Stille der Angst

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  Gebaut. Gebaut um das Leben derer zu zerstören, die nichts falsch gemacht hatten. Die sich nichts hatten zu Schulde kommen lassen. Und doch wurden sie bestraft. Wieso?... "Freiheit".

Stein für Stein wurde ich erschaffen. Ich begann Stimmen zu hören, Berührungen zu fühlen und schließlich das sanfte und doch kalte Licht des Mondes zu erblicken. Ich hatte keine Ahnung, was um mich herum geschah. Fremde Menschen. Die Einen bauten mich auf, die Anderen standen daneben, die Waffe in der Hand. Es wurde geschrien. Sie sollen schneller arbeiten, nicht wagen zu trödeln. Stundenlang. Was ging hier vor sich? Wo war ich? Und aus welchem Grund? Doch keine Antwort wurde mir gegeben. Wie auch? Ich war leblos, ohne Atem.

Die Zeit verging und die Ersten versammelten sich vor mir. Angst und Erschütterung spiegelte sich in ihren Gesichtern und Herzen wieder. Ungläubig starrten ihre Augen mich an. So viele. Frauen, Männer, sogar Kinder. Doch lange verwahrten sie nicht. Die Männer, in deren Händen das kalte Metall nur so glänzte, brüllten ihnen entgegen und versuchten sie zu vertreiben. Die Menge wurde lauter und alles versank in Chaos. Ein lauter Knall. Totenstille. Alles blickte zu einer Person. Regungslos lag sie dort, mit leerem Blick zum Himmel starrend.
"Niemandem ist es gestattet diese Grenze zu überqueren! Jedem, der sich widersetzt widerfährt das Schicksal dieses Mannes!"
Die Masse löste sich und Menschen verschwanden in dunklen Gassen.
Warum?... Wozu sein Tod? Woher nahmen sie sich das Recht? Wieso stoppte sie niemand?
Noch viele Blicke trafen mich im Laufe des Tages. Alle waren sie verängstigt und erfüllt von Hass. Tage, Wochen, gar Monate vergingen. Jedes Mal das gleiche Spiel. Ein Niemand wagte es sich mir zu nähern. Keiner lächelte, keiner war fröhlich. Schrecklich dieses Elend mit anzusehen. Doch es war noch nicht zu Ende... Es hatte gerade erst begonnen.

"Wieso?!... Wieso hast Du das getan?!"
Leise Schritte.
"Was haben wir Dir getan?!"
Ein sanftes Schluchzen. Ich blickte um mich, doch niemand war zu sehen.
"Du..."
Da tauchte ein Schatten auf. Ein junges Mädchen, kaum 6 Jahre alt. Ihre Augen glänzten und ihr Körper zitterte.
Ich war verwirrt. Was meinte sie? Wer war sie?
Noch ein Schritt. Und noch einer. Ein Schritt nach dem Anderen, bis sie schließlich vor mir stand.
"Wieso?... Wieso hast Du mir Papa genommen?..."
Ihre Hand verkrampfte und schlug mit aller Kraft gegen mich.
"Warum?! Er hätte niemals jemandem etwas getan! Papa ist!... Papa war..."
Schluchzend lehnte sie sich gegen mich und rutschte an mir runter.
Zu vielen Menschen wurde inzwischen das Leben genommen. Hier. Direkt vor mir. Nichts, das ich hätte tun können. Nein. Denn ich war es, die das Zeichen des Todes darstellte. Ich war die Grenze. Die, die Menschen, Freunde, Familien und einfach jeden trennte...
"Hey! Was machst Du da?!"
Ein grelles Licht erhellte das Dunkle der Nacht und umschloss das Mädchen vor mir.
"Weg da! Sofort!"
Voller Panik sprang sie auf, ging wenige Schritte zurück.
Doch sie stoppte. Sie blieb stehen und senkte ihren Blick zu Boden.
"Verstehst Du nicht? Verschwinde!"
Noch immer. Keine Reaktion.
"Papa..."
Einer der Männer erhob die Waffe.
"Jetzt komme ich zu Dir, Papa..."
Ein Klicken war zu hören.
"Freust Du dich auf mich?..."
Er zielte.
"Papa?"
Er drückte ab.
"Ich hab' Dich lieb."

Stille der AngstWhere stories live. Discover now