31.

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Unbekannt P.O.V

Reglos stand ich dort.
Mein brauner Wolfspelz aufgeplustert  gegen den Schneesturm um mich herum.
Mein starrer Blick war, einige Meter von mir entfernt, auf die Risse und Löcher in der vereisten Schicht über der Schlucht gerichtet.
Vorsichtig setzte ich eine Pfote nach der anderen, um dem Abgrund langsam näher zu kommen.
Vor einigen Herzschlägen war daraus noch lautes Winseln und Jaulen zu hören gewesen.
Das Eis knackte gefährlich unter meinem Gewicht.
Dennoch spähte ich in die Tiefe.
Leicht konnte ich am Grund der Schlucht einen schlaffen weißen Körper ausmachen , der mit dem Schnee um ihn herum zu verschmelzen schien.
Schuldgegühle gruben sich in meine Seele.
Schwer schluckte ich.
Ich wollte der Wölfin doch nur helfen.
Sie hatte etwas an sich , das mich an etwas erinnerte.
Das mich an meine Kindheit erinnerte.
Ihr Geruch , ich kannte ihn.
Hör auf so dumm rum zu stehen, Ryan!
Vielleicht ist sie noch am Leben!
Ja ja ja , Hunter...
Ich nahm wieder einige Meter Abstand von den Klippen, sodass ich wieder auf sichereren Boden stand.
Zielstrebig lief ich immer weiter parallel zur Schlucht.
Es schien , als würde ich unendlich weit gelaufen sein, als ich das entdeckte was ich mir erhofft hatte.
Die Tiefe der Schlucht nahm immer mehr ab , sodass ich nun leicht die Eiswand hinunterkraxeln konnte.
Zwar war es immer noch hoch , aber es war zu bewältigen.
Ich stieß mich von dem Eis ab und landete laut knirschend im Schnee.
Hier war es fast windstill , nur weiße , große Flocken segelten zum Grund der Klippen hinab.
Mit unbehaglichem Gefühl Schritt ich voran und ging die gesamte Strecke welche ich soeben hinter mich gebracht hatte , noch einmal zurück. Diesmal aber in der Schlucht und nicht oben an den Rändern dieser.
Die Eiswände ragten zu beiden Seiten empor.
Von oben sah es zwar ziemlich tief aus, doch hier unten könnte man meinen , das es doppelt so hoch hinauf ging.
Die Wände schienen so als würden  sie  immer näher heranrücken.
Reiß dich zusammen!
Ich schüttelte mich und beschleunigte meine Schritte.
Irgendwann erkannte ich ein Stück vor mir einen zusammengesunkenen Fellball.
Der weiße Wolfspelz bebte sachte in der eisigen Brise die hier unten wehte.
Vor der Werwölfin blieb ich stehen.
Besorgt schnupperte ich an ihrem Körper.
Vorsichtig stupste ich die Wölfin an.
Sie fühlte sich kalt an.
Kaum ein Hauch von Wärme.
Mir wurde es ganz flau im Magen als ich den roten Schnee unter ihr hervorblitzen sah.
Ein kräftiger Schauer lief mir den Rücken entlang.
Sanft hob ich sie mit meinem Kopf an.
Mit Leichtigkeit rollte ich sie auf die andere Körperhälfte und zerrte sie ein wenig weiter weg von der Stelle,  auf der sie aufgekommen ist bei ihrem Sturz.
Ihr Fell , das auf der anderen Seite so rein und weiß war , glänzte auf der anderen Seite in einem dunklem scharlachrot.
Zwei größere Wunden fielen mir ins Auge.
Ich sah zu der Stelle , wo sie zuvor gelegen hatte.
Blut war tief in den Schnee gesickert.
Mitten drin ragten ein paar Eiszacken heraus , die von der dicken Schicht Schnee , die über der Schlucht gewesen war , heruntergefallen sein mussten.
Mitleidig wand ich mich wieder zu der Wölfin.
Hoffnungsvoll presste ich mein Ohr an ihren Brustkorb.
Bitte Mondgöttin...lass mich einen wenigstens minimalen Herzschlag hören.... Bitte.
Ich vergaß fast zu atmen , so angespannt war ich.
Bitte...Nur ein kleines Lebenszeichen...
Und da hörte ich es plötzlich.
Es war minimal.
Ganz leise und unregelmäßig.
Ein immer wieder stockendes kleines Pochen.
Oder war es doch nur Einbildung?
Aufgeregte lauschte ich erneut.
Doch das Pochen war noch immer da.
Es war kaum wahrzunehmen , aber wenigstens etwas.
Erleichtert schüttelte ich meinen Pelz.
Meine sorge um sie nahm etwas ab.
Bist du doof?!
Ihr Herz kann jeden Moment aufhören zu schlagen und du stehst hier tatenlos herum! Beweg dich, trag sie zu unserer Höhle und mach das sie wieder auf die Pfoten kommt!
Ja gut. Gerade war ich wirklich leichtsinnig... ausnahmsweise hast du recht.
Ich habe immer Recht.
Und jetzt marsch!

Ich schob mich unter sie sodass sie auf meinen Schultern lag.
Vorsichtig hievte ich mich wieder auf die Pfoten.
Ihr Körper hing schlaff zu meinen beiden Seiten hinunter.
Sie wog kaum mehr als eine Feder!
Mühelos schaffte ich den gesamten weg wieder zurück aus der Schlucht.
Oberhalb der Klippen peitschte mir wieder der eisige Wind ins Gesicht.
Doch ich lebte schon so lange hier das es mir mittlerweile gleichgültig war.
Ich schlug den Weg in den Wald wieder ein.
Dort befand sich nämlich in der Nähe meine Höhle.
Sie befand sich auf einem Hang in einem Hohen Fels und führte tief in das Erdreich hinein , mehrere Abzweigungen führten entweder zu irgendwelchen Kammern.
In solchen lagerte ich Holz , Felle, Nahrung oder sie dienten mir einfach zum schlafen.
Auf dem hohen Felsen,in dem sich der Eingang zu meiner Höhle befand, konnte man klettern und alles beobachten.
Die Stadt, Tiere und alles mögliche.
Während ich weiter an irgendwelche Dinge dachte, erreichte ich schon den Hang zur Höhle.
Ich kraxelte ihn hinauf , immer darauf bedacht das die verletzte Wölfin nicht von meinem Rücken fiel.
Erschöpft , von dem vielen Gelaufe heute, kam ich an dem Eingang an.
Mit schweren Gliedern tappte ich in das dunkle Loch.
Nachdem ich einige Zeit geradeaus lief, betrat ich die Haupthöhle.
Hier brannte noch immer das Feuer von vorhin und erhellte den Raum.
Die Wärme löste eine wohlige Gänsehaut bei mir aus.
Etwas entfernt von den Flammen lagen einige  Tierfelle , langsam ließ ich die Wölfin auf ihrer unverletzten Körperseite auf diese nieder.
Die Felle , von erbeuteten Tieren , würden ihr zusätzlich Wärme spenden.
Behutsam legte ich mich, noch immer in Wolfsgestalt, dicht an ihren Rücken.
Für längere Zeit betrachtete ich sie genauer.
Dann legte auch ich meinen Kopf auf meine Pfoten.
Nachdenklich starrte ich die Wand mir gegenüber an.
Dort befanden sich die vielen Tunnel die zu den unterschiedlichsten Kammern führten.
Ich weiß nicht wie viele Jahre ich hier bereits verbracht hatte.
Doch zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich nicht mehr so einsam.
Ihr verwirrend vertrauter Duft umhüllte mich.
Er weckte in mir wunderschöne aber auch grausame Erinnerungen.
Ich konnte mich erinnern , wie meine machtgierige Mutter meinen Vater Umbrachte.
Wie sie mich umbringen wollte.
Ich spürte die Verzweiflung und Furcht die ich damals verspürt hatte , als ich ihr entkam und flüchtete.
Ich erinnerte mich an die vielen ungepflegten und herzlosen Wölfe die sie einst auf das Rudel meines Vaters losließ , nachdem sie ihn getötet hatte.
Sie alle waren ohne einen Alpha quasi hilflos.
Während sie sich allesamt bekämpften, wollte meine Mutter mich töten.
Und da war noch etwas.
Jemand der mir so nahe stand.
Doch er wollte nicht mehr in mein Gedächtnis.
Ich erhob erneut meinen Kopf und starrte den regungslos Körper neben Mir an.
Wer bist du?
Warum weckt dein Geruch und nicht du selbst so viele Gefühle und Erinnerungen in mir?
Warum?
Warum habe ich so ein Bedürfnis immer nach dir zu schauen?
Wieso habe ich so angst das dir etwas passiert?

 My Gruesome MateWhere stories live. Discover now