1. In dem das Selbstmitleid ein Ende findet

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Frisch geduscht und meinen Rausch ausgeschlafen sitze ich am Küchentisch meiner kleinen Einzimmer Wohnung. Die letzte Nacht hat mir den Anstoß gegeben, aufzuhören in Selbstmitleid zu baden und mein Leben in die Hand zu nehmen. Nachdem ich meinen Chef versehentlich erwischt habe, wie er Sex in der Abstellkammer hatte und er nicht riskieren wollte, dass ich seiner Ehefrau etwas erzähle - und bis dahin wusste ich nicht einmal, dass es eine Ehefrau gibt - hat er mich kurzerhand gefeuert. Es war nicht mein Traumjob zugegeben, bei einem Cateringdienst zu arbeiten, aber als ich letztes Jahr die Veranstalltungsleitung übernommen habe, war das Gehalt gut und die Arbeit nicht schmutzig. Es war bequem geworden und ich hatte aufgehört mich nach etwas Besserem umzusehen. Mit meinem Studium in Kunstgeschichte konnte ich keinen Job finden und die letzten paar Jahre ging es mir ganz gut.

Nun bin ich aber seit zwei Monaten meinen Job los und verpringe zuviel Zeit auf Netflix anstatt ernsthaft nach einem Job zu suchen. Meine beste Freundin Clara liegt mir schon seit Wochen in den Ohren und hat mir angeboten ihren Freund Arthur - Nerd und Maschinenbauingenieur - nach einem Job bei seiner Firma zu fragen. Ich habe immer wieder abgelehnt aber vielleicht ist es doch keine schlechte Idee Arthur anzurufen und tatsächlich nach einem Job zu fragen. Ich möchte nicht wieder irgendwo von Vorne, als Kellnerin oder Aushlife, beginnen. Vielleicht kann ich in einer Baufirma Kopiene machen oder Caffe kochen? Ich stöhne. Ich werde so oder so irgendwo neu beginnen müsse.

Mit diesem Gedaneken sitze ich also schon seit zwei Stunden vor dem Laptop und Suche nach einem WG-Zimmer. Bye-Bye eigene Wohnung - es war zu schön. Die meisten suchen Studenten und meine Erklärung "zwischen Jobs" scheint den meisten nicht zu gefallen. Und so bekomme ich eine Absage nach der anderen.

Schließlich schreibe ich zwei Jungs in einer drei-Zimmer WG an, die ein freies Zimmer haben in einer gemütlichen Dachgeschosswohnung. Als eine halbe Stunde später eine Einladung zur Besichtigung besagter Wohnung eintrifft, bin ich außer mir vor Freunde. Okay, das ist ein Lüge. Ich bin eher so semi-motiviert umzuziehen, aber ich freue mich mein Leben so langsam wieder auf die Reihe zu bekommen.

Mein Handy klingelt der Name Clara-Knödel erscheint auf dem zersplitterten Display. Ja noch so eines der Dinge die einfach momentan schief gehen. Ich hab mein Handy beim Einkaufen vor der Eistheke auf den Boden fallen lasse. Die hatten eben Ben&Jerrys im Angebot.

Ich nehme  Anruf entgegen und werde begrüßt von einem "Na du? Wie geht's unserer Party-Mia? Du bist ja gestern echt so abgegangen auf dem Dance Floor" Sie lacht sich immer noch kaputt als ich genervt antworte:

"Erstmal das Ding heißt Tanzfäche und das war echt nicht cool. Mein Kopf ist Matsche."

"Mein Mitleid bekommst du nicht, Mia, das weißt du. Also was ist gestern noch passiert mit dem heißen Doc?"

Seit Clara nach der Schule ein Jahr in Amerika war, baut sie ständig englische Wörter in ihre Sätze ein. Während ich sonst darüber schmunzeln würde, kann ich heute nur die Augen verdrehen.

"Mh, ja also ich bin mir nicht so ganz sicher...", druckse ich herum, "also ich bin dann irgendwie bei ihm gelandet aber heute Morgen gegangen bevor er aufgewacht ist."

"Ich hoffe ihr wart aber vorsichtig heute Nacht, du weißt ja, dass.."

Ich unterbreche sie, "Ja Clara, ich weiß woher die Babys kommen und natürlich habe ich aufgepasst."

Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche mir nicht meine Unsicherhet anmerken zu lassen. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nämlich an den Teil der Nacht gar nicht mehr erinnern und nur hoffen, dass ich auch im betrunkenen Zustand meinen Verstand behalten habe.

Um sie abzulenken frage ich: " Naja aber ist ja auch egal. Ich habe heute einen Termin für eine Zimmer Besichtigung nächste Woche ausgemacht. Und außerdem wollte ich dich doch nochmal fragen, ob du Arthur wegen eines Jobs fragen kannst?"

"Na wenn da mal einer sein Leben in die Hand nimmt. You go girl! Aber klar kann ich das machen, das habe ich dir ja schon angeboten."

"Super, das ist echt Klasse..."

Im Hintergrund höre ich Stimmen.

"Du Mia, ich muss jetzt Schluss machen, die Arbeit ruft. Versprochen ich rede mit Arthur. Und du - pass auf dich auf."

"Klar mach ich. Nie wieder Jägermeister für mich." Ich lache zum ersten Mal seit gestern.

"Hab dich Lieb, Mia-Möhre!"

"Guten Flug, Clara-Knödel!"

In solchen Momenten bin ich dankbar für meine beste Freundin Clara. Sie arbeitet als Flugbegleiterin, weshalb sie oft verrückte Arbeitszeiten hat aber wir schaffen es trotzdem uns regelmäßig zu treffen. Wir kennen uns schon seit der Schulzeit und obwohl wir unterschiedlicher nicht sein könnten, ergänzen wir uns, wie es nur beste Freunde können. Während Clara ein strukturiertes Leben führt, mit ihrem Feund und einem Kater zusammen wohnt, ihre Harre immer sitzen und sie wirklich zu jedem freundlich ist, bin ich das komplette Gegenteil. Haare die nie sitzen wie sie sollen, eine Katzenhaaralergie, keinen Job und nie eine feste Beziehung.

Ich schließe meinen Laptop und entscheide, dass ich heute genug Zeit damit verbracht habe mein Leben zu reglen. Mit dieser Ausrede im Kopf wandere ich zum Kühlschrank, wobei das Ergebnis meiner Suche eher mager ausfällt und schleppe mich wieder aufs Sofa zu meinem Buch und meiner Wolldecke. Zwei Dinge, die kein Chaos in meinem Leben anrichten werden.

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