Kapitel 1

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Es war ein regnerischer Mittwoch Vormittag. Ich saß im Bus neben meiner besten Freundin Emily. Eigentlich war alles wie immer. Wir beide liebten es Ausflüge mit der Schule zu machen. So wie eigentlich jeder andere auch. Man hat keinen Unterricht , muss nicht auf eine große grüne Tafel starren oder irgendwelche Texte von Latein nach Deutsch übersetzen. Emily und Ich wir kennen uns schon lange , aber wir hatten uns auch für eine lange Zeit aus den Augen verloren : Unser erstes Kennenlernen war im Kindergarten. Und wie es im Kindergarten eben ist spielt man gemeinsam und daraus entstehen dann Freundschaften . Genau weiß ich natürlich nicht wie wir uns kennengelernt haben ,aber ungefähr so muss es sich abgespielt haben. Nach dem Kindergarten und der gemeinsamen Zeit in der Vorschule ging es dann in das WIRKLICHE Leben : die Schule. Natürlich erst die Grundschule , aber auch da wird man schon benotet. Kleine Kinder bekommen Zeugnisse ausgestellt für ihre Leistungen im Unterricht. Emily und ich kamen aber nicht auf die gleiche Grundschule und wir wurden auch nicht gemeinsam mit Blümchenkleidern an und unhandlichen bundbemalten Schultüten in der Hand auf unsere neue Klasse eingeteilt. Sie ging auf die Grundschule am anderen Ende der Stadt und ich mit meinen anderen Freunden aus dem Kindergarten auf meine Grundschule ganz in der nähe unseres Hauses. Von dort an trennten sich unsere Wege . Ich vergaß sie irgendwann und lernte dafür neue Freunde kennen. Damals wusste ich noch nicht ,dass es nach der Grundschule noch eine weitere Schule gibt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, habe ich glaube ich auch nie darüber nachgedacht was passiert wenn ich die vierte Klasse bestanden habe. Jedenfalls kam irgendwann der Tag an dem ich dann heraus fand dass ich noch weitere Jahre nach der Grundschule zur Schule gehen muss. Und wie es so kam hatte ich es geschafft auf das Gymnasium zu kommen. Ich hatte vor der neuen Schule schreckliche Angst. Ich malte mir aus die anderen Kinder könnten mich vielleicht nicht mögen oder ich würde keine guten Noten schreiben und müsste wieder auf eine andere Schule gehen mit wieder neuen Kindern. So schlimm kam es aber gar nicht : Ich wurde in die gleiche Klasse eingeteilt wie meine Freunde aus der Grundschule und auch mit dem Stoff kam ich gut zurecht. In der zweiten Woche muss es gewesen sein als mich ein fremdes Mädchen aus meiner neuen Klasse ansprach.Sie fragte ob ich sie noch kennen würde, ich sagte sie käme mir ein wenig bekannt vor und wie es das Schicksal so wollte war es: Emily . Ich kann es bis heute noch nicht glauben , dass sie mich damals wiedererkannt hatte . So lernten wir uns beide zum zweiten mal kennen. Das war vor vier Jahren. Heute sind wir in der neunten und immer noch in der selben Klasse. Und genau diese Klasse machte heute einen Ausflug zum Jugendgefängis . Wir machten diesen Ausflug nur , weil unsere Politiklehrerin Frau Lindner einen Bekannten hat der dort als Wärter arbeitet. Wir hatten im Unterricht das Thema durchgenommen und Frau Lindner dachte wohl es wäre eine gute Methode um uns die harte Realität des Knastalltags näherzubringen. Als unser Bus vor dem Tor langsam zum halten kam wurde mir schon etwas mulmig : Sechs Meter hohe Mauern mit Stacheldraht versehen schützten die Außenwelt vor den Insassen. Draußen im Regen stand ein Mann in Wärtekleidung vor unserem Bus und unterhielt sich mit unserer Lehrerin. Ich kannte seine Kleidung aus dem Schulbuch und war überrascht , dass es ihm anscheinend gar nichts ausmachte im Regen zu stehen. Ganz im Gegenteil zu meiner Lehrerin: Sie umklammerte ihren roten Regenschirm krampfhaft und versuchte bloß nicht nass zu werden. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden wir dann endlich hineingelassen. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt ,aber ich konnte nirgendwo Wärter mit Hunden an der Leine und Gewähren in der Hand sehen. Wahrscheinlich hatte ich am Vorabend zu viele amerikanische Krimiserien gesehen. Der Bekannte von Frau Lindner führte uns dann herum und zeigte uns leere Zellen wobei er schlechte Witze machte ,dass wir alle hier auch einmal landen könnten wenn wir nicht unser Gemüse aufessen würden. Das was für mich am interessantesten war waren jedoch nicht verlassene Aufenthaltsräume oder Gefängnistoiletten ,sondern die Gefangenen selber. Ich konnte mir nicht vorstellen , dass Menschen wirklich böse sein können. Mein Vater meint immer zu mir , dass ich ein zu gutes Herz hätte und ich deswegen nicht an das Böse im Menschen Glaube. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben einen richtigen Gefangenen wenigstens zu sehen, aber dann führte uns Frau Lindners Wärter Freund in den Speisesaal für die Gefangenen die bald wieder frei kommen würden oder ungefährlicher und deswegen auch für Besucher zugänglich sind. Der Wärter Freund erklärte uns dann , dass wir hier zusammen Mittag essen würden. Das alles fand ich war unheimlich aufregend. Denn ich hoffte die Chance zu haben mit den Gefangen sprechen zu können. Als ich mir ein Tablett von einem alten Metallwagen holen wollte sah ich ihn : Ein Junge. Höchstens 16 Jahre alt. Mit haselnussbraunen Haaren. Er sah mich mit seinen türkisblauen Augen quer durch den Raum an und lächelte mir verschmitzt zu .

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