch kein normales Buch.

"Sag mal, ist das mein Tagebuch? Ist das dein Ernst, Avery?" frage ich sie etwas sauer. Sofort legt sie das Buch weg und schaut mich entschuldigend an.

"Tut mir echt leid, Em. Es lag so verlockend da...und außerdem habe ich auch nicht viel gelesen. Nur die fünf Seiten über Finn..." erklärt sie mir und versucht mir nicht in die Augen zu sehen.

"Wie NUR die fünf Seiten über Finn? Das war privat. Ich meine ihr seid meine besten Freundinnen und wisst das sowieso fast alles, aber es geht ums Prinzip."

"Das war echt scheisse von dir Ave." sagt nun auch Kira und sieht sie anklagend an.

"Tut mir leid." wiederholt Avery nochmal und sieht mir jetzt genau in die Augen. Ein Zeichen von Ehrlichkeit, wie ich wusste, weshalb ich ihr auch gleich verzieh.

"Ist okay. Aber mach das bitte nie wieder. Okay?"

"Ja okay. Aber mal im Ernst. Wie kannst du das alles deinem Tagebuch sagen aber nichts davon Finn?" regt sie sich gleich wieder auf.

"Avery! Lass das!" seufze ich, denn ich habe wirklich keine Lust jetzt mit diesem Thema anzufangen. Ich kenne zwar die Meinung der beiden Mädels darüber und wir hatten auch schon viele Diskussionen, aber ich habe im Moment wirklich keinen Nerv dafür. Jetzt gerade kann ich nurnoch an das morgige Turnier denken.

Ich lege mich also in mein Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf, damit ich den beiden Nervensägen nicht mehr zuhören muss. Als ich die Augen schließe, falle ich zum Glück auch gleich ins Land der Träume.


**Am nächsten Morgen**

"Hey Emma. Wach auf!" weckt mich eine leise Stimme. Brummend schlage ich die Augen auf und sehe direkt in Averys Gesicht.

"Oh Mann. Es ist zu früh. Lass mich weiterschlafen." sage ich, nachdem ich auf die Uhr an der Wand geschaut habe, und schließe die Augen wieder. Es ist erst drei Uhr morgens. Das heißt ich hätte locker noch eine Stunde weiterschlafen können, denn wir fahren erst um sechs los.

"Nein, steh jetzt auf. Wir haben noch was für dich, bevor du fährst." lacht sie jetzt und zieht mir die Decke weg.

Seufzend stehe ich also auf und ziehe mich an. Eine dunkelblaue Joggingshose und einen schwarzen Pullover. Meine Turnierkleidung werde ich erst dort anziehen, da sie ja noch im Internatszimmer hängt. Als ich fertig angezogen und meine Zähne geputzt habe, laufe ich mit Ave die Treppe hinunter in den Hof, wo ihre Eltern, Kira und eine blonde Frau im Arztkittel stehen.

Fragend sehe ich die Leute abwechselnd an, bevor mein Blick auf den Papieren hängen bleibt, die die blonde Frau in der Hand hält. Sie streckt sie mir entgegen und ich nehme sie verwirrt an, bevor ich zu lesen beginne.

Tierärztlicher Nachweis

Das Tier wurde ärztlich untersucht und als Black Champion de Luxe, Besitzerin Emma Summer, identifiziert.


Als ich realisiere, was auf den Papieren in meiner Hand steht, fange ich an zu kreischen und umarme alle aus der Runde mega glücklich. Dieses Stück Papier in meiner Hand ist der Beweis dafür, dass ich recht hatte. Dass ich mein eigenes Pferd vor dem Einschläfern gerettet hatte. Dass ich die ganze Zeit richtig lag. Obwohl ich schon vorher das Gefühl hatte, dass es sich um Black Champion handeln musste, bin ich überglücklich, dass das jetzt auch auf dem Papier festgehalten werden konnte.

"Aber wie ist das möglich? Es haben sich doch zwei Tierärzte den Fall angesehen und sie waren sich sicher, dass es sich um ein anderes Pferd handelt." frage ich dann aber irritiert, als ich an den Vorfall vor einigen Wochen zurückdenke.

"Die Tierärzte wurden von einem gewissen Hans Von Blumenstrauch dafür sehr gut bezahlt, Ihnen das zu übermitteln. Jedoch haben beide den Chip im Hals des Tieres vergessen zu entfernen. Anhand diesem war die Identifikation sehr einfach und eindeutig." erklärte mir die Frau, bei der es sich eindeutig um die Tierärztin der Familie handelte.

"Aber der ist doch im Gefängnis wegen Tierquälerei, oder etwa nicht?"

"Das wissen wir leider nicht. Der Polizist, mit dem wir geredet haben, hat uns nichts darüber gesagt." meint Avery nur. Ich nicke.

"So, jetzt ist das also geklärt. Aber wir müssen uns nun auch beeilen. Die Pferde gehören nur verladen und fertig gemacht und ich denke nicht, dass ihr schon fertig mit Koffer packen seid." lächelt Thomas, Aves Vater uns an und wendet sich dann der Tierärtzin zu, die noch neben ihm steht. Er bedankt sich bei ihr, dass sie da war und auch ich gebe ihr als Dank die Hand und sage ihr, wieviel mir das bedeutet. Danach fährt sie auch schon und wir anderen begeben uns in den Stall.

Als ich zu Champions Box komme, muss ich anfangen zu grinsen. Denn er liegt ausgebreitet im Stroh und döst. Zum Glück hatte ich ihm die Mähne gestern noch nicht eingeflochten, sonst wäre das sicher umsonst gewesen, so wie der jetzt aussieht. Überall hängt Einstreu an ihm und die Mähne sieht besonders schlimm aus.

Ich hole ihn also aus der Box, wobei ich ihn schweren Herzens aufwecken muss, und fange an ihn gründlich zu waschen und putzen. Nachdem sein Fell einstreufrei ist und glänzt, fange ich an seine Mähne zu Turnierzöpfen zu flechten. Den Schweif bürste ich nur durch und lasse ihn seidig, offen hinunterhängen. Schweifflechtfrisuren finde ich im Allgemeinen nicht sehr schön.

Danach lege ich ihm die weißen Transportgamaschen an und führe ihn hinaus auf den Parkplatz. Dort wartet schon Thomas, dem ich mein Pferd übergebe, damit ich von oben noch schnell meinen Koffer holen kann. Im Zimmer treffe ich dann auch auf Avery und Kira. Beide versuchen gerade Aves Koffer zu schließen, was wohl nicht ganz nach Plan läuft. Lachend helfe ich ihnen und schnappe mir dann noch meine kleine Tasche mit den wenigen Sachen, die ich hier gekauft habe. Was nebenbei alles Ave bezahlt hat, wofür ich ihr sowieso ewig dankbar sein werde.

Nachdem dann endlich alle fertig sind, checken Ave und ich nochmal den Hänger, in dem Champion und Beauty stehen und verabschieden uns von Kira, die schon ziemlich stark am heulen ist. Als ich sie umarme, fange ich auch an und wir liegen uns letztendlich schluchzend in den Armen. Ave wird ja in wenigen Tagen wieder zurückkommen, aber ich weiß nicht, wann ich wieder hierher komme und das ist uns allen bewusst.

Irgendwann steigen Ave, Thomas, Marie und ich dann doch in den Wagen und fahren kurz darauf auch los.

Reitinternat Sunshine 2-Pferde fliegen ohne FlügelWhere stories live. Discover now