Die Begleiterin

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"Das glaubst du nicht, das glaubst du nicht", schrie eine aufgeregte Stimme in das Telefon, kaum hatte sie abgehoben. Erschrocken ließ sie es fallen, starrte das Gerät auf dem Boden irritiert an und hob es schließlich, nachdem sie sich wieder gefasst hatte, schnell wieder auf.
"Und erst dachte ich, das kann nicht wahr sein. Aber ist ja klar, was wir jetzt machen, oder?"
Das Mädchen erkannte die Stimme beim zweiten Mal sofort, es war ihre beste Freundin.
"Tut mir leid, ich hab den ersten Teil nicht ganz mitgekriegt. Was ist passiert?", fragte sie ins Telefon. Selten hatte ihre Freundin solche Anfälle. Eigentlich nur wenn,...
"Bts kommt hierher. Hierher! Wir müssen da hin."
Genervt rollte das Mädchen mit den Augen. Sie konnte die andere einfach nicht verstehen. Natürlich waren manche Lieder echt gut und sie selber hörte diese ab und zu, doch für die Fangirls, unter anderem ihre Freundin, die einfach immer alles wussten, hatte sie kein Verständnis. Was interessierte es sie denn, ob die Sänger eine neue Haarfarbe hatten oder wo sie gerade im Urlaub waren?
"Du weißt, dass ich solche großen Menschenmassen nicht so gerne mag", versuchte sie auszuweichen. Sie wollte nicht wirklich zu diesem Konzert gehen. Aber sie hatte keine Chance gegen die Andere.
"Ach komm schon. Tu es für mich, biiiiitteeeeeeeeeeeeee."
"Das Ticket kostet bestimmt voll viel Geld", noch wollte das Mädchen nicht aufgeben. Vielleicht würde sie doch noch drumherum kommen.
"Mein Vater hat gesagt, dass er mir das Ticket kaufen würde und dir das Halbe. Also gibt es keine Einwände mehr, oder?"
Natürlich gab es die noch. Noch tausend weitere, aber es würde keinen Sinn machen. Die Freundin des Mädchens war besser bei Diskussion und eindeutig sturköpfiger, da hatte sie selbst keine faire Möglichkeit auch ihre Meinung einmal durchzusetzen. Außerdem war es ihre beste Freundin. Für sie würde sie fast alles tun, sie hatten schon so viel gemeinsam durchgemacht...
Mit einem tiefen Seufzer gab sie endgültig auf: "Wann ist es?"
"Yay, du kommst mit, du kommst mit, du kommst mit!", sang das Mädchen an der anderen Leitung in den Hörer. Wahrscheinlich tanzte sie währenddessen durch das Zimmer. Bei diesem Gedanken musste das Mädchen anfangen zu grinsen.
Als sie fertig war, fuhr sie fort: "Erst im Frühjahr, ungefähr noch drei Monate."
"Ok. Bestellst du die Karten?"
"Schon erledigt."
Dem Mädchen fiel die Kinnlade nach unten: "Du hast sie schon gekauft!"
"Naja, ich dachte, dass du bestimmt mitkommst und dann dachte ich mir halt,... dass ich sie gleich kaufe?"
"Ach dachtest du?", irgendwie war sie sauer auf ihre Freundin, schließlich hatte sie über ihren Kopf entweg entschieden und sie erst im Nachhinein gefragt. Was wäre gewesen, wenn sie nicht zugesagt hätte oder sich doch noch umentschied? Sie fühlte sich übergangen. Seit wann redeten sie nicht mehr?
"Sei doch nicht beleidigt, ich wollte nur kein Risiko eingehen, weil die Tickets jedes Mal so schnell ausverkauft sind. Komm schon, ich wäre so enttäuscht, wenn ich es nicht mit dir dorthin schaffen würde. Lass mich nicht im Stich. Es macht mir nur Spaß, wenn du auch dabei bist."
Warum nur musste ihre Stimme so süß klingen, als könnte ein Welpe sprechen. Und sie nutzte ihre Waffe auch oft genug aus, so wie in diesem Moment. Schon jetzt hatte sie ein schlechtes Gewissen.
"Jaja."
"Ich hab dich soooooo sehr lieb, wirklich."
"Ja, aber nur weil ich mitkomme, sonst würdest du jetzt kein Wort mehr mit mir sprechen."
"Nein, soetwas würde ich doch nie tun", beteuerte die andere. Das Mädchen musste belustigt lachen und antwortete: "Nein, du doch nicht... Sehen wir uns morgen wie immer?"
"Klaro und dann kriegst du gleich einen Crashkurs zum Thema Bts. Mach dich auf was gefasst. Bye."
Noch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, erklang das bekannte Tuten aus dem kleinen Lautsprecher. Sie steckte das Gerät zurück auf die Ladestation und stieß die Luft aus, die sie schon die ganze Zeit angehalten hatte. Ihre Freundin war ihr etwas schuldig, etwas sehr, sehr großes.

"Komm schnell, wir müssen nach ganz vorne kommen", erklärte ihre Freundin, während sie die andere hinter sich her zog. So bahnten sie sich ihren Weg durch die riesige Fan-Masse. Doch sie waren natürlich nicht die einzigen Leute, die beim Einlass möglichst weit vorne an den Eingängen stehen wollten und so wurden sie beide nicht selten von einem Ellenbogen getroffen.
Nach unendlich vielen Stößen und blauen Flecken war ihre Freundin endlich mit dem Platz zufrieden und blieb stehen. Sie drehte sich mit einem Lächeln zu ihrer etwas genervten Freundin um und umarmte sie überglücklich.
"Danke, danke, danke, dass du mitgekommen bist. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Ohne dich wäre es nicht dasselbe gewesen. Es ist wirklich toll, dass du mich begleitest, obwohl du keinen Bock hast. Du bist die beste Freundin der Welt. Danke dafür."
Sie wurde bei diesen Worten rot und schaute verlegen zu Boden.
Plötzlich ging alles ganz schnell, die Türen wurden aufgemacht und alle drückten sich nach vorne. Gerade noch konnte sie sich auffangen und fiel zun Glück nicht zu Boden. Die Scharen hätten sie wahrscheinlich überrannt. Ihre Freundin griff sie an der Hand, damit sie sich nicht aus den Augen verloren und sie drängten sich als Einzelkämpfer zu den Türen.
Neben ihnen wurde ein anderes Mädchen an den Haaren nach hinten gezogen und schrie auf. Andere setzten wieder ihre spitzen Arme ein.
Ihre beste Freundin wich den Angriffen geschickt aus und schlängelte sich elegant an den anderen vorbei. Sie dagegen bekam jeden Schlag ab und kam sich wie ein Trampel voll, wie sie so vor sich her stolperte. Sie fühlte sich extrem unwohl und fehl am Platz. Das Gefühl wurde durch die Todesblicke der fremden Mädchen nicht besser. Übertrieben diese Fans nicht etwas? Etwas sehr?
Hoffentlich würde es während dem Konzert nicht weitergehen mit diesem bescheuerten Zickenkrieg. Wieso taten sich diese Männer das an? Es musste doch die Hölle sein solche Fans zu haben, die sich gegenseitig bekriegten, um ihren eigenen Vorteil daraus zuschlagen.

Überraschenderweise wurde sie eines besseren belehrt, denn kaum befanden sich alle in der riesigen Halle, war der Kampf in der Schlange vergessen und alle redeten mit den anderen über die Band. Die Stimmung war ausgelassen, locker und keineswegs angespannt.
Mit offenem Mund beobachtete das Mädchen zwei Fans, die sich vor einer halben Stunde noch fast gegenseitig umgebracht hatten und jetzt wie die besten Freundinnen gemeinsam über etwas lachten.
Dieses Fandom war wirklich faszinierend und sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.
"Du denkst schon wieder über irgendwas nach", stellte ihre Freundin genervt fest, "Lass gut sein und genieß das Konzert. Soetwas unglaubliches wirst du nicht nochmal erleben. Es wird bestimmt unglaublich.
Zustimmend nickte sie. Sie sollte wirklich aufhören sich so viele Gedanken zu machen und jetzt einfach mit ihrer besten Freundin Spaß haben. Schließlich hatte man nicht immer die Chance auf ein Bts Konzert zu gehen.

Who are they really?Where stories live. Discover now