6 | 4. Kapitel

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Narzissa Malfoy merkte ich, außer eines gespannten Zugs in ihrer Mimik, eher weniger von ihren Sorgen an, als sie mich in einen kleinen Salon im Obergeschoss des Malfoy Manors geleitete. Hätte ich das Gespräch letzte Woche nicht belauscht, hätte ich nicht einmal die leiseste Ahnung gehabt, dass etwas sie plagte. Sie sah nicht einmal wirklich müde aus. Ich hingegen hätte im Stehen einschlafen können. 

Mein Gesicht eben im Spiegel war blass gewesen, die lange Narbe auf meiner Wange überdeutlich. Das bisschen Make-Up, das ich aufgetragen hatte, hatte diesen Umstand nicht unbedingt verbessert.

"Hallo, Caitlyn. Es freut mich, dass du gekommen bist." Ein Stuhl am Tisch unter dem großen Kronleuchter scharrte über den Boden und ein hochgewachsener junger Mann kam auf mich zu. Sein blondes Haar war ordentlicher als sonst, sein dunkler Anzug wirkte ungewohnt für mich. Nichtsdestotrotz stand er ihm gut. Selbst sein Hemd darunter war schwarz. "Vielen Dank, Mutter."

Dracos graue Augen fixierten mich, musterten mich von oben bis unten. Sein Blick war so intensiv, dass ich meine Hände in den grünen Stoff meines Kleides krallte und zur Seite zu Narzissa sah, einfach um meine nervöse Atmung zu beruhigen. Das Lächeln, welches sie ihrem Sohn schenkte, war erfüllt von Stolz. "Ich lasse euch beide dann alleine. Filly wird sicherlich gleich so weit sein, das Essen aufzutragen. Guten Appetit und genießt den Abend, Kinder." Im Umwenden streifte sie meinen Arm mit der Hand und nickte mir zu. Es hatte eine seltsam beruhigende Wirkung auf mich.

"Du siehst fabelhaft aus." Ich zuckte nicht zusammen und wurde auch nicht rot, sondern hob selbstbewusst den Kopf. Vorsichtig nahm mein Freund meine Hände in seine und zwang mich so, den angenehm kühlen Stoff meines Samtkleides loszulassen. 

Es reichte bis zum Boden, umfloss meinen Körper in sanften Wellen. Obwohl ich wusste, dass es ein Geschenk meines Ziehvaters für mich war, hatte ich es heute Morgen für zu schön befunden, um es liegenzulassen. Wirklich überzeugt war ich sowieso nicht von der Idee gewesen, mein altes Kleid vom Weihnachtsball noch einmal anzuziehen. Ohnehin befürchtete ich, dass es im Brustbereich inzwischen ein wenig spannen würde. "Warte, bis du den Rückenausschnitt siehst. Er wird dich umhauen." Eigentlich wollte ich mit meinen Worten die Situation ein wenig auflockern, erreichte damit jedoch nur, dass meine Nervosität in neuer Stärke zurückkehrte.

Insbesondere da der junge Malfoy seine Hand in meinen Rücken legte, direkt auf meine nackte Haut. "Komm mit. Lass uns etwas essen." Seine Stimme war ungewöhnlich rau. Verwirrt sah ich zu ihm hoch, blickte ihm in die Augen. Was hatte er vor? "Du kannst mir erzählen, was du in den Ferien bisher gemacht hast." 

"Wie komme ich zu der förmlichen Einladung?", stellte ich eine Gegenfrage und zupfte mein Kleid zurecht, nachdem Draco mir den Stuhl zurechtgerückt hatte. "Was ist überhaupt mit dir los?"

"Ich weiß überhaupt nicht, was du hast." Er versuchte sich an einem Lächeln, fuhr sich mit einer Hand durch den Nacken. "Filly, du kannst auftragen."

Wie von Zauberhand tauchten plötzlich Teller und Schalen zwischen uns auf dem Tisch auf, gefüllt mit den köstlichsten Speisen. Ich konnte einen Anflug von Bewunderung nicht verhindern. Alleine der Duft konnte es locker mit dem Weihnachtsfestessen in Hogwarts aufnehmen. Mein Magen knurrte. 

"Greif zu!"

Zögernd lud ich mir zusätzlich zu einigen Beilagen eines der Steaks auf den Teller. Erst nachdem ich mir ein Stückchen abgeschnitten und in den Mund geschoben hatte, blickte ich auf. "Was ist los?" Ich verkniff es mir, nach einer der Strähnen aus meiner Hochsteckfrisur zu greifen und mit ihr zu spielen. Er konnte mich unmöglich die gesamte Zeit angeschaut haben, schließlich befand sich auch auf seinem Teller Essen.

"Nichts." Es klang gedankenverloren. Was war nur los mit ihm? Erst die formelle Einladung, das Kerzenlicht und nun sein rätselhaftes Verhalten. Fast könnte ich wetten, dass er ebenso nervös war wie ich. "Ich habe gehört, du hast endlich einen neuen Zauberstab?"

Ich neigte den Kopf. "Ja." Mit den Gedanken war ich ganz ähnlich wie er nicht unbedingt bei der Sache. Wer befand sich momentan noch in Malfoy Manor? Nur schwerlich konnte ich den Gedanken streichen, dieses Treffen hinge möglicherweise mit einem Vorzug der Pläne des dunklen Lords zusammen. "Ebenholz mit Drachenherzfaser. Zwölf dreiviertel Zoll, geschmeidig. Er passt perfekt zu mir. Ich würde vielleicht so weit gehen und sogar sagen, dass er besser gehorcht als mein Haselstab."

"Das ist gut."

Ich hob eine Augenbraue und schenkte mir etwas Wasser nach. "Du hast doch irgendetwas, Draco. Sag schon. Nur weil ich dich die gesamten Ferien nicht gesehen habe, heißt das nicht, ich hätte verlernt, deine Handlungen zu deuten." Dass er manchmal in Wahrheit eher ein Buch mit sieben Siegeln für mich war, musste ich ihm ja nicht auf die Nase binden.

"Deine Wange." Ich seufzte bei seinem plötzlich wieder ernsten Tonfall. "Ich verstehe nicht, wie meine Tante dir das antun konnte."

Um mich vor einer umgehenden Antwort zu retten, schob ich mir eine Bratkartoffel in den Mund. Für den Moment musste ich darüber nachdenken, wie ich ihm antworten sollte, ohne zu unhöflich zu sein oder womöglich zuhörenden Ohren Informationen gegen mich zu geben. "Persönlich habe ich mich damit abgefunden, wie auch du gut daran tätest. Sie dient als Erinnerung für mich."

"Eine Erinnerung?" Er trank einen Schluck aus seinem Glas. "Woran?"

"Für wen, für was ich kämpfe." Ich schluckte. "Kann es sein, dass du mir etwas verschwiegen hast, Draco?"

Seine Gabel stoppte auf halbem Weg zum Mund. "Wieso sollte ich?"

Ich scharrte die letzten Kartoffelreste auf meinem Teller zusammen und zwang meine Lippen zu einem amüsierten Lächeln. "Du bist ein schlechter Lügner."

Klappernd legte er sein Besteck zurück auf seinen Teller. "Ich hatte nicht vor, dieses Thema während des Dinners anzuschneiden." Es klang abweisend, allerdings ahnte ich, was der eigentliche Grund für diese Worte war. Schon in Hogwarts hatten wir uns im Laufe des letzten Jahres schwergetan, uns darüber zu unterhalten. Aus diesem Grund schwieg ich, wartete. "Aber da wir nun ohnehin fertig sind. Willst du mich vielleicht hinausbegleiten? Etwas frische Luft täte uns beiden sicher gut."

"Wir werden nicht auf unterschiedlichen Seiten stehen", sagte ich und lehnte mich draußen mit dem Rücken ans Geländer. Der laue Abendwind schwächte die Wärme der Sonnenstrahlen ab und ließ mich frösteln. "Ich weiß, dass du nun in seinen Reihen stehst. Deshalb mache ich dir keine Vorwürfe."

Draco stimmte mit leisem Murmeln zu, doch irgendwie hatte ich den Eindruck, er hätte mir nicht richtig zugehört. Schon seit wir die Tür zum Balkon passiert hatten, schien er nicht ganz bei der Sache. Noch fahriger und nervöser als vor dem Abendessen. Dauernd nestelte er an seinen Manschettenknöpfen herum, zupfte sogar einmal am Kragen seines Hemdes. Es ging so weit, dass ich misstrauisch einen Blick über die Schulter hinunter in den Garten warf. Wenn jetzt der dunkle Lord um die Ecke käme, hätte es mich nicht im mindesten gewundert. Wenigstens hätte ich dann eine Erklärung für Dracos Verhalten.

"Du kannst mir nicht erzählen, es wäre nichts, Draco. Raus mit der Sprache!"

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Anbei die Stabbedeutung (Frei von Pottermore übersetzt und übernommen.)

Ebenholz = Das Holz birgt eine eindrucksvolle Erscheinung und bringt einen ebenso guten Ruf mit sich. Es ist sehr gut für jegliche Art von Kampfmagie und Verwandlung geeignet, wobei es am besten zu jenen passt, die mutig genug sind, zu sich selbst zu stehen. Häufig unangepasst, sehr individuell oder zufrieden mit dem Status eines Außenseiters, können Besitzer eines Ebenholzstabes sowohl in den Reihen des Ordens als auch in den Reihen der Todesser gefunden werden. Nach Erfahrungen Mister Ollivanders sind Ebenholzstäbe die perfekten Partner für jene, die, ungeachtet äußeren Drucks, fest zu ihren Überzeugungen stehen und nicht einfach von ihnen abschwanken.

Drachenherzfaser = Sie erzeugen die mächtigsten Stäbe, die nicht selten zu außergewöhnlicher Magie fähig sind. Normalerweise lernen diese Stäbe schneller als andere und haben eine enge Verbindung zu ihrem Besitzer. Er kann am einfachsten den dunklen Künsten zugekehrt werden und neigt aufgrund seiner temperamentvollen Art eher zu Unfällen.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWhere stories live. Discover now