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Der blonde Sucher der Hufflepuffs stürzte sich urplötzlich in die Tiefe, worauf der Slytherin Sucher, der glaubte, sein Gegner hätte den Schnatz gesichtet, versuchte ihm zu folgen. Scharf riss der Blonde sich aus dem Sturzflug heraus, der Slytherin trudelte weiter in die Tiefe, während er wiederum blitzschnell in die Höhe raste.

Für einen kurzen Moment verharrte er in der Luft, bis er ihn sah. Der Schnatz glitzerte hoch über dem Feld auf der Seite der Slytherins. Doch nicht nur er, auch sein Gegner hatte den kleinen, goldenen Ball mit Flügeln, der orientierungslos herumschwirrte, entdeckt. Fast gleichzeitig legten sie los, der Slytherin war viele Meter unter dem Hufflepuff. Der Blonde beugte sich tief über seinen Besen, fixierte den goldenen Schimmer. Diesmal würde er gewinnen, jede Sekunde kam er näher auf den Schnatz zu...

Mit voller Wucht rammte ihn etwas in die Seite, fast hätte er das Gleichgewicht verloren und wäre gestürzt. Gerade noch rechtzeitig klammerte sich der Blonde an seinem Besen fest, der durch die Wucht einen kleinen Schlenker zur Seite machte. Keuchend versuchte er den Angreifer auszumachen, da schoss auch schon der Sucher der Slytherins mit einem hämischen Grinsen an ihm vorbei. Ohne einen weiteren Moment abzuwarten jagte der Blonde ihm hinterher, den goldenen Schnatz wieder klar im Visier. Der Wind pfiff in seinen Ohren, wie durch Watte hörte er die anfeuernden Schreie der Hufflepuffs von der Tribüne, der goldene Fleck schien immer näher zu kommen und schon war er wieder Seite an Seite mit dem Sucher der Slytherins, der diesmal aber viel zu konzentriert war, um ihn zu rammen.

Der blonde Sucher löste eine Hand vom Besenstiel und griff blitzartig zu. Er spürte den kalten Schnatz zwischen seinen zusammengeballten Fingern und fast gleichzeitig ertönte der erlösende Pfiff und die Hufflepuffs brachen in ohrenbetäubendes Jubeln aus.
Die Stimme des Kommentators hallte in fünffacher Lautstärke über das Quidditchfeld: "Adrien Agreste hat den Schnatz gefangen! Hufflepuff gewinnt mit 50 Punkten Vorsprung vor Slytherin!"

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Auf der Tribüne der Slytherins war die Stimmung gewaltig in den Keller gesunken. Waren sie sich gerade noch sicher gewesen, ihr Sucher würde den Schnatz fangen und den Sieg sichern, so waren sie jetzt mehr als überrascht und wütend. Noch nie hatten die Slytherins so haushoch gegen Hufflepuff verloren!

Einzig und allein eine Slytherin freute sich insgeheim über den Sieg der Hufflepuffs. Ein schwarzhaariges Mädchen mit blauen Augen saß etwas abseits von ihren Hauskameraden und beobachtete mit einem verstohlenen Lächeln das Geschehen auf dem Spielfeld. Adrien war mittlerweile wieder auf dem Boden und wurde von seinen Teamkollegen umschwärmt, die ihm für seinen gelungenen Fang gratulierten. Immer wieder klopfte ihm jemand anerkennend auf die Schulter. Ein Mädchen mit braunen Haaren und Brille, eine der Jägerin von Hufflepuff namens Alya Cesaire, drückte ihm vor Freude sogar einen Kuss auf die Wange. Augenblicklich wand das Mädchen auf der Tribüne den Blick ab. Etwas tief in ihrem Inneren krampfte sich bei diesem Anblick schmerzhaft zusammen. Marinette wollte es sich nicht eingestehen, doch es war nunmal so. Sie, eine muggelstämmige Slytherin mit der niemand etwas zu tun haben wollte, war in Adrien Agreste, einen Hufflepuff und glänzenden Quidditchspieler verliebt. Obwohl sie noch nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte.

Ein leises Seufzen verließ ihren Mund, als sie ihren Blick wieder unauffällig auf Adrien richtete, der sich jetzt durch die verschwitzten Haare fuhr und den Hufflepuffs auf der Tribüne zuwinkte.
Wie sehr sie sich doch wünschte, dass er ihr mit diesen vor Stolz glänzenden Augen und diesem glücklichen Lächeln zuwinken würde. Chloe würde sie entgültig umbringen, würde sie von Marinettes Gefühlen, die sie heimlich für den Team Kaptain der Hufflepuffs hegte, erfahren. Und auch die anderen Slytherins würden einen weiteren Grund haben, sie fertigzumachen.

Obwohl Marinette im sechsten Jahrgang war, besuchte sie Hogwarts erst seit Anfang des fünften Jahres. Früher war sie auf Beauxbatons, einer Zaubererschule in Frankreich, gewesen, jedoch hatte sie sich dort nie richtig einleben können, worauf man sie schließlich nach Hogwarts geschickt hatte. Damals hatte sie gehofft, dass sie in der neuen Schule richtige Freunde und ein zweites Zuhause finden würde. Jedoch verlief dann alle ganz anders. Als erste, muggelstämmige Hexe wurde sie nach Slytherin einsortiert, wo sie sofort zur Zielscheibe wurde. Da sie eine offizielle Slytherin war, war es fast unmöglich Freundschaften mit Leuten aus anderen Häusern zu schließen. Der gegenseitige Häuserhass war einfach noch zu stark. Somit wurde Marinette nicht nur von ihren eigenen Hauskameraden ausgeschlossen und verachtet, auch die anderen schienen nicht gut auf sie zu sprechen sein. Die Ravenclaws mochten sie aus dem Grund nicht besonders, da sie, eine Slytherin, Jahrgangsbeste war. Die Hufflepuffs hielten sich generell von den Slytherins fern und zwischen Gryffindor und Slytherin herrschte sowieso schon ewig eine gefährliche Spannung.

Ein leises Gurren riss Marinette aus ihren Gedanken. Als sie den Kopf drehte, erkannte sie Tikki, ihre kleine Eule und einzigste Freundin in Hogwarts. Die Eule legte ihren Kopf in Marinettes Schoß und verlangte nach Streicheleinheiten, worauf das Mädchen der Bitte nachkam. Gedankenverloren strich sie durch das rötliche Gefieder der Eule und kraulte leicht ihren kleinen Kopf. Tikki war nicht nur eine äußerst verschmuste Eule, sondern hatte auch eine sehr eigenartige Farbe. Ihre Federn waren in einem, für Eulen sehr ungewöhnlichen rot-braun Ton und auf ihren Kopf befand sich ein schwarzer Punkt. "Na hast du dir das Spiel von oben angesehen?", kicherte Marinette und fuhr sacht über den Rücken der kleinen Eule.

Erst als Marinette wieder aufblickte, bemerkte sie, dass sie als einzigste Slytherin noch auf der Tribüne saß. Die Hufflepuffs befanden sich entweder auf dem Feld, oder waren schon hinauf zum Schloss gegangen, um die Siegesfeier vorzubereiten. Schließlich stand sie auch widerwillig auf und warf Adrien, der jetzt von seinen Teamkollegen begleitet, in Richtung der Umkleiden ging, einen letzten, sehnsüchtigen Blick zu.

Als sie die Treppen zur Tribüne hinunterstieg kam ihr plötzlich ein spontaner Einfall. Wieso sollte sie Adrien nicht zu seinem gelungenen Spiel gratulieren? Dann wüsste er immer hin, dass sie existierte und würde sehen, dass, nur weil sie in Slytherin war, keinen Wert auf Gemeinheiten und Hinterhältigkeit legte. Sie würde das jetzt durchziehen, was war schon dabei? Statt nach rechts den Weg zum Schloss zu gehen, schlug Marinette den Weg in Richtung Hufflepuff Umkleideräume ein. Doch mit jedem Meter den sie ging, verließ sie ihre vorher gewonnene Zuversicht wieder und sie zögerte. Sollte sie nicht doch lieber einfach wieder umdrehen?

Doch bevor sie sich anders entscheiden konnte, kam ihr Adrien persönlich, in Begleitung von dieser Alya, einem dunkelhäutigen Jungen, in dem Marinette den Hüter der Hufflepuffs erkannte, und drei anderen aus seinem Haus, entgegen. Augenblicklich blieb Marinette wie angewurzelt stehen. Jetzt war es definitiv zu spät für einen Rückzug. Das ausgelassene Gelächter der sechs Hufflepuffs erlosch augenblicklich, als sie Marinette bemerkten, die nur wenige Meter von ihnen entfernt stand. Misstrauisch beäugte das braunhaarige Mädchen Marinette von oben bis unten, bis ihr Blick an dem Slytherin Abzeichen hängen blieb und sich ihre Miene verfinsterte. "Was willst du hier? Das sind die Hufflepuff Räume, da haben Schlangen nichts zu suchen!" "I-ich...", begann Marinette verunsichert, wurde aber im gleichen Moment erneut von Alya unterbrochen. "Warte... Hat dich Bourgeois geschickt? Sollst wohl unsere neuesten Spieltaktiken herausfinden, was?" Mit verschränkten Armen stellte sich die Hufflepuff vor die Slytherin und bedachte diese mit einem lauernden Blick. Nach Marinettes Meinung hätte dieses Mädchen perfekt nach Gryffindor gepasst.

"Alya, jetzt lass sie doch erstmal ausreden", beschwichtigte der dunkelhäutige Junge seine Teamkameradin und legte ihr eine Hand auf die Schulter, die sie aber sofort wieder abschüttelte. "Das lass ich doch! Sie soll einfach sagen, was sie hier will!" Bei dem letzten Satz sah Alya Marinette abwartend an. Diese wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als im Erdboden zu verschwinden und nie wieder aufzutauchen. Auch Adrien, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte, sah sie fragend an und sie spürte wie ihr die verräterische Hitze in die Wangen stieg. Eilig senkte sie ihren Blick, murmelte irgendwas von 'verlaufen haben', drehte sich ruckartig um und flüchtete mit rotem Kopf Richtung Schloss.

Erst als Marinette sich sicher war, dass sie außer Sichtweite war verlangsamte sie ihre Schritte und lehnte sich schließlich atemlos an den dicken Stamm eines Baums. Frustriert schloss sie die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Sie hatte sich komplett vor Adrien und seinen Freunden blamiert. Wieso war sie nur so dämlich? Wieso hatte sie den Hufflepuffs nicht einfach ganz normal zu ihrem gewonnen Spiel gratulieren können? Marinette spürte, wie ihre Augen gefährlich zu jucken begannen. Sie würde jetzt nicht mitten auf dem Weg anfangen zu heulen! Die Slytherin blinzelte die aufsteigenden Tränen weg, drückte sich von dem Baumstamm ab und ging eiligen Schrittes zurück zum Schloss.

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