Der Tannenbaummann

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Habt einen schönen Weihnachtsabend ^^

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Erschöpft von dem anstrengenden Arbeitstag, öffne ich die gefühlt tausend Tonnen wiegende Autotür und setze meinen ersten Fuß in den weißen Schnee.

Schön hätte ich ihn früher genannt, inzwischen nervt er mich nur noch. Wenn er auf meinen Schuhen schmilzt, dringt das Wasser zu meinen viel zu dünnen Socken vor und lässt meine Füße erfrieren.

Schnell schlinge ich meine Arme um meinen dünnen Körper, als mir die Eises Kälte ins Gesicht sticht und meine Körperwärme auf 20C° hinuntersetzt. Wie ich die Kälte hasse. Wie ich den Winter hasse.

Vor einem Jahr hätte ich ihn noch die schönste Jahreszeit im Jahr genannt. Wundert mich nicht, immerhin habe ich vor genau einem Jahr, am 22. Dezember, meine-so glaubte ich-Liebe des Lebens kennengelernt. Taeyeon, ihr Name.

Sie arbeitete als Verkäuferin in einem dieser viel zu kitschigen Läden, mit den ganzen Glitzer Girlanden, aufdringlichen Leuchtketten, auffälligen Glöckchen, Kügelchen und dem ganzen Schnickschnack halt, doch ihre unglaubliche Schönheit hatte es mir angetan und ich konnte nicht anders, als sie anzusprechen. Wir lernten uns besser kennen und kamen schließlich irgendwann, irgendwie zusammen.

Früher hätte ich jedes kleinste Detail wiedergeben können. Wie ihr Make-Up ausgesehen hatte. Welchen Schmuck ihr engelgleiches Gesicht verziert hatte. Was für einen unglaublichen Look sie getragen hatte. Welche Worte wir miteinander gewechselt hatten. Welches Wetter uns Gesellschaft geleistet hatte. Einfach Alles.

Doch mit der Zeit vergas ich all diese kleinen wichtigen Details, achtete viel mehr auf das Gesamte, wodurch mir die negativen Dinge immer mehr ins Auge stachen. Ich merkte, dass das Ganze herumturteln nur der erste Liebesschein ist und, dass eine Beziehung auch viele andere anstrengende und nervige Fassetten hat. In den letzten Monaten wurde es immer schlimmer mit uns beiden. Wir streiten uns viel zu oft, hören uns zu wenig zu, beschweren uns zu viel. Es ist unerträglich.

Bald soll unser zweites gemeinsames Weihnachtsfest stattfinden, doch wie oft ich mir auch versuche Motivation zuzusprechen und mir einzubilden, dass heilig Abend alles wieder gut wird, weiß ich, dass das nicht der Fall sein wird. Zu dick steht die Luft zwischen uns und zu viel wurde nicht ausgesprochen, was sich über die Zeit angesammelt hat, als dass wir unbeschwert miteinander feiern könnten.

Natürlich könnte man das auflösen, indem man es einfach anspricht, doch keiner von uns will der Erste sein. Es ist wie bei kleinen Kindern. Der, der zuerst nachgibt ist automatisch der Verlierer.
Keiner von uns beiden verliert gerne. Und keiner von uns beiden mag es Streit anzufangen.

Lieber grummeln wir vor uns hin und lassen unsere Köpfe dampfen. So kindisch. Verzweifelt schüttle ich den Kopf. In meinen Gedanken versunken merke ich kaum, dass ich eigentlich schon längst an meinem Ziel angekommen bin.
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen, mein Herr?" Fragt eine angenehme tiefe Stimme.
„Ja vielen Dank, das wäre sicher eine große Hilfe", lächle ich angestrengt, es muss lange her sein, dass ein echtes Lächeln meine Lippen zierte.

Der Mann vor mir ist groß, in eine dicke Jack eingepackt und trägt eine warme Mütze. Neidisch mustere ich seine Winterausstattung.
„Was soll's denn sein? Groß, klein, buschig?" Fragt er und versucht irgendwelche brauchbaren Informationen aus mir raus zu quetschen.
„Irgendwas bezahlbares", antworte ich knapp. Er zieht überrascht die Augenbraue hoch, doch ich ignoriere dies gekonnt.

Denn wenn ich ehrlich bin, ist es mir scheiß egal, wie dieser Drecks Tannenbaum aussieht, Hauptsache wir haben einen und er lässt sich mit meinem wenigen Restgeld kaufen.

Christmas tree☆Where stories live. Discover now