1. Kapitel

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„Möchtest du mir vielleicht heute erzählen, wieso du Drogen genommen hast?", fragte mich die Therapeutin und sah mich hoffnungsvoll an. Ich nannte sie insgeheim Drache, weil sie immer so trockene Hände hatte und sie sich anfühlten wir Drachenschuppen.

Ich verdrehte meine Augen und machte mir nicht einmal die Mühe, zu verbergen, dass ich genervt war. Das war jetzt schon ein halbes Jahr her! Ich war damals mit einer Gehirnerschütterung und einer geprellten Hüfte im Krankenhaus aufgewacht. Meine Eltern waren stinksauer gewesen und seit dem durfte ich meine Freunde nicht mehr wieder sehen, musste zu einer Therapeutin und ich war von der Schule genommen worden.

Gerade waren aber sowieso Sommerferien und danach würde ich die 11. Klasse an einer anderen Schule wiederholen müssen.

Seit dem Unfall durfte ich auch nichtmehr alleine das Haus verlassen, außer meine Eltern wussten haargenau, wohin ich mit wem ging und was wir machten. Aber im Moment gab es eh keine anderen Personen als meine Eltern und die Therapeutin in meinem Leben. Selbst meine große Schwester habe ich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen.

„Ich habe die Drogen genommen, weil die anderen es auch taten und außerdem tut man sowas halt manchmal in meinem Alter!", antwortete ich auf die Frage und seufzte genervt. Dies war allerdings nur die halbe Wahrheit.

Der Drache fragte dies ungefähr jede dritte Stunde und sie erhoffte sich jedes Mal, ein bisschen mehr heraus zu bekommen. Aber ich ließ nicht nach und blieb bei meiner Antwort. Mein Privatleben ging sie nichts an!

„Wie oft hast du Drogen genommen?", fragte sie mich und beobachtete meine Reaktionen genau.

Ich seufzte, sie stellte immer die gleichen Fragen. „Nur ein Mal!"

Sie notierte sich etwas in ihr schlichtes, graues Buch und stellte die nächste Frage; „Warum hast du Alkohol getrunken?"

Ja, auch das hatten meine Eltern heraus bekommen. Wilde Partys hinterließen ihre Spuren. „Weil ich Lust hatte?", schlug ich vor.

Sie ging nicht darauf ein, sondern stellte ihre nächste Frage: „Warum hast du geraucht?"

„Meine Freunde haben auch geraucht!"

„Du bist aber eine eigenständige Person, du kannst für dich selbst entscheiden!", erklärte mir Frau Schröder mit einem strengen Blick.

„Darf ich denn jetzt entscheiden, dass ich nach Hause gehe?", fragte ich provozierend.

„Nein, denn du warst nicht im richtigen Moment eigenständig und jetzt musst du lernen, mit den Konsequenzen zu leben!"

Ja, als ob das so einfach wäre! Früher war ich total brav, ich habe getan, was man mir gesagt hat und ich hatte Angst davor, Ärger zu bekommen. Dann habe ich, kaum dass ich nach meinem Unfall wieder Zuhause war, so großen Ärger bekommen, dass es mir inzwischen überhaupt nichts mehr ausmachte. Das letzte Jahr hatte mich in vieler Weise verändert.

Der Drache seufzte einmal tief. „Okay, möchtest du mir erzählen, was an diesem Abend passiert ist?", fragte sie mich weiter.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein!", antwortete ich gerade heraus.

Frau Schröder nickte bekümmert. „In Ordnung, die Stunde ist vorbei, du kannst gehen!", sagte sie und stand von ihrem Stuhl auf. „Zuhause kannst du dichten oder malen um deine Gefühle auszudrücken, das bringst du dann bitte nächste Woche mit!"

Ganz sicher nicht! Ich nickte nur stumm und stand auf, nahm meine Tasche und trat aus dem Raum. Im Wartezimmer wartete meine Mutter und als ich heraus kam, stand sie auf und kam auf mich zu.

Lila - nur die Zukunft zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt