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Der Deutsch-Unterricht am Montag ist ohne Saras Anwesenheit um einiges friedlicher. Mia weiß nicht so recht, wie sie sich ohne ihre Anführerin verhalten soll und starrt die meiste Zeit mit leerem Blick auf Saras Platz. Endlich kann ich mich etwas entspannen und beginne sogar, Spaß an der Stunde zu haben.

Kim und Tima wirken heute entspannter als am Freitag und sie sprechen das Thema Jason nicht an, aber trotzdem mache ich mir Sorgen, wann sie wohl nachfragen werden. Um den Lügen aus dem Weg zu gehen, spreche ich möglichst wenig mit den beiden und begebe mich beim Sportunterricht sofort zu Jason und biete mich unauffällig als seine Tanzpartnerin an. Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, meinen Freundinnen die Wahrheit zu verschweigen, aber gleichzeitig kann ich Jason nicht in Gefahr bringen.

Dieser scheint erfreut zu sein, als ich freiwillig beginne, mit ihm zu tanzen. Wir fangen in dieser Stunde mit einem neuen Tanz an. Während Jason den Tango erklärt und mit mir vorführt, konzentriere ich mich nur auf die Schritte und nicht auf mein schlechtes Gewissen Kim und Tima gegenüber. Nach einer Zeit beginnen auch die anderen Paare zu tanzen und Jason und ich werden nicht mehr beobachtet.

„Können wir nachher noch einmal reden?", frage ich ihn und er mustert mich interessiert.

„Natürlich können wir das." Auf seinen Lippen erscheint ein Grinsen. „Hast du dich doch in mich verliebt?"

Ich verpasse ihm einen Klaps auf die Schulter. „Natürlich nicht."

Er lächelt. „Hey, war nur ein Scherz." Dann beugt er sich ein Stück weiter zu mir vor und flüstert mir etwas ins Ohr: „Auch wenn ich nichts dagegen hätte."

Ich bekomme eine Gänsehaut und drehe meinen Kopf von ihm weg. Er lacht wieder. „Keine Angst. Ich ärgere dich nur, Nixe." Dann sieht er mich wieder etwas ernster an. „Wenn du willst, hör ich damit auf."

Kopfschüttelnd zwinge ich mich, ihm in die Augen zu sehen. „Das glaub ich dir nicht." Plötzlich muss ich kichern. „Solange du mich nicht wieder mit diesem Blick anstarrst, soll es mir egal sein."

Er zieht eine Augenbraue hoch. „Mit welchem Blick?" Während er mich fragt, sieht er mir schon wieder in die Augen und scheint es nun auch selbst zu merken. „Oh." Er lacht. „Ich werde mich ab jetzt unter Kontrolle halten." Trotzdem hört er nicht auf, mich anzustarren.

Nach der Stunde zögere ich das Umziehen wieder so lange heraus, dass Kim und Tima vor mir das Gebäude verlassen. Sie sind außerdem viel zu sehr mit sich selbst und anscheinend mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, als dass sie sich nach Jason erkundigen würden. Trotzdem wirft mir Kim einen fragenden Blick zu, als ich meine Schuhe im Schneckentempo zubinde. Ich lächle sie an und etwas verwirrt wendet sie sich ab. Meine Schuldgefühle türmen sich langsam zu einem riesigen, unbesiegbaren Berg auf, aber ich höre auf mein Bauchgefühl, dass mir sagt, dass ich niemandem von Jasons Geschichte erzählen sollte.

Er wartet auf mich und ich presse mich neben ihm in unseren kleinen Raum.

„Ich habe einen Vorschlag", platze ich heraus, sobald ich die Tür hinter uns geschlossen habe.

„Schieß los", sagt er, doch ich kann an seinem Blick erkennen, dass er nicht sehr optimistisch ist.

„Meine Eltern sind Rechtsanwälte", sage ich langsam und deute ihm mit der Hand, mich ausreden zu lassen. „Ihnen könntest du vertrauen und sie könnten dir helfen, aus dem ganzen Mist herauszukommen. Niemand würde dich verurteilen."

Er lässt sich auf einen Stuhl fallen und seufzt. „So nett das gemeint ist, aber...ich glaube nicht, dass das gut für mich ausgehen würde."

„Wieso?" Ich setze mich auf den anderen Stuhl.

„Weil ich noch in ein paar andere Straftaten verwickelt war." Er blickt an die Decke. „Wenn sie mich dafür drankriegen, dann..." Er stockt. „Außerdem macht dann die gesamte Gang Jagd auf mich. Das kann ich wirklich nicht tun."

Ich verschränke meine Arme und lehne mich zurück. Was hat er nur getan, wofür er mit einer härteren Strafe als für den Drogenhandel rechnet? „Was hast du gemacht?", platze ich heraus. „Was für Straftaten meinst du?"

Unruhig rutscht er auf seinem Stuhl herum und steht plötzlich auf. Er wendet sich von mir ab und lehnt sich an die Wand. „Warum...ist das so wichtig?"

Weil ich gerne wissen möchte, für wen oder was ich gerade dabei bin, Gefühle zu entwickeln, möchte ich ihm antworten. Stattdessen sage ich: „Wenn ich dir helfen soll, dann will ich die komplette Wahrheit wissen."

„So einfach ist das nicht", entgegnet er und reibt sich nervös sein Kinn. „Und du sollst mir nicht helfen. Ich habe dir das ganz sicher nicht erzählt, damit du dich einmischst und in Gefahr bringst." Er schüttelt den Kopf und beginnt, wie ein Tiger auf und ab durch den kleinen Raum zu schleichen. „Die ganze Sache ist zu gefährlich. Du tust genug für mich, wenn du niemandem davon erzählst."

Enttäuscht betrachte ich Jason. Hält er mich also doch nur für ein unfähiges, kleines Mädchen? „Na dann", sage ich kalt. „Melde dich, wenn ich wieder nützlich für dich bin."

Mit diesen Worten drehe ich mich um und lasse ihn alleine in der stickigen Kammer stehen. Er ruft mir etwas hinterher, aber bevor er auch nur einen Schritt aus dem Raum setzen kann, bin ich bereits verschwunden.


Leider ein etwas kurzes Kapitel heute. Das nächste Kapitel wird dann wieder länger. ^^  Ich würde mich trotzdem total über einen Kommentar oder Vote freuen. Was haltet ihr eigentlich von Jason? Sollte Niki ihm vertrauen oder nicht? Ich bin echt gespannt auf eure Meinungen dazu. :)

Vertraue niemals einem FremdenWhere stories live. Discover now