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Jungkook

Ruhig sah der erschöpfte Junge dem aufgelösten Mädchen in die Augen. Es dauerte lange, bis sie ihre Hände von seiner Brust nahm. Sie schien nicht zu begreifen, dass er wieder in Ordnung war. Doch sobald sie begonnen hatte es zu verstehen, wurden ihre Augen glasig.

"D-du hast mir s-so einen Schrecken-", sprach sie vollkommen aufgelöst, ihre Stimme brach ab. Hilflose Tränen verließen ihre Augen, genauso wie das Adrenalin ihren Körper verließ. Langsam erhob der Schwarzhaarige sich und wischte ihre heißen Tränen von ihren weichen Wangen fort.
"Es tut mir leid." Nickend nahm Hyemi seine Entschuldigung an, doch wollten ihre Tränen nicht aufhören zu fließen. Sie hatte gedacht, er würde sterben.

Wehleidig betrachtete Jungkook das weinende Mädchen, schloss diese gleich daraufhin tröstend in seine Arme. Sofort legte sie ihren Kopf an seine Schulter, an welcher ihre Tränen begannen, seinen Pullover zu durchnässen. Laut schluchtzte sie in den grauen Stoff, hörte garnicht mehr auf zu weinen. Jungkooks Herz setzte unerwartet einen Schlag aus, als er spürte, wie sich Hyemis Hände an seinem grauen Pullover festgriffen. Sie brachte sein Herz zum schneller schlagen.

"Du hättest sterben können", warf sie ihm klagend vor und spürte, wie sich der Kopf des Junge nickend hob und sank. Er wollte niemandem erzählen, was mit ihm nicht stimmte, doch ließen diese Umstände ihm keine andere Wahl. Zwar hatte er bereits das taube Gefühl in seinem Körper gespürt, doch war es nicht das Gefühl, was er schon einmal gespürte hatte.
Es war, als wäre er einen Marathon gelaufen und musste schnappatmend Luft holen, um nicht zu ersticken. Er noch weit davon entfernt gewesen, einen Herzinfark zu bekommen, dessen war er sich bewusst und vorallem sicher gewesen.

Langsam beruhigte sich das weinende Mädchen, ihre Atmung regulierte sich ebenfalls nach und nach. Doch fanden ihre Tränen keinen Halt und wurden von Jungkooks Pullover aufgfangen. Schuldbewusst sah Jungkook ihr in ihre erröteten Augen, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte. Er wollte sie nicht zum weinen bringen und denoch sah sie trotz ihrer geschwollenen Augen immernoch wunderschön aus.

"Wieso durfte ich den Krankenwagen nicht rufen?", verlangte Hyemi von Jungkook zu erfahren und sah den Schwarzhaarigen noch immer vorwurfsvoll an.  "Wenn du aufhörst zu weinen...Werde ich es dir erzählen" sprach er. Langsam erhob er sich von dem kalten Fliesenboden und reichte dem aufgelösten Mädchen seine Hand, half ihr im nächsten Moment auf. Gemeinsam verließen sie die Herrentoilette, passten allerdings sorgfältig darauf auf, dass sie nicht gesehen wurden. Vorsichtig schlichen sie sich in eine der hinteren Ecken des Cafés, in welcher sie vor ihren Klassenkameraden unentdeckt bleiben würden. An einem kleinen Tisch fanden sie Platz, der wohl verdeckt von einigen grünen Pflanzen war.

"Ich fange am besten ganz von vorne an", informierte Jungkook Hyemi und holte tief Luft, um die Worte über seine Lippen zu bringen. Die Luft um ihn herum wirkte plötzlich so stickig.
"Ursprünglich komme ich aus Busan. Vor circa 2 Jahren bin ich mit meiner Mutter nach Daegu gezogen, nachdem ich plötzlich einen Herzinfarkt erlitten hatte. Seitdem ist mein Herz quasi defekt", kurz hielt er inne und blickte die schöne Koreanerin an, die seinen Worten aufmerksam zuhörte

,,Die letzten 2 Jahre habe ich hauptsächlich im Krankenhaus verbracht, um gesund zu werden. Doch nach Monaten hatte ich es endlich geschafft sowohl meine Ärztin, als auch meine Mutter davon zu überzeugen, dass ich endlich dort raus musste. Hättest du einen Krankenwagen gerufen, wären all die Bemühungen umsonst gewesen und ich hätte zurück gemusst. Ich möchte nicht zurück ins Krankenhaus. Ich möchte richtig leben und nicht in einem sterilen Käfig gefangen gehalten werde. Und erst Recht möchte ich nicht, dass jemand davon erfährt."

Nachdenklich betrachtete der erschöpfte Schwarzhaarige das gegenüber sitzende Mädchen, wartete auf eine Reaktion. Tränen hatten sich keine weiteren in ihren Augen gebildet, doch zerkaute sie sich ununterbrochen ihre vollen Lippen. Was ging bloß in ihr vor?

Plötzlich erhob sich das stille Mädchen und machte sich auf den Weg zur quadratisch aufgebauten Theke des Cafés. Vollkommen verwirrt folgte Jungkook ihr, wusste nicht, was er machen sollte. Wollte sie ihn ignorieren? Nahm sie es ihm übel, dass er nichts gesagt hatte? An der Cafetheke kamen beide zum stehen. Zufrieden nickte Hyemi, als sie Jungkook ein Stück des gerade gekauften Kuchens reichte, dieser den Schokoladenkuchen bloß verständnislos ansah.

,,Wenn du wirklich leben möchtest, werde ich dich davon nicht abhalten. Wenn du allerdings noch einmal so schlimm zusammenbrechen solltest, werde ich nicht zögern und sofort einen Krankenwagen rufen. Du möchtest es nicht, dass weiß ich. Aber wenn du richtig leben möchtest, kannst du dein Ziel nicht tot erreichen. Dafür muss dein Herz schlagen", erklärte das hellhaarige Mädchen ruhig und legte ihre Hand auf Jungkooks warme Brust.

Schnell schlug sein Herz gegen ihre Hand, doch schlug es weitaus regelmäßiger, als es zuvor geschlagen hatte. Die Nervosität breitete sich in beiden Körpern aus, als sie einander in die Augen sahen. Wieder begannen sie sich gegenseitig in den Bann zu ziehen und nun konnte auch Hyemi nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug. Sie wusste, dass er mit Sicherheit gegen ihren Entschluss protestieren würde, doch wollte sie nicht an dem Tod eines sturrköpfigen Jungen Schuld sein. Schon garnicht an seinem.

"Ich wusste von Anfang an, dass etwas mit dir nicht stimmt. Deshalb werde ich deine Entscheidung akzeptieren und es niemandem erzählen", informierte das junge Ding ihren verdutzten Gegenüber, der ihr verstreut hinterher sah.

"Der Kuchen ist übrigens für dich" rief sie ihm lächelnd zu und griff nach ihrer leichten Sommerjacke, die sie sich über ihre Schultern zog. Wie angewurzelt blieb der abwesende Junge an der Theke stehen. Hyemi schien sich von ihren Klassenkameraden zu verabschieden. Wollte sie schon gehen?

Stumm wanderte er seinen Blick zu dem Stück Kuchen. Er sah wirklich lecker aus, doch weckte Hyemi erneut seine Aufmerksamkeit. Kurz wunk sie ihm noch zu, verließ dann das Café. Enttäuschung breitete sich in seinem Herzen aus. Er wollte noch mehr Zeit mit ihr verbringen, das Geschehene wieder gut machen. Er konnte sie doch nicht so einfach gehen lassen. Er wollte noch einmal das Gefühl in seinem Herzen spüren, als sie ihre Hand auf seine Brust gelegt hatte. Sein Herzschlag verlief schnell, doch keinesfalls schmervoll. Das Gefühl in seiner Brust war süß und warm, ein Gefühl an welches er sich gewöhnen konnte- und wollte. Doch war er sich unschlüssig.

Wollte er lieber warten, bis Gras über die Sache gewachsen war? Wollte er warten, bis sie einen Schritt machte? Riskieren, dass er vielleicht vorher wieder fort musste?

"Hyemi!", rief Jungkook dem Mädchen zu, nachdem er dieser hinaus in den strömenden Regen gefolgt war. Verblüfft wandte sie sich zu ihm um, betrachtete sein entschlossenes Gesicht fragend.  "Hast du nächste Woche schon etwas vor?", überwand er sich, die entscheidende Frage zustellen.  "Aniyo." Ein breites Lächeln umspielte ihre Lippen, als ihr bewusst wurde, worauf seine Frage hinaus laufen würde. Langsam kam er auf sie zu.

"Unternimmst du dann etwas mit mir?", fragte Jungkook sie nun und sah ihr intensiv in ihre Augen. Selbst den Regen hatte er vergessen.
Sanft lächelte Hyemi ihn an, hob ihren Schirm, damit Jungkook ebenfalls Schutz vor dem Regen bekam. "Gerne." Überglücklich betrachtete Jungkook das lächelnde Mädchen, welches nach und nach errötete. 

"Ich schreibe dir. Versprochen"

Lächelnd blieb das Mädchen stehen und betrachtete ihr Handy, in welches Jungkook zuvor seine Nummer eingegeben hatte, ehe sie getrennte Wege gingen.

||One Last Time|| j.jk ✔Where stories live. Discover now