Feeling

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Newt und ich redeten an diesem Tag nicht mehr viel. Ich hatte erwartet, früh schlafen zu gehen, doch als ich mich auf den Weg ins Bett machte, wurde ich von Alby aufgehalten.
"Hey, Amanda!", rief er. "Ich muss dir etwas zeigen. Folge mir."
Er führte mich zu den bereits geschlossenen Labyrinthmauern. Als wir näher kamen, konnte ich eingeritzte Namen erkennen: Newt, Winston, Jeff, Frypan, Alby, und viele weitere.
"Da du jetzt eine von uns bist, darfst du dich auch hier verewigen."
"Wow.", machte ich. Alby sah mich schräg an.
"Nein ehrlich, das 'wow' war ernst gemeint", versicherte ich ihm. "So können wir wenigstens nicht vergessen werden.
"Sehr tiefsinnig gedacht."
Ich lächelte. "Nein, ehrlich, ich finde das gut. Das bestärkt irgendwie, dass wir eine Gemeinschaft sind, dass wir zusammengehören und zusammenhalten."
Albys weiße Zähne blitzten in der Dunkelheit auf. "Ja, nicht wahr? Und du gehörst da jetzt auch hin." Er reichte mir ein Messer. "Setz deinen Namen zu den anderen Läufern. Dort."
Ich tat wie mir geheißen. Unter Minho ritzte ich 'Amanda'. Ich ging einen Schritt zurück und ließ meinen Blick über die Wand schweifen. Plötzlich stockte ich. Unter Newts Namen war ein weiterer, der durchgestrichen war. Offenbar hatte jemand mit voller Gewalt durcheinander Striche durch den Namen geritzt. Ich versuchte, den Namen zu entziffern. Scott.
"Wer ist Scott?", wandte ich mich an Alby. Sein Blick trübte sich schlagartig.
"Warum ist sein Name durchgestrichen?"
"Scott... war einer unserer Läufer... Aber einmal hat er's nicht rechtzeitig zurückgeschafft. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört oder gesehen." Er blickte betreten zu Boden. Ich wusste sofort, dass er mir nur die halbe Wahrheit gesagt hatte. Trotzdem nickte ich nur und hakte nicht weiter nach.
"Okay. Wenn ihr mich immer noch nicht in alles einweihen wollt, frage ich mich, ob ich wirklich dazugehöre."
Damit drehte ich mich um und wollte gehen, doch Alby hielt mich am Arm fest.
"So ist das nicht. Ich habe nur kein Recht, dir davon zu erzählen. Außerdem wissen auch viele der anderen nichts von Scott."
"Gut, aber wer hat dann das Recht mir davon zu berichten?"
Alby sagte nichts. Stattdessen ging er an mir vorbei. Ich blieb alleine stehen. Das konnte nicht wahr sein. Warum wollte mir niemand davon  erzählen? Ich hatte keine Lust mehr, darauf zu warten, bis sich irgendjemand irgendwann dazu erbarmte, mir alles zu erzählen. Deshalb beschloss ich, es selbst herauszufinden. Es konnte doch nicht so schwer sein.

                                 -●-

Es war schon sehr spät, als ich endlich zurück zum Hauptgebäude kam. Ich dachte, ich würde niemanden mehr draußen vorfinden, doch ich täuschte mich. Am langsam verglimmenden Lagerfeuer sah ich Minho sitzen. Er saß regungslos da und starrte in die Flammen. Ich ging zu ihm hin und setzte mich neben ihn. Eine Weile starrten wir beide in die Flammen, bis ich die Stille durchbrach.
"Minho, wer war Scott?"
Minho drehte sich zu mir um.
"Wie kommst du darauf?"
Ich legte mir meine Worte sorgfältig zurecht.
"Ich habe mich nur gewundert, warum sein Name durchgestrichen ist."
Minho blickte mich stumm an.
"Es wäre besser du fragst das..."
"Jemand anderen, ich weiß!" Ich warf frustiert meine Arme in die Luft. "Warum sagt mir das jeder? Bekomme ich auch irgendwann mal Antworten?"
"Es ist nicht mein Recht dir davon zu erzählen.", erhob Minho seine Stimme.
"Alby hatte es auch nicht, also wer hat dann das Recht? Scott war ein Läufer, also warst du sein Hüter, wer sollte dann das Recht dazu haben?"
"Newt."
Newt. Newt. Wieso ausgerechnet Newt?
"Warum er?", schrie ich.
"Weil es sein verdammter Bruder war! Gottverdammte Scheiße!", brüllte Minho zurück. Er war aufgesprungen und atmete schwer.
Es war wieder still.
"Was ist passiert?", fragte ich sanft.
Minho drehte sich weg.
"Ich habe dir schon zu viel gesagt."
"Dann kannst du es mir auch ganz erzählen. Ich hätte es sowieso irgendwann herausgefunden.
Minho holte tief Luft.
"Du gibst ja doch keine Ruhe."
Ich nickte zufrieden. Minho sette sich wieder hin.
"Verdammt, Newt wird mich umbringen!", fluchte er.
"Wird er nicht. Du bist einer seiner besten Freunde.", versuchte ich ihn zu beruhigen.
"Genau deswegen ja. Beste Freunde verraten einander nicht."
Ich warf entnervt meinen Kopf in den Nacken.
"Heilige Scheiße, das ist doch kein Verraten!"
Minho knickte ein.
"Nun gut, Newt hatte einen Bruder, Scott. Er kam einen Monat nach ihm mit der Box hoch. Sie wussten sofort, dass sie Brüder waren, keiner wusste genau, wieso. Naja, auf jeden Fall hat Newt als älterer von beiden, Scott immer beschützt und im Auge behalten. Du musst verstehen, Scott war nicht wie Newt. Er war impulsiv, handelte unüberlegt und er war naiv. Also vor genau drei Monaten waren wir wieder im Labyrinth, jeder alleine  und es war längst Zeit, doch Scotr kam und kam nicht aus dem Labyrinth. Und schließlich, kurz bevor sich die Tore schlossen, ist Newt einfach ins Labyrinth gerannt. Er wollte seinen Bruder nicht alleine lassen. Und dann am nächsten Morgen haben wir sie gefunden."
Es entstand eine Pause.
"War er tot?", fragte ich leise.
Minho starrte in die Flammen.
"Nein. Aber er hatte sich verändert. Aus Newt war kein Wort herauszubekommen. Wie sich herausstellte, war Scott von einem Griever gestochen worden. Du musst wissen, das verändert einen. Er sah schlimm aus, hat wirres Zeug geredet und wir mussten ihn verbannen."
"Was heißt das?"
"Wir haben ihn in das Labyrinth verbannt. Die Nacht hat er wohl nicht überlebt."
Ich schluckte. Eine Weile sagten wir beide nichts.
"Ist Newt deshalb so... so finster?"
Minho überlegte.
"Er war nie so der scherzhafte Typ, aber ja, ich glaube, das hat ihn verändert. Er hat es sich wohl nie verziehen, seinen kleinen Bruder nicht gerettet zu haben."
Wir schwiegen wieder.
"War das der Läufer, von dem Newt damals geredet hat?", fragte ich vorsichtig.
"Ja.", antwortete Minho. "Und Alby wollte ihn zuerst gar nicht im Läuferteam haben, aber Newt komnte ihn überzeugen."
Mir ging ein Licht auf.
"Deshalb gibt er sich selbst die Schuld dafür!"
Minho nickte. Schweigen. Wir waren beide in Gedanken versunken. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass wir hier für immer stecken bleiben  würden, würde ich nicht bald was unternehmen.
"Du solltest schlafen gehen.", sagte Minho plötzlich. Er sah mich nicht an, sondern starrte in die glühende Kohle.
Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Platz und ging. Ich dachte über Newt, meinen Vater und WICKD nach.  Was wollten sie verdammt nochmal von uns? Mein Vater musste einmal geglaubt haben, es sei etwas Gutes, aber später hatte er wohl realisiert, dass dem nicht so war. Warum hielt man uns hier fest?
Ich hatte immer noch keine Antwort darauf. Bevor ich in mein Bett ging, warf ich einen Blick auf Newt. Er schlief, seine Brust hob und senkte sich ruhig und gleichmäßig. Sein Gesicht lag zu mir gewandt. Ich betrachtete es. Er sah friedlich aus, aber die dunklen Schatten unter seinen Augen verrieten mir das Gegenteil. Er war genauso abgekämpft wie wir alle. Und er hatte seinen Bruder verloren. Es zerriss mir das Herz, wenn ich mir vorstellte, was er durchgemacht haben muss. Doch ich konnte ihm nicht helfen, er musste sich selbst verzeihen.

Velvet Tears // Maze Runner ( Newt Fanfiction )Where stories live. Discover now