Die angenehme Stille

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,,Morgen Basti",erklang eine Stimme. ,,Morgen Sophia",begrüßte Sebastian seine Schwester, die in die ins Wohnzimmer kam. ,,Oh, hallo Felix." Kurz musterte sie mich, dann warf sie ihrem Bruder einen verwunderten Blick zu.
,,Hey." Ich fixierte mich währenddessen auf meine Hände.
,,Das musst du mir jetzt aber erklären, nichts gegen dich Felix." Ich nickte.
Das - seit wann hängst du mit Opfern ab? - war natürlich nicht gegen mich gerichtet.
Sie packte Rewi am Handgelenk und zog ihn mit sich aus dem Wohnzimmer.

Super.
Er würde ihr doch nie die Wahrheit sagen, davor hatte er doch zu viel Angst. Was auch immer er für eine Ausrede hatte, sie hätte negative Folgen für mich. 

,,Was will der hier? Du hast ihn doch vor ein paar Tagen noch verprügelt."
,,Ja ich spiel dem vor ich würde ihn lieben. Dieser Idiot. Und wenn er mir voll und ganz vertraut-."

Ich zuckte zusammen.
Nein, das war nicht die Wahrheit. Es war nicht das, was er ihr gerade sagte. Mein Kopf redet mir bloß sowas ein.
Ich biss auf meine Unterlippe, was ließ er sich wohl einfallen?
Jetzt wäre ich lieber Zuhause. In meinem Zimmer. Meinetwegen mit ner neuen Prellung oder tausend an den Kopf geworfenen Beleidigungen von Mark.
Alles ist besser als in dieser Situation zu sein. In der es möglich sein könnte, dass Rewi mich gleich wieder mit diesem verachtenden Blick ansah. Dass er mich wieder hasst, ob vorgespielt oder nicht.
Nein, ich wollte weg hier.

Und als die Beiden zurückkamen, hatte ich bereits den bitteren, metallischen Geschmack im Mund. Ich ließ von meiner Lippe ab und sah nervös zu Rewi herüber. Ich fühlte mich wie bei einem Verhör, in irgendeiner absolut unangenehmen Situation.
,,Jetzt habe ich einen Grund weniger meinen Bruder zu hassen",sagte Sophia. Mein Blick wurde fragender. ,,Naja ich hab ihr halt gesagt, dass wir Frieden geschlossen haben. Und das du nicht so schlimm bist",er setzte sich wieder neben mich.
,,Danke?"
,,Immer gerne",grinste er, was mich zum Schmunzeln brachte.
,,Okay, ich bin wieder oben. Bis später Felix",unterbrach Sophia unser gegenseitiges anstarren, welches ich erst jetzt bemerkte. Ich nickte ihr verlegen zu und als sie sich umgedreht hatte atmete ich hörbar aus. Rewi tat es mir gleich und lehnte sich zurück. ,,Das war vielleicht hart",murmelte er. ,,Zu sagen, dass du mich magst?"
,,Du weißt wie ich das meine."
,,Ich weiß."

Kurz blieben wir einfach Still. Es war angenehm, nicht bedrückend. Nicht so, dass man zwanghaft nach belanglosen Gesprächsthemen suchen musste.

Doch vielleicht wäre es besser gewesen, wenn es so eine Stille gewesen wäre. Wenn einer von uns gleich weiter geredet hätte, egal über was.
Denn in dieser Stille, schlich sich wieder etwas in meine Gedanken.
Fünf Wörter.

Er schämt sich für dich.

Und dieses Mal wusste ich dass es die Wahrheit war. Es war keine aus der Luft gegriffene Behauptung, nichts was mein Kopf mir vorspielen wollte. Er hatte es selbst gesagt.

Wenn ich dich hasse, glaubt niemand ich würde dich lieben.

Und plötzlich bekamen all seine Worte eine andere Bedeutung.

Wenn ich dich hasse, kann mir niemand vorwerfen, dass ich dich liebe. Dich, Felix Hardy.

Und ich fragte mich, wieso er es nicht gleich so gesagt hatte. Wieso mir erst so spät auffiel, was er eigentlich gesagt hatte.

Dich liebt niemand.
Und wenn doch, versucht man alles um dich wieder zu hassen.

Sebastian sagte immer noch nichts, um diese grauenhaften Gedanken aufzuhalten. Zwar konnte er sie nicht wahrnehmen, doch ich hoffte trotzdem, dass er meine innerlichen Schreie hörte.

Nicht nur, dass ich mich in dich verliebt habe ...

,,Hör auf!"
,,Halt die Fresse!"
,,Sei Still! Nur für eine Sekunde!"

Mein Mund öffnete sich nicht.
Es war als hätte man meine Lippen aneinander geklebt und ließ mich nun unaufhaltsam ersticken.

Mir ist mein Image wichtiger.

Ich bewegte mich keinen Millimeter. Ich wollte um mich schlagen, in der Hoffnung diese Gestalt zu treffen, die mir gerade diese lähmenden Sätze zurief.
Aber ich saß still auf dem Sofa.
Und Sebastian tat es mir gleich.

Nicht mal Tränen lösten sich, dabei war mir nach Wasserfällen zumute.
Nichts geschah, das meinen Schmerz hätte verdeutlichen können.
Nichts, was Sebastian hätte sehen und aufhalten können.

Es sah aus, als würde ich auf einem grauen Sofa sitzen. Die angenehme Stille genießend, neben einem unglaublich attraktiven Jungen, der mir gestern seine Liebe gestanden hatte.

Dabei befand ich mich im Meer.
Mit Salzwasser gefüllten Lungen und gefesselten Armen und Beinen. Gewichten an meinem Körper, die mich unaufhaltsam zum Grund befördern würden.

Und kein Ton meiner Schreie drang durch die Wasseroberfläche.

Einer der Gründe | RewilzWhere stories live. Discover now