2. Kapitel

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Inzwischen war ich an der Straße vor dem Bahnhofsgebäude angekommen und starrte auf den schimmernden Asfalt, der wegen dem Öl bei jedem Sonnenstrahl regenbogenfarben glitzerte. Einen Moment lang spürte ich sogar einen Hauch von Freude, was in meiner Lage nicht selbstverständlich war. Ich musste nachdenken: Mein Dad lebte in Kalifornien. Und wo war ich? Natürlich so weit weg wie möglich: Canada. Ich bräuchte Wochen oder sogar Monate, bis ich dort war. Noch dazu konnte ich keinen Brief schreiben, weil ich erstens nicht genug Geld für Papier, Stift und Briefmarke hatte und hier zweitens sowieso keine Menschenseele war-deshalb auch kein Briefkasten oder Briefträger. Ich lief über die Straße zum Waldesrand und entdeckte eine kleine Gruppe Menschen, die um eine Karte herum saßen. Ich schöpfte Hoffnung und lief armewedelnd zu ihnen. Doch als ich fast bei den sieben Männern war-ich hatte sie gerade erkannt-fiel mir auf, dass es die Mörder meiner Mutter waren. Ich verkniff mir gerade noch einen leisen Schrei und rannte so schnell ich konnte zurück zu der Straße. Doch zu spät! sie hatten mich schon gesehen und rasten mit höchstem Tempo auf mich zu. Ich rannte die Straße entlang bis mir mein Asthma zuvor kam. Ich bekam keine Luft mehr, vor meinen Augen wurde es fleckig und als ich die scharfe Kurve in der immer länger werdenden Straße sah, konnte ich nicht mehr bremsen und sprang ohne genaues zu sehen in den Seitenbach hinein. Meine Arme kratzten an den schroffen Felsen lang und ich klatschte nach zwei Metern Fall in den Bach hinein. Das Letzte was ich sah war die Stromschnelle, die mich hilflos am Flussbett entlang zog.

Ich erwachte und blickte in die glänzenden Baumkronen über mir. Ich wälzte mich auf die Seite um mich hinzusetzen und sah, dass ich am Ende des Baches lag. Nur noch ein dünnes Leitungsrohr führte den Bach weiter in die Tiefe. Ich stand auf und machte mich daran, meine Schrammen und offen klaffenden Wunden zu versorgen. Dazu riss ich ein Stück von meiner Hose ab und band es mir fest um mein linkes Knie. Meine Schrammen spülte ich einfach mit Wasser aus und dann stapfte ich die matschige Seitenböschung aus Schlamm und Kieseln hoch. Ich blickte über ein endloses Feld hinweg, an dessen Rand Bäume wucherten, die über knapp fünf Meter hinauswuchsen. Es war ein atemberaubender Anblick, doch dann fiel mir wieder der Grund dieses Herumirrens ein und ich stiefelte weiter in Richtung Straße, von der ich in der Ferne einen leichten Umriss sah. Ich seufzte. Weit kann es ja nicht sein , dachte ich mit einer Ironie, die man gar nicht beschreiben konnte.

FluchtWhere stories live. Discover now