Abschied von der Heimat

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  Tja, da stand ich nun. An der sprichwörtlichen Weggabelung. Sollte ich mich verhaften lassen und hoffen, dass ich glimpflich aus der ganzen Sache heraus komme? Sollte ich dieses einmalige Angebot annehmen und auf Risiko spielen? Hatte ich eine Münze zum werfen dabei? Ich fasste kurz in meine Hosentaschen. Natürlich hatte ich keine dabei. „Also?", fragte der Mann vor mir. Scheiße. Hilfesuchend sah ich mich im Raum um. Zuerst fiel mein Blick auf Shachi und Penguin, die sich auf einmal total gut mit meiner Freundin Mel verstanden. Alle standen sie beieinander, hielten grinsend die Daumen in die Luft und riefen: „Team Heart-Piraten!" Das ist doch jetzt nicht deren Ernst?
Ich ließ meinen blick weiter schweifen und landete bei dem Fettsack. Sein breites Grinsen löste Brechreiz bei mir es, entblößte es doch alle seine verfaulten Zähne. Ich bekam eine Gänsehaut, aber nicht im guten Sinne. Das war ja Ekelhaft. Und der sollte der Sohn des berüchtigten, gnadenlosen Vizeadmirals sein? Das ich nicht lache. Er war keine Gefahr für mich, konnte ich mich doch sehr gut selbst verteidigen. Sein Vater konnte mir jedoch Probleme bereiten, war er doch ein Vertreter der 'absoluten Gerechtigkeit'. Und er schien wirklich unter der Fuchtel seines Sohnes zu stehen. Und dieser hasste mich seit ich ihm einen Tritt in seine Eier verpasst hatte. Er würde schon einen Grund finden, mich auf ewig einzubuchten. Oder schlimmeres... In meinem Hals bildete sich ein fetter Kloß. Das sah nicht gut für mich aus.
Zuletzt besah ich den jungen Käpten. Er sah schon nicht schlecht aus: Eine gefleckte Jeans und einen gelb-schwarzen Pullover mit einem komischen Smiley als Motiv. Ich vermutete, dass das wohl die Jolly Roger der Bande sein musste, immerhin befand er sich auch auf den hässlichen Overalls. Einzig seine äußerst flauschig aussehende Mütze störte mich ein wenig. Sie machte das Bild von dem harten Piraten kaputt. Ist das bei Piraten so ein Modetrend? Je ausgefallener die Mütze, desto cooler warst du? Es würde mir wohl ein Rätsel bleiben.

„Ich komme sehr gerne mit, Käpten!", sagte ich und hoffte, dass ich diese Entscheidung nicht bereuen würde. Von den Overall-Trägern und meiner Kollegin kam ein lautes jubeln. Law grinste und drehte sich wieder zu den Marinesoldaten. „Room", sagte er und um uns herum erschien eine leicht blaue Kuppel. Hatte er etwa Teufelskräfte?! Er nahm sein Schwert und ließ dieses einmal durch die Luft sausen. Die Soldaten und der Fettsack wurden einmal in der Mitte zerteilt, doch es spritzte kein Blut. „Du Mistkerl! Was hast du mit uns gemacht?", schrie der Fettsack und die anderen stimmten in sein Gemecker mit ein. Einer der Soldaten fing sogar an zu heulen! „Wow...", gab ich erstaunt von mir. Wie konnten diese Idioten weiter leben, obwohl sie nur noch Einzelteile waren. „Ich kann noch viel mehr, Kleine..." Mein neuer Käpten fing an zu grinsen, streckte seine Hand aus und drehte sie einmal. „Shambles." Die einzelnen Körperteile flogen durch die Luft und setzten sich neu zusammen. „Ich glaube, ich bereue es schon, dass ich zugestimmt habe..." Fasziniert besah ich die meckernden Marinesoldaten. Ich hatte noch nicht viele Teufelskräfte erleben dürfen, aber DAS toppte alles um Längen.

Immer noch total verwirrt versuchte ich das geschehene nachzuvollziehen. So bekam ich gar nicht mit, wie Law sich mit seiner Crew unterhielt: „Ikkaku?" - „Ja Käpten?" - „Du gehst mit unserer neuen Köchin. Sie soll sich ein paar Sachen einpacken und dann kommt ihr zur Death zurück. Wir anderen gehen schon einmal vor. Der Logport müsste mittlerweile aufgeladen sein." - „Aye, Käpten!", riefen sie alle Synchron und die Männer verließen den Raum.

Mein Gehirn setzte erst wieder ein, als ich am Handgelenk aus der Wirtschaft gezogen wurde. „Wo wohnst du?", fragte mich die Frau, die wenn ich es richtig in Erinnerung hatte, Ikkaku hieß. Ich beschrieb ihr wo ich wohnte und sie zog mich einfach weiter.

Seufzend drehte ich den Schlüssel im Schloss meiner Wohnungstür herum. Mein Zuhause war noch genauso, wie ich sie heute morgen verlassen hatte. Ich betätigte den kleinen Lichtschalter, der sich rechts neben der Tür an der Wand befand und schon wurde mein Wohnbereich mit Licht durchflutet. Ich zeigte in Richtung meiner kleinen Einbauküche und sagte: „Wenn du willst kannst du dich am Kühlschrank bedienen, ich werde es ja eh nicht mehr brauchen..." Den letzten Teil hatte ich eher geflüstert, doch sie hatte mich trotzdem verstanden. „Du klingst ja nicht gerade begeistert darüber, dass du bald ein neues, aufregendes Leben beginnen darfst." - „Drücken wir es so aus: Ich bin ein wenig überfordert. Ich habe doch nicht im Traum daran gedacht Piratin zu werden." Sie sah mich verwirrt an. „Warum hast du dann das Angebot vom Käpten angenommen?", fragte sie mich und hatte ihre Hand am Griff des kleinen Kühlschrankes. „Zum einen hatte ich keine Wahl. Der hiesige Vizeadmiral ist nicht dafür bekannt, Gnade vor Recht walten zu lassen. Er ist einer dieser 'absoluten-Gerechtigkeits-Verfechter'. Und allein die Tatsache, dass Trafalgar Law mir dieses Angebot gemacht hat ist ein Grund für ihn mich als Komplizin hinrichten zu lassen." Sie schüttelte ihren Kopf: „Die Marineoffiziere haben doch alle einen an der Waffel." Sie stopfte sich ein gerade ergattertes Küchlein in den Mund und fing an zu strahlen. „Das ist so köstlich!" - „Danke, aber ich habe auch noch viel zu lernen." Eines nach dem anderen fand den Weg in ihren Mund. „Und was war noch ein Grund?" ich lächelte. „Ich habe schon immer davon geträumt eine der besten Köche der Welt zu werden, doch das geht nur indem man Erfahrung sammelt, die sich auf mehr als eine Kultur bezieht!" - „Du redest schon wie eine richtige Piratin!", lachte sie. „Was meinst du damit?" - „Ein Pirat ohne einen Traum ist kein Pirat. Er ist unser Antrieb und schenkt uns Hoffnung!" Sie machte eine theatralische Pause. Doch dann fiel ihr Blick auf meine Wanduhr. „Wenn wir nachher auf der Death sind können wir uns ja weiter darüber unterhalten, aber jetzt mach erst einmal fertig. Unser Käpten wartet!" Ich schüttelte nur meinen Kopf. Es gab kein zurück mehr. Doch irgendwie empfand ich es nicht mehr als unangenehm. Langsam machte sich die Vorfreude in meinem Körper breit. Vorfreude auf ein neues Abenteuer. Vorfreude auf ein neues Leben.

Im Schlafzimmer nahm ich mir meine Reisetasche von dem Schrank und stopfte verschiedene Klamotten hinein. Hosen, Röcke, Shirts und Jacken fanden ihren Weg in die große Tasche. „So viele Klamotten brauchst du nicht, immerhin bekommst du deine eigenen Overalls!" Ikkaku stand im Türrahmen und stopfte ein weiteres Törtchen in ihren Mund. „Ich ziehe keinen dieser Dinger an!", sagte ich bestimmend. Niemals würde ich so etwas tragen. Niemals. „Da hast du Pech gehabt. Ist sowas wie 'ne Arbeitsuniform." - „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!" Sie zuckte mit den Schultern und verschwand wieder aus meinem Schlafzimmer. Leise hörte ich die Kühlschranktür knacken. Waren etwa schon alle Törtchen weg? Missmutig wendete ich mich wieder meiner Tasche. Sie hatte Recht. Die würden mir so ein Ding andrehen, es sei denn...

Alle nötigen Klamotten, sowie Hygieneartikel waren in der Tasche verstaut jetzt fehlte nur noch zwei Kleinigkeiten. Ich ging zu meinem Nachtschrank. Ich nahm den kleinen Bilderrahmen in die Hand und drückte ihn fest an meine Brust. „Wir gehen auf eine Reise, Brüderchen! Ich bin jetzt Piratin, so wie du es einst warst..." Eine einzelne Träne stahl sich in mein Auge. Ich blinzelte sie schnell weg und verstaute das Bild ebenfalls in meiner Reisetasche. Ich ging wieder ins Wohnzimmer, wo Ikkaku nun mit einem Bier in der Hand auf dem kleinen Sofa saß. „Bist du fertig?" - „Fast, nur noch..." Ich ging ins Badezimmer, direkt zu meiner kleinen Badewanne. Mit ein wenig Gewalt ließ sich die kleine Klappe der Wanne öffnen und ich griff mit einer Hand in das Loch. Hab sie! Ikkaku stand im Türrahmen und musterte mich skeptisch. Ich zog eine 50 cm breite Holzschachtel heraus. Und öffnete sie um zu gucken, ob noch alles beisammen war. Meine beiden vergoldeten Pistolen und die dazugehörigen Hohlster. Ich schloss die Schachtel wieder und nahm sie, wie auch meine Reisetasche, in die Hand. „So, wir können los!"

Mit meiner Hand an dem Griff wollte ich gerade meine Haustür öffnen, als jemand von der anderen Seite dagegen klopfte. Ich sah zuerst Ikkaku an, dann die Tür. Scheiße, was ist wenn das die Marine war. Zitternd sah ich durch den Türspion und eine Welle der Erleichterung überrollte mich. Energisch riss ich meine Tür auf und nahm meine Freundin Mel in die Arme. „Was machst du hier?", fragte ich sie. Grinsend sagte sie: „Ich wollte mich doch noch verabschieden. So schnell wirst du mich nicht los! Außerdem hast du deinen Lohn diesen Monat noch nicht bekommen!" Sie hielt mir einen weißen Umschlag unter die Nase. „Jetzt kannst du auf der nächsten Insel shoppen gehen!", sagte sie und nahm mich noch einmal in den Arm. „Habe ich dir heute schon gesagt wie neidisch ich auf dich bin?", flüsterte sie mir ins Ohr und ich konnte nicht anders als zu lächeln. Es war schon immer ihr Traum gewesen die Welt zu bereisen, als sie dann aber schwanger wurde, musste sie sich davon verabschieden. Und jetzt tat ich es. Sie löste sich von mir und sagte: „Wenn wir uns das nächste Mal sehen, dann erwarte ich ein nettes Souvenir, verstanden?" - „Versprochen!", antwortete ich, wieder mit einem Lächeln im Gesicht.

Direkt danach war sie verschwunden. Und auch wir verließen nun endgültig mein geborgenes Zuhause. „Wir sollten uns beeilen, sonst wird der Käpten noch böse", gab Ikkaku von sich und beschleunigte ihren Schritt. Ich hatte ein wenig mühe mit ihr mit zu halten, immerhin war ich schwer beladen, doch das interessierte sie herzlich wenig. Ein wenig genervt blies ich mir eine meiner braunen Strähnen aus dem Gesicht. Sie hatte sich aus meiner Hochsteckfrisur gelöst und baumelte nun vor meinem Gesicht herum. Ein paar mal pustete ich dagegen, doch sie viel immer wieder zurück. Ganz schön nervig, wenn ihr mich fragt.
Ich war so sehr mit meinen inneren Schimpftiraden beschäftigt gewesen, dass ich erst spät bemerkte, dass wir nicht in Richtung des Hafens liefen. Ganz im Gegenteil: Wir liefen gerade in ein kleines Wäldchen am Stadtrand. „Ikkaku, wo führst du uns hin? Der Hafen liegt in der anderen Richtung!" Sie fing an zu lachen. „Ich weiß, doch wir sind Piraten, da können wir nicht einfach in einem Hafen anlegen. Auf kleineren Inseln wäre das vielleicht möglich, doch hier ist ein großer Marinestützpunkt. Die hätten uns schneller gefunden als wir hätten 'Scheiße' sagen können. Wir gehen durch den Wald an eine kleinere Bucht, da liegt die Death." Leider ergab das Sinn. Erst nachdenken, dann reden! „Ist die Death euer Schiff?", fragte ich sie und sie grinste mich breit an. „Das wirst du dann sehen!" Na ganz toll. Ich rollte mit meinen Augen. Ich wollte doch nur wissen ob das der Name des Schiffes war. „Beeilst du dich mal? Wir sind ja gleich da. Ich kann sogar den Strand schon sehen!" Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich langsamer geworden war. „Du könntest mir auch beim tragen helfen, dann wäre ich vielleicht auch ein wenig schneller", gab ich ein wenig provozierend von mir. „Stell dich nicht so an. Es ist nur eine Tasche." - „Eine Tasche und eine Holzkiste!" Sie fing wieder an zu lachen: „Oh Entschuldigung, habe ich jetzt die Gefühle von deiner Kiste verletzt?" 1:0 für Ikkaku.
Sie war am Strand stehen geblieben. Ich stellte mich neben sie und hatte gute Sicht auf... dieses große... gelbe... Ding. „Was ist das? Ist das euer Schiff?" ich setzte meinen besten Zweifler-Blick auf, doch das störte sie nicht im geringsten. „Das ist unser U-Boot. Die wundervolle und schöne 'Death'!" U-Boot? „Ikkaku?" - „Ja? Sie ist toll, ne?" - „Ich fühle mich, als wären wir die Protagonisten eines Beatles-Songs."

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⏰ Last updated: Jul 08, 2017 ⏰

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Unterwegs mit den Heart-PiratenWhere stories live. Discover now