Kapitel 1

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[AB DEM 1.5.2021 ÜBERALL ALS TASCHENBUCH & E-BOOK ERHÄLTLICH]

»Raven!«

Stille.

»Raven!«

Stille.

»Ist das dein Ernst?!«

Ich presse mein Gesicht fester in das Kissen und würde mir am liebsten die Ohren zu halten, um die Welt um mich herum wieder einschlafen zu lassen und in meine friedliche Traumlandschaft zurückzukehren. Doch leider ist das Leben kein Wunschkonzert – zumindest nicht für die meisten Menschen.

»Raven, dein Wecker klingelt jetzt schon seit fünf Minuten«, ertönt die genervte Stimme nun etwas leiser, jedoch mit der gleichen Dringlichkeit.

Gähnend nuschle ich in meine Bettdecke: »Und ich ignoriere ihn seit fünf Minuten, Josh.«

Ungeduldig setzt er sich auf und fährt mit der Hand durch sein zerzaustes blondes Haar. Er trägt noch immer das blaue Sweatshirt von gestern Abend, das er wahrscheinlich auch in den nächsten Tagen nicht wechseln wird. »Heute ist die Abschiedsfeier. Schon vergessen?«, erwidert er vorwurfsvoll und schwingt die Beine aus dem Bett.

Ich weiß, dass der Abend heute sehr wichtig für ihn ist. Im Gegensatz zu mir hat er sich an unserer Schule immer wohl und herzlich willkommen gefühlt. Schließlich mag jeder gut gelaunte Jungs wie Josh, die sich nicht aufspielen und doch für jeden Spaß zu haben sind.

»Die Feier wird auch ohne mich stattfinden«, meine ich, weil ich eben nicht zu dieser Sorte von Menschen gehöre. Nein, ich gehöre zu den Launischen, denen, die in dem einen Moment die ganze Welt küssen und im nächsten jemanden den Hals umdrehen könnten.

Demonstrativ will ich mich auf die andere Seite drehen, halte aber inne, weil plötzlich ein mittelgroßer Junge mit pechschwarzen Haaren in mein Zimmer stürmt und mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf mich zeigt.

»Wo ist mein Pulli, Raven?«, will mein älterer Bruder aufgebracht wissen. »Du klaust ständig meine Klamotten! Verdammt, du kannst nicht in meinen Anziehsachen durch die Gegend rennen! Was soll ich denn dann anziehen?« Sein Gesicht läuft vor Wut rot an.

»Ich renne nie, Sport ist nicht mein Fall«, entgegne ich trocken und reibe mir über die müden Augen. Schlafen kann ich für diesen Tag wohl vergessen. Stattdessen sehe ich Damien jetzt fragend an, bereit, mich gegen einen weiteren verbalen Angriff zu verteidigen.

Verärgert öffnet er den Mund, kommt aber nicht dazu, mich weiter anzuschreien, da Josh als Reaktion auf meinen Kommentar laut anfängt zu lachen und dabei jegliches Gleichgewicht verliert. Prompt fällt er von der Bettkante und landet verdutzt auf dem Boden. Sofort muss ich breit grinsen und lasse den Blick amüsiert zu Damien schweifen. Dieser sieht jedoch eher weniger amüsiert und dafür noch wütender als vorher aus. Er ist nicht wirklich der entspannte Typ.

»Wo ist mein Pulli?«, wiederholt er seine Frage kurz angebunden und hebt demonstrativ eine Augenbraue.

»Woher soll ich das wissen?«, frage ich unschuldig und ziehe meine warme Decke fester um mich. Josh hat das weiß gestrichene Fenster geöffnet, sodass jetzt kalte Luft in den kleinen Raum strömt.

»Was hast du gerade an?«, will Damien als nächstes wissen, wobei er mich prüfend mustert. »Ich wette, du trägst meinen Pulli.«

Zu seinem Entsetzen antworte ich: »Nichts.« Dann stehe ich in meine Decke gewickelt auf.

»Nichts?!« Damien starrt mich mit großen Augen an.

»Nichts?!«, ruft Josh ebenso panisch. Das Lachen ist ihm vergangen.

A Touch of Craziness (Too Crazy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt