2.

21 3 3
                                    

Als die Stunde endlich vorbei war versuchte ich so unauffällig wie möglich den anderen zum nächsten Raum zu folgen. Dort angelangt lehnte ich mich an eine Wand und schaute auf den Boden, während ich hoffte der nächste Lehrer würde schnell kommen.
Leider war ich zu neugierig um meine neuen Klassenkameraden überhaupt nicht anzuschauen, deswegen hob ich immer wieder kurz den Blick.
Der Schwarzhaarige von Biologie, Sam, erinnerte ich mich, stand mit dem blauhaarigen Mädchen das neben mir in Bio gesessen hatte ebenfalls etwas abseits. Sie hielten Händchen und das Mädchen redete auf ihn ein.
Die restliche Klasse war ein genauso bunter Mix wie meine Alte. Bisher hatte mich zu meiner Erleichterung noch niemand wirklich beachtet.
Plötzlich bemerkte ich wie Will, der andere von Bio, direkt auf mich zukam.
"Wie heißt du eigentlich?"
Ich war kurz davor in Panik zu geraten aber ich sagte mir, dass ich versuchen sollte nicht schon am ersten Tag der Freak zu werden. "Kieren."
"Kieren?", Will lachte. "Was ist das für ein Name?"
"Meine Mutter ist Amerikanerin", ich versuchte zu lächeln.
"Wo habt ihr denn gewohnt bevor ihr hierher seid?"
Ich schluckte. "In so nem kleinen Kaff in der Nähe von Hamburg."
"Vom kleinem Kaff nach Berlin? Das nenne ich Glück", er grinste andeutungsweise.
Ich überlegte was ich antworten sollte, aber in dem Moment kam ein älterer Mann, der sich als unser Klassenlehrer Herr Ludwig herausstellte, und schloss den Raum auf.
Der restliche Schultag verlief viel besser als ich gehofft hatte, da scheinbar niemand Lust hatte sich mit mir zu unterhalten. "Wenn das jetzt zwei Jahre so geht kann ich die restliche Schulzeit vielleicht überleben", dachte ich.

Als ich nach Ende der Schule in der Straßenbahn saß, versuchte ich mich mit lauter Musik abzulenken. Wir kamen langsam in die schlechtere Gegend in der wir neuerdings wohnten. Wir hatten nie viel Geld gehabt, aber wir hielten zusammen.
Plötzlich lies sich jemand auf den Sitz neben mir fallen, wodurch ich so erschrak, dass ich mein Handy fallen lies und meine Kopfhörer von meinen Ohren gerissen wurden. Als ich sah wer sich neben mich gesetzt hatte fing mein Herz an zu pochen. Es war Sam. Ich war mir nicht sicher was er von mir wollte, aber es war sicher nichts gutes. Deswegen war ich mehr als überrascht als er sich nach meinem Handy bückte und ernst sagte: "Oh Gott sorry, das wollte ich nicht!" Nervös antwortete ich: "Ach, halb so schlimm.."
Ich hasste es, dass ich immer so einsilbig wurde, wenn ich aufgeregt war. Während ich mich ärgerte bemerkte ich, dass Sam mein Handy immernoch in der Hand hatte und auf das Display sah. Bevor er gekommen war wollte ich gerade an einem Gedicht weiterschreiben. Ängstlich schaute ich ihn an, aber anstatt sich über mich lustig zu machen wurde er ziemlich rot als er bemerkte, dass er in meine Privatsphäre eingebrochen war. "Wow, peinlicher kann ich mich wahrscheinlich nicht benehmen", sagte er mit hochrotem Gesicht. Ich hatte nicht gewusst, dass man mit so gebräunter Haut so rot werden konnte. "Das ist wirklich nicht so..", noch während ich herumstotterte sah ich, dass meine Haltestelle erreicht war.
"Ich muss hier raus". Wir starrten uns an. Als wir endlich realisiert hatten, dass wir BEIDE an der Haltestelle aussteigen mussten beeilten wir uns schnell die Straßenbahn zu verlassen.
Ich kam mir vor wie in einem seltsamen Traum, als wir auch noch in dieselbe Richtung liefen. Keiner von uns beiden sagte ein Wort. Es stellte sich heraus, dass wir tatsächlich im selben Haus wohnten.
Wir verabschiedeten uns, ich wusste nicht wem von uns beiden die letzten Minuten peinlicher gewesen waren. Als er sich umdrehte und zum Lift mit den geraden Zahlen ging schaute ich ihm nach und ohrfeigte mich innerlich für mein Verhalten. Wenn ich dieses Jahr in der Klasse noch eine Chance gehabt hätte, dann jetzt zu 100% nichtmehr. Trotzdem war ich überrascht wie Sam mir gegenüber gewesen war.
Erschöpft und verwirrt fuhr ich hoch in unsere Wohnung.

KierenWhere stories live. Discover now