Eine Reise endet

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Die Sonne prallt herunter auf das morsche Holz, der kläglich und ursprünglich übergangsweise platzierten Holzdielen, die durch das Salzwasser schon Krusten tragen und bei jeder Belastung einzubrechen drohen. Die Luft ist erfüllt von einem Geruch, welcher dominiert wird vom beißenden und doch wohltuenden Meeresduft, untermauert vom Schweiß der Männer, die unter praller Sonne ihr Werk verrichten, und mit einem leichten Hauch Schwarzpulver garniert wird, welcher entweder von den Kanonen herrührt oder durch ein Leck in den Pulverfässern entstand, was durch das ständige hin und her rollen früher oder später eintreten muss. Das Deck ist von Leben erfüllt, ein Bursche, manche erst 16 Jahr alt, nach dem Anderen läuft umher und verrichtet Arbeiten, wie das Verrücken von Kisten oder dem Präparieren der Bordwaffen. Und doch, obwohl alle quer durcheinanderlaufen und kurz davor scheinen sich zu stoßen, hört man außer einem leisen Pfeifen, was auf schiefe Weise und mit viel Fantasie ein Shanty bildet, und einem gelegentlichen Rappeln von Fässern, Kisten, Waffen und Seilen, nichts. Alles wirkt wie gesteuert von einem Fadenspieler und inmitten dieses Systems aus Schweiß, Muskeln, rauer Luft und morschem Holz steht ein Mann in der prallen Sonne. Ein Mann, so unbedeutend wie ein jeder hergelaufene Bettler, aber doch mit einer Ausstrahlung, die seines gleichen sucht.

Zombart lässt den Blick über seine Crew schweifen und setzt dabei ein Lächeln auf, was die Macht der Seeluft widerspiegelt. Einerseits ist dieses Lächeln dazu verdammt dir im Angesicht deines Todes entgegen zu strahlen, andererseits ist es genau dieses Lächeln, diese Bewegung der Mundwinkel und die Entblößung der gelben, doch für einen Mann dieser Zeit reinlich wirkenden, Zähne, das dafür gesorgt hat, dass er jetzt steht, wo er steht und der Grund, weshalb ihm die stärksten Männer unterwürfig zu Füßen liegen.

„Welch ein Tag uns heute wohl erwarten wird?" – sagt Zombart während er das Salz der Luft durch seine Lungen gleiten lässt – „Die Crew scheint ja schon fleißig am Arbeiten zu sein. Kennt man von diesen faulen Hunden normalerweise nicht. Doch was ist dieser Geruch?" Im Monolog vertieft bemerkt Zombart den Geruch des Schwarzpulvers, welcher in den letzten Minuten sich verstärkt hat und tritt vor zu dem ehemaligen Kadetten, der gerade ein Fass mit genau dem Pulver vor sich her rollt. „Mein Junge, zeig mal das Fass her. Der Geruch eines Lecks zieht ja über alle Inseln von Piro rüber." – Der junge Pirat verstand nicht so recht, was Zombart meinte und gab ihm das Fass. Dieses stellte sich als gewöhnliches Obstfass heraus, was gefüllt war mit den schon halb verdorrten Essensresten, die die Mannschaft von ihrem letzten Raubzug erbeutet hatten. Voll Verwunderung untersucht Zombart das falsch markierte Fass: „Irgendwas stimmt hier nicht. Mein Junge, wo hast du dieses..." – Doch als Zombart sich umdrehte schaute er schon in den Lauf einer Arkebuse in der Hand eines seiner Crewmitglieder. „Was soll das hier ihr meuternden Schweine?" – Noch während er dies ausruft ergreift der Rest der Crew kleine und große Feuerwaffen, welche versteckt waren in Hosenbündeln und weiten Jacken, und zielen auf seinen Kopf. Jetzt weiß er woher der verstärkte Geruch von Schwarzpulver herkam. Doch bevor er sich einen Überblick über die Situation machen konnte, spürte er einen dumpfen Schlag am Hinterkopf. Dieser breitet sich im Bruchteil einer Sekunde zu einem stechenden Schmerz aus, der sich durch seine Schädeldecke zieht, wie ein Blitz, welcher vom Himmel runter auf das Schiff donnert und selbst die stärksten Männer zum Fall bringen konnte. Genau das geschah nämlich mit Zombart. Er fällt, aber spürt den Aufprall nicht mehr, denn schon davor wird er umhüllt von einer undurchdringbaren Dunkelheit.

Als er aufwacht klingt in seinen Ohren das Geräusch der Insekten, die er noch letztes Frühjahr auf seiner Heimatinsel gesehen hatte und er spürt eine sanfte Umarmung, die ihn berührt, wie der sanfte Druck einer Mutter, die ihr Kind zu Hause hieß. Doch langsam kommt er immer mehr zu Bewusstsein und realisiert, dass das Summen der Insekten nur das Brummen in seinem Kopf war und die Umarmung eigentlich nur ein paar Hanfseile sind, die um ihn drumgewickelt wurden. Geblendet vom Licht schaut er hoch und findet sich auf seinem Schiff wieder. Er sitzt am Rand mit dem Rücken zum Meer und blickt seinen Leuten ins schmierige verräterische Gesicht. „Deine Gier mussten wir lang genug ertragen, ständig nur halbfaules Obst zu essen, nicht einmal gescheiten Rum haben wir. Und das Schiff? Du hättest schon längst ein besseres haben können, du müsstest es nicht mal kapern bei den Mengen Gold, die du schon erbeutet hast! Aber nein, du sitzt lieber hier im Drecksloch und lässt uns arbeiten, während es dir gut geht. Also, wo ist der verdammte Schatz, wo hast du unser Gold versteckt?" Die Sätze brennen sich in das Gehirn von Zombart. Gier. Gold. Rum. Alles was er hörte beleidigt ihn. War seine Crew schon so weit gesunken, den eigenen Kapitän für ein bisschen Metall zu verraten? Hat er sie denn nicht alle von klein auf aufgezogen und behandelt als wären es seine Kinder? Er war mehr als ein Kapitän und diese Crew war mehr als eine Crew. Die Crew waren seine Kinder und er war der Vater, zumindest sagte ihm das sein von Raub und Mord verseuchtes Hirn. „Für eine Handvoll Dirnen würdet ihr selbst eure eigene Mutter hinrichten, was? Soll mir recht sein. So eine Crew verdient keinen Kapitän. Ihr wollt das Gold finden? Tja, dann müsst ihr wohl erst mich finden!" Mit einem Ruck nach hinten fällt Zombart seitlich von seinem Schiff runter und ehe seine Crew noch reagieren konnte, versinkt er auch schon im tiefen Schwarz der See. Zombarts Gedanken kreisen. Es war sein sicherer Tod. Gefesselt schwebt er im Wasser, umgeben von dem ausströmenden Blut der Wunde, die sein Hinterkopf ziert, schließt er die Augen und akzeptiert, dass seine Reise wohl nun endgültig vorbei war.

Piro - Die Abenteuer von ZombartWhere stories live. Discover now