SECHS: King's Cross

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Die ganze Zugfahrt unterhielten wir uns über die Neuigkeiten und sind zu einem Schluss gekommen: Remus ist eigentlich gar nicht so eine schlechte Wahl. Normalerweise ist er immerhin der vernünftigere der vier Burschen, auch sehr klug und nicht deratig angeberisch, wie mein Bruder und James. Wir können nur hoffen, dass es ebenso bleibt und natürlich, dass er wegen James und Sirius nicht anderen Schülern mit Strafpunkten droht.

Bei Lily Zuhause verbrachten wir die restlichen Ferien fast ereignislos. Trotz Sirius' Warnung, ich solle mich auf gar keinen Fall mit Severus treffen, verbrachten er, Lily und ich die meiste Zeit zusammen und lachten viel. Ich weiß, es ist etwas unglaublich, dass der sonst recht stille Junge mit uns lachen solle, aber er ist humorvoller, als man anfangs annimmt.

Am 30. August, einen Tag vor unserer Abreise nach Hogwarts, packe ich in aller Hektik meinen Koffer. Blöderweise habe ich ihn kurz zuvor komplett ausgeleert, weil ich meine letzte Packung 'Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung' gesucht habe. Lily neben mir sucht meine Bücher, die irgendwo in ihrem Zimmer vergraben sind. Wir haben es geschafft, dass aus ihren ordentlichen Zimmer ein regelrechtes Chaos entsteht. Jetzt fehlen nur noch die Bücher, meine Umhänge, und mein Geldbeutel. Ich helfe Lily beim Suchen meiner Bücher und wir finden sie letztendlich verstaubt hinter einer Kiste. Keine Ahnung, was die dort zu suchen hatten. Ich entstaube meine Bücher und lege sie sorgfältig in meinen Koffer. Dann falte ich meine Umhänge und lege sie über die Bücher. Zu guter Letzt lege ich meinen Geldbeutel oben drauf, damit ich ihn sofort bei Hand habe im Hogwarts-Express.

Der nächste Tag brachte ein sehr müdes ich mit sich. Ich konnte vor Vorfreude wieder einmal fast nicht einschlafen und außerdem musste ich früher aufstehen als sonst. Ich wohne ja jetzt nicht mehr in London. Die Muggel im Zug nach London starren uns alle an. Die denken sich wahrscheinlich, dass wir verrückt sind. Große Koffer, Eulen in Käfigen und außerdem eine nervige Petunia, die die ganze Zeit herummeckert. Das erleben die wohl nicht jeden Tag. Ich grinse einen kleinen Jungen an, der mit großen Augen und vor Staunen offen stehenden Mund auf Mico schaut. Er bemerkt meinen Blick und wendet wahrscheinlich peinlich berührt, weil ich ihn beim Starren erwischt habe, sein Gesicht ab.

Es ist 15 Minuten vor elf, als wir mit unseren Koffern und Lily's Familie im Schlepptau bei Kings Cross ankommen. Wir verabschieden uns von Lily's Eltern mit ein paar Umarmungen und selbst Petunia lächelt uns zum Abschied an. Sie lächelt zwar traurig, aber immerhin. Leider können sie wegen den Muggelabwehrzaubern nicht mitkommen und uns zuwinken, wie es die anderen Familien machen.

Ich sehe noch einmal zu ihnen und bedanke mich, dass ich bei ihnen wohnen durfte. Dann renne ich mit meinen Koffer und meiner Eule durch das Tor zum Bahnsteig 9 3/4. Ich liebe dieses Gefühl durch eine Mauer zu rennen, was eigentlich gar nicht möglich sein sollte, gäbe es keine Zauberei. Immer langsamer werdend, taucht der Bahnhof vor mir auf. Ich kann gerade noch durch die Menschenmasse eine rote Dampflock entdecken, als ich stürmisch von jemanden umarmt werde. "JODIEEEE!", schreit dieses etwas glücklich. "ROOOOOSEEE", mache ich sie lachend nach. Kurze Zeit später steht Lily bereits hinter mir. Doch meine beste Freundin macht noch immer keine Anstalten, mich loszulassen. "Rose? Willst du Lily nicht umarmen? Wenn du dich nicht beeilst ist sie bereits im Vertrauensschülerabteil, bevor du Zeit dafür hast. Sofort lässt sie mich los. "Ach ja stimmt! Du bist ja Vertrauensschülerin!", kreischt sie aufgeregt und umarmt Lily. Ich sehe auf die Uhr und bemerkte, dass uns nur noch sieben Minuten bleiben, bis der Zug abfährt. "Wir sollten jetzt endlich einsteigen. Sonst fährt der Zug ohne uns los", sage ich und steige in den Zug ein. Lily und Rose folgen mir.

Der Zug ist so voll, dass ich mich überall durchquetschen muss. Weil das natürlich noch nicht genug ist, schießt auch noch jemand mit 'Dr Filibusters Feuerwerkskörper' herum, weshalb ich mich alle paar Sekunden ducken muss. Ich gehe durch den ersten Waggon und suche nach einem freien Abteil. Schnell muss ich feststellen, dass sie entweder voll besetzt sind, oder von einer Person für deren Freunde reserviert werden. Am Ende des Zuges finde ich Peter Pettigrew vor. Er sitzt dort ganz alleine. Ich bleibe kurz stehen und schaue hinter mich. Keine Lily und auch keine Rose zu sehen. Ich muss die beiden irgendwo verloren haben. Ich sehe wieder zu Peter und überlege mir, was ich zu ihm sagen könnte. Die Abteiltür öffnend fange ich an zu reden: "Hey, Peter. Sirius, James und Remus suchen nach dir. Sie sitzen ganz vorne in einem Abteil" Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber ich wollte unbedingt ein Abteil ohne die vier Idioten. Die bekommen sowieso eins, wenn sie irgendwelche Mädchen darum bitten.

Peter steht tollpatschig, wie eh und jäh, auf und verschwindet nach vorne. Ich lege meine Sachen auf die Gepäckablage über dem Fenster und setze mich dann auf einen Platz. Ein Blick auf die Uhr, die draußen an der Mauer hängt, sagt mir, dass der Zug in zwei Minuten abfährt. Mittlerweile sind fast ausschließlich Erwachsene auf dem Bahnsteig, die ihren Kindern zum Abschied winken. Dann erblicke ich ihn. Meinen jüngeren Bruder. Regulus.

Neben ihm stehen meine Eltern. Sie verabschieden sich gerade von ihm. Ich blicke sie wie erstarrt an und merke nicht, dass ich kurz aufgehört hatte, zu atmen. Es nimmt mich doch etwas mit, dass ich rausgeschmissen wurde, nur weil ich nicht schwarzmagisch sein möchte. Regulus geht von ihnen weg und ich starre meine Eltern so lange an, bis sich der Zug in Bewegung setzt. Ich blinzle und wende meinen Blick ab, damit meine Eltern mich nicht erkennen, wenn der Waggon, in dem ich sitze, an ihnen vorbeifährt.

Rose kommt seufzend in mein Abteil und verstaut ihre Sachen bei meinen, um sich dann gegenüber von mir zu setzen. "Lily muss wirklich bereits von Beginn an im Vertrauensschülerabteil sitzen. Das heißt dann wohl, dass nur noch wir zwei übrig sind." Doch in diesem Moment kommen Sirius, James und Peter hereingestürmt und verstauen ihre Sachen, trotz meiner Proteste. "Wie oft noch! IHR KÖNNT HIER NICHT SITZEN!", brülle ich die Freunde an. Sirius lässt sich mich ignorierend neben mich fallen und James setzt sich neben Rose. Nur Peter zögert kurz, bevor er sich neben Sirius setzt.

"Natürlich können wir das. Wir tun es schließlich gerade. Und außerdem kommen Moony und Evans sowieso nicht mehr. Die verbringen die ganze Fahrt im Vertrauensschülerabteil", stellt er fest und ich schlage ihn auf den Arm. "Idiot", murmle ich.

JODIE BLACK - die fünfte RumtreiberinWhere stories live. Discover now