ZWEI

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Sie sah mich an. Ich wusste, dass sie mich sehen konnte. Ich stand in einer Ecke des Wohnzimmers. Vorhin war sie am Tisch eingeschlafen und bevor ihr Kopf auf den Tisch geknallt war, hatte ich sie auf die Couch getragen. Eben war sie aufgewacht und ihrem Gesicht zufolge fragte sie sich, wie sie auf die Couch gekommen war. Jetzt starrte sie mich an und ich hechtete auf sie zu und hielt ihr den Mund zu, ehe sie schreien konnte. 

"Nicht schreien!", meinte ich energisch. Meine Stimme musste für sie klingen wie die eines Herrschers, aber ich konnte nunmal nicht anders sprechen. Ich war es gewohnt, Leuten Befehle zu geben. "Bitte nicht schreien.", wiederholte ich, diesmal gab ich mir mühe, sanfter zu klingen. Meine breite Erscheinung schien ihr Angst einzujagen, denn sie versuchte, sich aus meinem Griff zu winden. "Ich lasse dich los, aber bitte fang nicht an zu schreien!", bat ich sie energisch. Sie starrte in meine silbernen Augen und ich sah sie nicken. Erleichtert ließ ich sie los und sie sprang zurück. Ihre grünen Augen waren geweitet. Ich hob beschwichtigend die Hände um ihr zu zeigen, dass ich sie nicht verletzen wollte. "Ich werde dir nichts tun. Ehrlich.", sagte ich, aber sie schien mir nicht zu glauben. "Shiela, bitte, ich..." Ich verstummte, als ich ihren Blick sah. 

"Du kennst meinen Namen?!", fragte sie schockiert. Ich seufzte. 

"Ja. Ich kann dir auch meinen Namen sagen, wenn du willst, aber dafür solltest du aufhören, Angst vor mir zu haben.", sagte ich dann. 

"Du bist auf einmal in meinem Haus. Du bist in mein Haus eingebrochen! Und ich soll keine Angst vor dir haben?!", fragte sie. Ich verschränkte die Arme. 

"Sehe ich so aus, als würde ich dich verletzen wollen?", fragte ich resigniert. Sie starrte mich an, dann legte sie den Kopf schief. 

"Ja.", antwortete sie kühl. Ich seufzte. Wenigstens überspielte sie ihre Angst. Ich hob eine Braue und fragte: 

"Willst du mich nach Waffen abtasten?" Sie blinzelte, dann schüttelte sie den Kopf. "Aber du willst wissen, wer ich bin." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Sie nickte. Ich musste grinsen. Wie jeder meiner Art hatte ich perfekte, weiße Zähne. "Hat es dir die Sprache verschlagen?", fragte ich amüsiert. Sie schluckte. 

"Nein.", antwortete sie fest. Ich nickte, dann nahm ich ungefragt auf der Couch platz. Sie wählte den Sessel weiter weg. Ich schnaubte. 

"Ach komm schon, so gruselig bin ich auch nicht.", verteidigte ich mich. Ihr Blick verfinsterte sich. 

"Du bist in mein Haus eingebrochen.", stellte sie noch einmal klar, dann lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich musterte sie. Sie war wirklich ziemlich schön, selbst für meine Verhältnisse. Ich fixierte ihren grünen Blick mit meinem silbernen. Langsam schien sie sich zu entspannen und ich konnte mit ihr reden, ohne dass sie zusammenzuckte. 

Das VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt