Kapitel 5: 470 Kilometer trennen mich von euch...

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Schon am nächsten Tag war es soweit – Sebastian parkte gegen halb 7 aus der großen Parklücke vor seinem Elternhaus aus und winkte noch einmal seiner Mutter und seinem Vater, die in der Einfahrt standen, zum Abschied.
Jetzt würde es auf die gut 470 Kilometer lange Strecke nach Leipzig gehen; er würde in 5 ½ Stunden vor seiner Ex-Freundin stehen und das erste Mal seinen kleinen Sohn sehen.
Wie er wohl aussah? Hatte er die Augen seiner Mutter? Oder eher die Augen seines Vaters; eines Vaters, der sich sehr auf sein Kind freute?

„Gleich ist Papa bei dir.", flüsterte Sebastian kurz und blickte auf den Beifahrersitz, wo der Plüschteddy, der den Plüschball in der Hand hielt, angeschnallt saß. „Hoffentlich hat dich deine Mama nicht schon weggegeben! Aber sie wird das bestimmt nicht übers Herz bringen, dich einfach wegzugeben. Dafür hatten wir viel zu viel Angst, bevor du auf die Welt gekommen bist. Vielleicht... Ja, vielleicht kann ich dich sogar mitnehmen."

Ein Klingeln riss Sebastian aus seinen Gedanken an seinen kleinen Sohn und er blickte auf sein Handy, das in der Handyhalterung steckte.
Er hatte eben eine SMS bekommen; allerdings würde er diese wohl erst bei einer kleinen Pause lesen können, schließlich musste er sich auf den Verkehr vor sich konzentrieren.
„Wer schreibt mir denn früh um... kurz vor Sieben eine SMS? Das kann doch eigentlich nur meine Mutter sein...", wusste Sebastian und er setzte, da er inzwischen auf der Autobahn Richtung Osten fuhr, den rechten Blinker, um an der Tankstelle kurz anhalten zu können.

Bei dem kurzen Stopp, den er einlegte, dachte Sebastian sofort wieder an seinen kleinen Sohn und er stellte sich vor, dass hinter ihm auf der Rückbank schon der kleine Jonas saß und mit seinen Fingerchen den Teddybären bearbeitete. Oder wie er seinen kleinen Sohnemann das erste Mal in den Kindergarten brachte...

„Du bleibst natürlich bei deiner Mutter..." Kurz schüttelte Sebastian den Kopf, um seine Gedanken an den kleinen Jonas aus dem Kopf zu bekommen, doch als er den Text, den ihm seine Ex-Freundin heute Morgen geschrieben hatte, las, wurde ihm schon jetzt schlecht...

‚Unserem süßen, kleinen Jonas geht es überhaupt nicht gut. Der behandelnde Arzt des Kleinen macht sich sehr große Sorgen um unseren Sohnemann... Wollte dir nur Bescheid geben, was los ist. Gruß Katharina.', hatte die Ex-Freundin von Sebastian dem Vater ihres kleinen Sohnes geschrieben und Sebastian wählte sofort die Handynummer seiner Ex-Freundin, die mit der SMS mitgesendet wurden war.

„Katharina? Ich bin es, Sebastian. ... Was ist denn plötzlich mit dem Kleinen los? ... Ja, ich bin jetzt schon auf dem Weg zu euch. Aber was hat Jonas denn plötzlich?", fragte der besorgte Sebastian seine Ex-Freundin, die erst lange Zeit nicht antwortete, dann aber einen Satz von sich gab, der den Schlagersänger noch mehr in Sorge brachte.
„Jonas hatte plötzlich Probleme mit der Atmung; er hat ganz komisch geröchelt. Der Arzt hat den Süßen... auf die Intensivstation verlegt; keiner darf im Moment zu ihm. Nicht einmal ich darf zu Jonas Liam.", antwortete Katharina auf Sebastians Frage und der besorgte Vater des kleinen Jungen konnte gar nicht schnell genug wieder im Auto sitzen, als er erfuhr, was mit seinem neugeborenen Sohn los war.
„Ich komme sofort zu euch. Ich bin in... in einer Stunde bin ich bei euch in Leipzig und besuche unseren Kleinen. Dann schaue ich nach unserem kleinen Sorgenkind. ... Ich bin so schnell wie möglich bei euch im Krankenhaus.", meinte Sebastian zu seiner Ex-Freundin.

Die allerdings wusste genau, dass der behandelnde Arzt von Jonas Liam den Vater ganz sicher nicht zu dem kleinen Jungen auf die Intensivstation lassen würde. Und das sagte sie ihm auch ganz offen. „Der Arzt wird dich auch nicht zu unserem gemeinsamen Sohn auf die Intensivstation lassen, Sebastian. Selbst mich als leibliche Mutter unseres kleinen Jonas... Ich darf auch nicht zu unserem kleinen Sohn. Es geht ihm allerdings sehr schlecht, hab ich von Luckis behandelndem Arzt Dr. Heuermann gehört.", erwiderte Katharina und Sebastian widersprach: „Ich werde zu unserem Kleinen dürfen; auf jeden Fall. Mich wird keiner davon abhalten..."

„Aber der behandelnde Arzt...", wiederholte Katharina, doch Sebastian erklärte: „Ich werde zu meinem kleinen Sohn gehen; mir ist es egal, was der behandelnde Arzt des Kleinen geht. Er ist zwar vielleicht sehr krank, aber ich muss mich doch dann gerade jetzt um meinen kleinen Spatz kümmern. Er braucht mich... Und vor allem braucht er seine Mutter."

„Gut, dann komm her. Aber der Arzt wird dich nicht zu unserem gemeinsamen Sohn lassen. ... Sebastian, ich hab Angst. Ich hab solche Angst um den Kleinen; er hat plötzlich nicht getrunken. Ganz plötzlich hat er geröchelt und... und so komisch geatmet. Ich habe so große Angst, dass mein kleiner... dass unser kleiner Sohnemann stirbt. ... Sebastian, ich brauche dich. Ich will nicht, dass unser Kleiner stirbt. Er soll nicht alleine sein.", bat Katharina und ihr Ex-Freund erwiderte: „Ich komme natürlich zu euch... Mach dir keine Sorgen, Kathy. Ich komme zu euch und kümmere mich um unseren Kleinen..."



Wenige Stunden später, inzwischen war es kurz nach ein Uhr und Katharina hatte eben zu Mittag gegessen, klopfte es an ihrer Zimmertür und nachdem sie „Ja" gerufen hatte, kam Sebastian ins Zimmer der besorgten Mutter.

„Hallo Katharina... Hey, Lillian. Bist du bei deiner Mama zu Besuch?" „Ich bin alleinerziehernd, mein Vater wohnt und arbeitet immer noch in Wipperfürth. Ich wusste nicht, wohin ich mit der Kleinen sollte. Deswegen durfte Lillian bei mir im Krankenhaus bleiben.", erklärte Katharina, die mit ihrer kleinen Tochter noch ein wenig spielte, bevor sich das kleine blonde Mädchen unter dem Wickeltisch versteckte.
„Na, Lillian. DU bist aber wirklich schon groß geworden. ... Wie alt bist du jetzt?", wandte sich Sebastian an die kleine Lillian, die den Sänger mit großen Kulleraugen ansah und etwas unsicher auf die Frage von Sebastian antwortete: „Zwei..."

„Zwei Monate?", versuchte Sebastian, die Kleine ein wenig zu ärgern und Lillian ließ sich von dem Sänger veräppeln und nickte, bevor ihr ihre Mutter zu Hilfe kam. „Nee, meine Süße. Du bist schon zwei Jahre alt... Nicht erst zwei Monate."

Mit besorgtem Blick wandte sich Sebastian, als die kleine Lillian langsam wieder unter dem Wickeltisch hervor gekrochen kam, an seine Ex-Freundin: „Wie geht es Jonas? Was ist denn mit ihm? Weißt du schon genaueres?"
„Nein, ich weiß noch nichts; die Ärzte halten sich immer noch bedeckt.", erwiderte Katharina und nahm ihre kleine Tochter wieder auf ihren Schoß, während die Zweijährige nervös an ihren Fingern ihrer rechten Hand nuckelte und mit ihrer Plüschkatze, die sie in der linken Hand festhielt, herumwedelte.

„Lillian, gehst du jetzt wieder lieb spielen. Mit deiner Miezekatze. Ich möchte bitte mit dem lieben Sebastian reden. ... Er ist der Papa von deinem kleinen Bruder."

„Baby kand.", erklärte das kleine Mädchen und musterte Sebastian von Kopf bis Fuß, während sich der Sänger noch einmal zu der Kleinen nach unten beugte und die „große" Schwester von Jonas Liam fragte, was sie denn für ein tolles Spiel spielte.
„Mieze kand. Dodor...", deutete die kleine Lillian, die langsam merkte, dass Sebastian wohl nett war und sie ihm vertrauen konnte, auf den kleinen Kindertisch, auf dem ein Puppendoktorkoffer stand. „Dodor... Au kand..."

„Ich muss mal mit deiner Mama reden... Wegen deinem kleinen Bruder.", erwiderte Sebastian, bevor er die Tränen in den Augen des kleinen Mädchens, die eigentlich mit dem Sänger spielen wollte, sah. „Aber dann spielen wir eine Runde zusammen, Lillian. Das ist kein Problem, du kleine Maus...", erklärte er sich bereit, mit dem zweijährigen Kind eine Runde zu spielen.

„Lillian, lass jetzt bitte deine Mama erst mal mit Sebastian reden. Wir müssen besprechen, was mit unserem kleinen Liam los ist. Ihm geht es nicht gut. Und... vielleicht kann der liebe Sebastian ja zu unserem kleinen Spatz auf die Intensivstation."

Lillian schien allerdings nicht zu verstehen, dass weder ihre Mutter, noch der ihr noch völlig unbekannte Mann, der noch auf Augenhöhe mit dem Mädchen war, im Moment wirklich nicht mit ihr spielen wollten oder konnten. „Mama kand... Kand Mama..."

„Wir spielen dann wieder zusammen...", erklärte Sebastian der Kleinen noch einmal mit liebevoller Stimme und streichelte ihr über den Kopf, bevor er sich wieder Katharina zuwandte.
„Wir werden ganz sicher gleich zu unserem kleinen Jonas Liam gehen dürfen. ... Hast du eigentlich schon ein Foto von ihm?", fragte Sebastian und Katharina nickte kurz, bevor sie auf das Buch, das auf ihrem Nachttisch lag, deutete.

„Ich habe ein Foto von ihm, kurz nach seiner Geburt... Da hat die Krankenschwester den Moment festgehalten, als... Als ich das erste Mal unseren kleinen Spatz auf dem Arm halten durfte. Und ich hab... vorhin, als Jonas noch bei mir war... Da hab ich ein kleines Video gedreht.", meinte Katharina und holte ihr Handy aus der Nachttischschublade. „Es sind zwar nur ein paar Sekunden, aber er... Er ist so ein wunderbarer, kleiner Junge. Ich habe ihn sofort in mein Herz geschlossen. Wenn ich nicht nach Italien zu meiner Großmutter, die mich plötzlich braucht, müsste, dann..."

„Du willst wirklich den kleinen Mann abgeben?", fragte Sebastian erschüttert, als er erfuhr, dass Katharina wohl wirklich ihre Heimat verlassen wollte.
„Ja. Ich kann einfach den Kleinen nicht mit nach Italien nehmen. Das ist für mich zu viel Stress. Die kleine Lillian mit ihrem Herzfehler wegen ihrer zu frühen Geburt. Und dann noch der Kleine... Mit seiner plötzlichen Atemproblematik. Wer weiß, was mit unserem kleinen Sohn wirklich los ist. Das weiß keiner...", erwiderte Katharina und Sebastian schluckte kurz, als er das erste und bisher wohl auch einzige Foto seines kleinen Sohnes sah.

Das sollte wirklich sein Sohn sein? Sein neugeborener kleiner Junge? - Sebastian konnte es selbst noch nicht glauben. „Er... Er ist so ein... ein süßer kleiner Knopf. Wie... Wie groß sind denn die Chancen für den Kleinen, wenn... Wenn er vielleicht... operiert werden müsste? Könnte er wenigstens die Operation auch überleben?"
„Ich weiß es nicht, Sebastian. Es kann sein, dass er die Operation überleben kann. Aber es kann eben auch sein, dass... Dass er seiner großen Schwester alles nachmacht und auch einen Herzfehler hat. Es gibt da eine... Disposition, also... dass er vielleicht von der Seite seiner Eltern oder Großeltern einen genetischen Fehler geerbt hat, dass er krank wird. Bei Lillian ist es der Fall gewesen, dass... Dass sie den Herzfehler nicht nur wegen ihrer zu frühen Geburt, sondern auch, weil ich auch krank war..."

„Und wie kann man so etwas... rausbekommen? Machen die Ärzte irgendwelche Untersuchungen bei unserem Kleinen?", fragte Sebastian erschüttert und er blickte noch einmal auf das Foto seines kleinen Sohnes, der wirklich sehr süß war.
„Ich weiß es nicht. Es kann sein, dass die Ärzte bei ihm eine Untersuchung seiner Gene machen. Wir müssen sehen, was sie mit dem Kleinen machen wollen. Aber in erster Linie muss heraus gefunden werden, warum unser kleiner Sohn so plötzlich diese Atemprobleme hatte und... und was mit ihm wirklich los ist. Sonst..."

Katharinas Blick sprach Bände und Sebastian erkannte sofort, dass das jetzt alles kein Spaß war und dass eventuell sogar das Leben seines kleinen Jungen auf dem Spiel stand.

„Es könnte also sein, dass... Dass unser kleiner... Dass Jonas vielleicht sogar sterben könnte? Das willst du mir doch jetzt sagen, oder?", fragte der Sänger und musste sich erst einmal auf den Stuhl, der neben Katharinas Bett stand, setzen, als die zweifache Mutter kurz nickte und erwiderte: „Ja, es könnte sein. Aber wir malen jetzt beide mal nicht den Teufel an die Wand, sondern schauen ganz entspannt nach vorne. Jonas Liam ist sehr gut von den Ärzten überwacht. Und... Sobald der behandelnde Arzt von unserem kleinen Kämpfer weiß, was mit dem Süßen los ist, dann wird er sich bei uns melden."

Da klopfte es erneut an der Tür von Katharina und ein etwas fülligerer Mann in einem weißen Arztkittel, der eine Krankenakte in der Hand hielt, trat ins Zimmer.
„Ach, sie haben Besuch. Störe ich gerade? Ich kann auch später noch einmal wiederkommen, wenn sie alleine sind...", meinte der Mediziner mit einem Blick auf Sebastian, doch Katharina schüttelte den Kopf und erwiderte: „Nein, nein. Kommen sie ruhig rein. Sie brauchen keine Geheimnisse vor ihm zu haben; er ist der leibliche Vater des Kleinen..."
„Ach, sie sind der glückliche Papa. Schön, sie kennen zu lernen. Mein Name ist Dr. Heuermann, ich bin der behandelnde Arzt ihres kleinen Sohnes Jonas...", erklärte der Arzt, der nun die Tür hinter sich schloss und an Sebastian, dem er freundlich die Hand reichte, herantrat.

Dann wandte sich der Mediziner wieder an die Mutter des Kleinen und erklärte: „Wir haben ihren kleinen Sohn jetzt erst einmal wieder stabilisiert; sie brauchen sich keine Sorgen um den Süßen zu machen. Es ist alles in Ordnung."

„Aber was war denn nur mit Jonas los? Warum hat der Kleine plötzlich so komisch geatmet? Haben sie da schon eine Diagnose?" „Wir haben bei ihrem kleinen Sohn jetzt erst einmal noch ein wenig Blut abgenommen, als wir ihn stabilisiert hatten. Das wird jetzt im Labor auf Krankheitserreger untersucht. ... Haben sie sich in den letzten Wochen nicht wohl gefühlt? Waren sie erkältet? Oder hatten sie eine Infektion?"
„Nein, ich war kerngesund. Aber... Lillian. Sie war vor einer Woche krank; da musste ich sie kurzfristig sogar aus dem Kindergarten abholen. Aber ich glaube nicht, dass ich mich bei der Kleinen angesteckt habe." „Was hatte ihre kleine Tochter vorige Woche?", fragte der Kinderarzt, als er sogleich hellhörig wurde und etwas angespannt das kleine Mädchen beobachtete, das mit ihrer Plüschkatze Tierarzt spielte.

„Ich war mit Lillian nicht beim Kinderarzt; es ging ihr am nächsten Tag wieder besser. Und der Kindergarten hat auch gleich akzeptiert, dass ich nur eine von mir geschriebene Entschuldigung abgegeben hatte. Ich hatte ziemlich viel Stress in den letzten Wochen, wissen sie. Die Trennung von meinem Lebensgefährten... Ich wusste nicht, wo mir manchmal der Kopf stand."

„Und wie ich meine Ex-Freundin kenne, hat sie sich nicht ausgeruht...", meinte Sebastian und sah auf Katharina, die nickend fortfuhr: „Als alleinerziehende, zweifache Mutter ist es nicht einfach, im Alltag sich ausspannen zu können, wenn man niemanden hat, wo man das Kind parken kann."

„Sie haben keine Freunde?" „Doch, schon. Aber Lillian lässt sich von niemandem anderen versorgen, als von mir oder von ihrer Kindergärtnerin. Selbst einen anderen Kindergärtner, wenn die Haupterzieherin einmal nicht da ist, akzeptiert die Kleine nicht. Dann schreit sie den ganzen Kindergarten zusammen und weint solange, bis ich sie mitnehme."

Der Kinderarzt sah weiterhin der kleinen Lillian zu und nickte kurz, bevor er die Krankenakte des erst einen Tag alten Jonas öffnete und sich anschließend wieder kopfschüttelnd die Mutter seines kleinen Patienten ansah.
„Wissen sie, Frau Große. Wenn ich mir sie so anschaue... Sie sind wirklich reif für einen drei Monate langen Urlaub. Ohne ihren Kindern. ... Können sie denn nicht doch ihre Freunde bitten, auf die Kleinen aufzupassen. Ihre kleine Lillian wird sich bestimmt doch an einen anderen Menschen gewöhnen, kann ich mir vorstellen.", meinte der Kinderarzt des kleinen Jonas Liam, doch Katharina schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich kann Lillian und Jonas nicht irgendwo anders parken. Das geht nicht. Meine kleine Motte würde das nicht aushalten, wenn... ich sie einfach alleine lassen würde. Das... Das muss damit etwas zu tun haben, dass ihr Vater sie einmal vier Stunden alleine in ihr Zimmer gesperrt hat, weil er mit seinen Freunden etwas trinken fahren wollte. Daraufhin habe ich die Reißleine das erste Mal gezogen. Aber weil Leon versprochen hatte, dass er das nicht noch einmal tun würde, da... Da hab ich ihm geglaubt."

„Aber wo bleiben sie denn da? Ich kann mir vorstellen, dass es für sie als alleinerziehende Mutter wirklich nicht einfach ist. Ich bin selbst alleinerziehend; das ist nicht leicht, alle Kinder zufrieden zu stellen und sich selbst nicht dabei zu vergessen. Aber sie können nicht verlangen, dass ihr Körper das noch lange mitmacht."

Da kam auch schon eine Krankenschwester ins Zimmer der frischgebackenen zweifachen Mutter und reichte dem Kinderarzt die aktuellen Laborergebnisse des kleinen Jonas.
„Ich sehe es schon... Hier, die Werte sind nicht gut. ... Ja, ihr kleiner Sohn hat sich eine Infektion eingefangen; wohl schon in der Schwangerschaft. Es kann auch schon eine Lungenentzündung sein, das müssen wir sehen. ... Wir werden ihn engmaschig überwachen. Und ihm natürlich Antibiotika geben."

„Kann... Kann ich denn zu meinem kleinen Sohn? Oder darf ich ihn nicht sehen?", fragte Sebastian, doch der Kinderarzt zuckte kurz mit den Schultern.
„Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee wäre, wenn sie den Kleinen besuchen gehen. Es geht ihm momentan immer noch nicht besonders gut und jede Aufregung, die der Kleine hat, könnte dazu führen, dass sich sein Zustand noch verschlechtert. Deswegen habe ich auch erst einmal die Besuche der Mutter ein paar Tage verboten, damit sich der Zustand von Jonas Liam noch bessern kann und wir ihn nicht noch intubieren müssen, weil er sich immer schlechter fühlt."

„Aber Nähe zu den Eltern... Das brauchen die Babys doch, wenn es ihnen nicht gut geht. Das hab ich in einem Buch gelesen, was ich mir besorgt habe.", erwiderte Sebastian und der Kinderarzt nickte kurz, bevor er zu bedenken gab: „Herr..." „Wurth, Sebastian Wurth"
„Herr Wurth, natürlich ist Nähe zu den Eltern besonders im Krankheitsfall bei Kindern sehr wichtig. Das will ich auch nicht abstreiten. Aber besonders ihr kleiner Sohn ist sehr schwach; wir haben außer der Infektion auch noch eine Herzproblematik bei Jonas entdeckt. Und daher kann man dem Kleinen nur ganz ganz wenig Besuch zumuten; sonst könnte es im schlimmsten Falle sogar durch die Aufregung zu einem Herzstillstand kommen."

„Ich will aber meinen kleinen Sohn wenigstens einmal sehen... Wenn es ihm schlecht geht, dann braucht er mich.", erwiderte Sebastian und sah den Kinderarzt flehend an, bis der endlich nachgab und erklärte: „Gut... Gut, Herr Wurth, dann... Dann können sie jetzt ganz kurz zu ihrem kleinen Sohn. Aber bitte wirklich nur ein paar Minuten. ... Wenn sie wollen, Frau Große... dann können sie auch mitgehen und ihren kleinen Jungen besuchen. Das ist kein Problem. Wenn sie dabei sind, dann wird Jonas sich bestimmt weniger aufregen. Ihre kleine Tochter wird sowieso langsam müde.", deutete der Kinderarzt aus dem herzhaften Gähnen der zweijährigen Lillian, die noch mit ihrer Plüschkatze spielte und gar nicht mitbekam, dass der Mediziner im Zimmer war.

Da drehte sich die Kleine allerdings doch um und sagte: „Dodor... Dodtor... Mauz kand... Mauz kand..."
„Deine Mauz ist krank? Was machen wir denn dann?", fragte Dr. Heuermann und lenkte das kleine Mädchen so gut ab, dass Katharina ohne Probleme hinter Sebastian aus dem Zimmer huschen konnte.


Ihr Weg führte die besorgten Eltern des kleinen Jonas Liam bis auf die Intensivstation zu einem Zimmer, in dem zwei Babys lagen; überwacht durch je einen Monitor, der Herzschlag, Puls und Blutdruck der beiden kleinen Patienten kontrollierte und die Werte anzeigte.

„Da ist ihr kleiner Sohn.", deutete die Krankenschwester, die Sebastian und Katharina begleitet hatte, auf das linke Bettchen, in dem ein kleines Häufchen Elend lag und um sein noch junges Leben kämpfte.

„Das... Das ist... Das ist mein... kleiner Sohn? Mein... Mein kleiner Jonas?", fragte Sebastian erschüttert und er merkte, dass er beim Anblick des Säuglings bereits mit den Tränen kämpfen musste.
Er sah es nicht gerne, dass sein Baby gegen dem Sterben kämpfte und dass es dem Kleinen dabei wohl so schlecht ging.

„Ich... Gehen wir zusammen rein?", fragte er seine etwas blasse Ex-Freundin und wollte schon ganz langsam ins Zimmer des kleinen Jungen gehen, doch da schüttelte Katharina abwehrend ihren Kopf und erwiderte: „Nein... Nein, ich kann das nicht. Ich... Ich kann unseren kleinen Jonas nicht anschauen. Was ist denn, wenn... Wenn sich das Leben... Wenn sich Jonass Zustand doch noch in den nächsten Minuten, wenn wir bei ihm sind, verschlechtert? Geh' du alleine zu unserem Kleinen, ich bleibe hier draußen und warte auf dich."
„Aber Jonas braucht uns beide. Er wartet doch auf dich. Du bist seine Mutter, du musst dich doch um unseren kleinen Sohn kümmern. Er will seine Mama bei sich haben, wenn es ihm schlecht geht. Komm bitte mit, Katharina. Ich... Ich kann nicht alleine zu ihm gehen; er kennt mich doch noch gar nicht. Vor mir hat er ganz sicher Angst; vielleicht sogar pure Panik, wenn ich ihm über das Köpfchen streicheln will oder... ihn einfach nur anschaue."

„ICH KANN DA NICHT REIN, SEBASTIAN! VERSTEHST DU DAS NICHT? WILLST DU MICH NICHT VERSTEHEN? ODER SCHAFFST DU DAS NICHT? ICH KANN NICHT ZU UNSEREM SOHN, WENN ER GERADE STIRBT!!!", fuhr Katharina ihren Ex-Freund energisch an und sie verschwand mit einem letzten Blick auf ihren kleinen Jonas, der sich gerade ein wenig bewegt hatte, von der Intensivstation.

„Wenn sie jetzt zu ihrem Kleinen gehen wollen, dann sollten sie aber das hier anziehen...", bat die Krankenschwester, die aus einem kleinen Nebenraum einen grünen Kittel geholt hatte, den besorgten Sebastian und hielt ihm den Kittel hin.

Sebastian nickte kurz und zog sich schnell den Kittel über, dann betrat er etwas unsicher auf seinen kleinen Sohn schauend, das Zimmer des Säuglings...

Das FeuerherzfindelbabyWhere stories live. Discover now