☆ Die Kunst Hinzufallen und Wiederaufzustehen ☆

130 10 27
                                    

___

"Laufen ist schwer, fallen und wieder aufstehen noch schwieriger."
___

Ich habe unbedacht gehandelt. Nicht an die Konsequenzen gedacht, als ich meinen Ex-Freund heute Abend in unsere Ex-Wohnung bestellt habe. Doch nun war es zu spät, ich habe bereits aufgelegt, ohne mir nur einen Augenblick Zeit zu nehmen, um vielleicht in mich zu gehen und wieder zu Sinnen zu kommen. Vielleicht sogar gewissenhaft über die Bedeutung meiner Worte zu sinnieren. Ich habe nicht auf sein Okay gewartet, sondern einfach aufgelegt, von einer Sekunde auf die andere, völlig unkalkuliert, um der unwillkommenen Situation Hals über Kopf zu entfliehen. Nur allein dieses kurze Telefonat hat mir ein flaues Magengrummeln beschert und meinen Kreislauf ins Wanken gebracht. Wie würde es erst werden, wenn er mir wieder gegenübersteht?

Ich ging, oder schleppte meinen Körper vielmehr widerwillig in die Küche, meine Beine waren schwer, das immense Gewicht, das auf meinem Herzen lastete, schienen sie kaum tragen zu können. Ich goss mir ein großes Glas lauwarmes Wasser ein, das ich hinunterstürzte, als hätte ich meinem durstigen Körper tagelang keine Flüssigkeit zugeführt. Und so fühlte es sich auch an, oder mein Organismus spielte verrückt, oder ich litt einfach, was wahrscheinlicher war, wollte es mir aber nicht eingestehen und das Resultat davon war eine Überreaktion meines Körpers auf meinen überlasteten Geist.

Er fühlte sich erschöpft, strahlte seinen Mangel auch auf meinen Körper aus, so dass ich den dringlichen Wunsch in mir verspürte, mich wieder hinzulegen, mir die Decke bis unter das Kinn zu ziehen und liegen zu bleiben, bis mich jemand finden und mit Gewalt aus meiner emotionalen Starre herausreißen, mir wieder Leben einhauchen würde. Denn im Augenblick fühlte ich kein Leben mehr in mir, da war nichts übrig, nur Taubheit.

Doch ich nahm dieses Gefühl einfach an, konfrontierte mich mit seinen hässlichen Auswüchsen und ließ die Schwere des Nichts mich von Kopf bis Fuß durchfluten, solange, bis dieses Gefühl irgendwann von allein verebben, die Lust an mir verlieren und weiter ziehen würde.

Das erinnerte mich an meine Großmutter, die vor Jahren nach Neuseeland ausgewandert war und uns letztes Jahr in ihrer alten Heimat Deutschland besucht hatte. Ich weiß noch, wie wir an diesem noch recht frühen, noch angenehm warmen Septemberabend allein in dem weitläufigen Garten meines Elternhauses, am Ufer des kleinen Naturteichs standen und gedankenversunken die Spiegelungen unserer verschwommenen Gestalten auf der Wasseroberfläche betrachteten. Um uns herum zirpten die Grillen und ein lauer Sommerwind strich behutsam, fast zärtlich durch meine dunkelblonden und ihre silbriggrauen Haare.

Ich konnte ganze Nachmittage an diesem Plätzchen verbringen und mich vollkommen seiner beruhigenden Faszination hingeben, meinen Gedanken ungestört nachhängen, und einfach nur sein, nicht funktionieren. Mein Vater steckte in die Pflege des Teichs sehr viel Zeit und Liebe, um die Bewohner dieses kleinen Tierparadieses heiter und zufrieden zu stimmen. Seine Besonderheit lag in seiner einzigartigen Artenvielfalt, die mich immer wieder aufs Neue in Staunen versetzte.

Meine verspielte Golden Retriever Hündin Leia hatte sich von hinten auf leisen Pfoten an mich herangeschlichen und stubste mit ihrer weichen Nase gegen mein Bein. Ich beugte mich lachend zu ihr herunter und kraulte sie ausgiebig hinter den Ohren, das hatte sie am Liebsten und beschwerte sich, wenn ich es wagte, aufzuhören, bevor sie nicht selbst genug hatte und sich verzog.

Auch auf die Züge meiner Großmutter schlich sich ein Lächeln. Ich kannte niemanden, der Leia nicht sofort beim ersten Aufeinandertreffen auf Anhieb ins Herz schloss, sie war wirklich eine liebe und treue Seele.

Meine Semesterferien neigten sich damals langsam aber sicher ihrem Ende entgegen, und innerlich fürchtete ich mich vor dem Start des neuen Semesters, mein Magen spielte regelrecht verrückt bei der Aussicht. Denn nach vier Semestern Vorklinik standen nun die alles entscheidenden Prüfungen des Physikums vor der Tür. Und die einzige wirklich elementare Frage, die mir penetrant im Kopf herumspukte, war, ob ich nach diesem Semester in die Klinik einziehen würde, ob ich es schaffen würde, die Erwartungen aller zu erfüllen.

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jan 31, 2018 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

SkycatcherWhere stories live. Discover now