Kapitel 11

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Nervös begebe ich mich zum Magieunterricht. Ich habe den kompletten Vormittag meinen Unterricht geschwänzt und außerdem habe ich heute früh Magie angewendet, über die ich eigentlich gar nicht verfügen dürfte. Wahrscheinlich werde ich einen gehörigen Anschiss bekommen. Zumindest wenn Frau Werniger von diesem Vorfall gehört hat. Aber bei dem ganzen Getuschel um mich herum hat sich mein Ausraster schon rumgesprochen. Dann gibt es jetzt kein Zurück mehr!

Dann heißt es jetzt Augen zu und durch. Sofort richte ich mich auf, mache den Rücken gerade und sehe jedem in die Augen, der mich angafft. Keine hält meinem Blick länger als ein paar Sekunden stand, was auch gut so ist. Meine Anspannung ist so groß, dass ich jeden der mir blöd kommt in die Luft jagen könnte. Überrascht stelle ich fest, dass ich flankiert werde. Victoria läuft auf meiner linken Seite einen Schritt hinter mir während Selena schon zwei Schritte zurück gefallen ist und meine rechte Seite absichert. Scheinbar haben sie es verstanden.

Kurz nicke ich Beiden zu. Eine Geste der Akzeptanz. Sie haben ihren Fehler eingesehen und ich bin bereit ihnen irgendwann zu verzeihen. Noch nicht sofort, dafür war der Fehltritt einfach zu groß, aber in den nächsten Tagen wird sich das sicherlich wieder einrenken.

Hoch erhobenen Hauptes laufe ich auf Frau Werniger zu. Sie steht in der Mitte unseres Trainingsplatzes. Eine riesige Sporthalle unter dem Internat, in der wir immer unsere Magie trainieren und Übungskämpfe durchführen. Sie ist so groß wie ein Fußballfeld und misst ungefähr sechzig Meter in die Höhe. Der Boden ist aus einfachem Sand, der bereits festgetreten ist und die Betonwände zeigen schon einige Blessuren.

Mit Magie kann man eine Menge Schaden anrichten und hier lernen wir sie kontrolliert einzusetzen. Das hat mir geholfen selbst in meiner Wut weder Victoria noch Selena ernsthaft zu verletzen. Auch wenn Riley seinen Teil dazu beigetragen hat. Doch diesen Kontrollverlust würde ich nie zugeben.

Vor Frau Werniger angekommen sehe ich ihr direkt in die Augen. Es ist schon lustig etwas größer als der eigene Lehrer zu sein. Mit meinen eins sechzig bin ich eine recht große Hexe. Die meisten bleiben um die einen Meter fünfzig groß. Und so geht es auch der kräftigen Frau mit den langen braunen Haaren und den strengen grünen Augen, welche jeden meiner Schritte mustern.

"Miss Snow. Ich habe Dinge gehört. Zeigen sie sie mir.", fordert sie mich auf. Das mag ich an dieser Frau so sehr. Sie redet nie um den heißen Brei herum, sondern kommt immer gleich zur Sache. "Aber sicher doch.", gebe ich genauso kalt zurück. Auf meinen Blick hin entfernen sich Selena und Victoria von mir. Es ist unnötig sie leichtsinnig in Gefahr zu bringen, auch wenn ich nicht weiß, ob ich die Magie wieder so benutzen kann wie heute früh.

Ich spüre die Blicke aller auf mir, dränge sie aber beiseite und versuche mich zu konzentrieren. Meine Magie gehorcht sofort und ich kann ein glückliches Lächeln nicht zurückhalten. Wie heute Vormittag fühlt es sich ganz natürlich an meine Magie zu rufen. Früher war es nicht ganz so. Es hat sich immer irgendwie blockiert angefühlt. Doch jetzt bin ich endlich frei. Mit der linken Hand rufe ich des Wasser, welches sich erneut an meinem Bein empor schlängelt und mit der rechten Hand das Feuer. Als beide Elemente in meinen Handflächen zu einem Ball zusammen geflossen sind, halte ich diese meiner Lehrerin vor die Nase.

"Nicht schlecht für den Anfang. Doch dies ist nur ein kleiner Teil, den du mit deiner Magie beherrschen kannst. Wir werden es weiter ausbauen. Das heißt Zusatzunterricht für dich. Zwei Stunden die Woche bleibst du länger, um von mir persönlich unterrichtet zu werden.", gibt sie zurück und scheint komplett unbeeindruckt. Als hätte sie das schon hunderte Male gesehen. Zum ersten Mal frage ich mich, auf welcher Stufe sie eigentlich steht. Das habe ich mich noch nie gefragt. Aber ich habe sie ja auch noch nie Magie anwenden sehen.

"Wollen wir mal sehen, ob ihr über die Ferien nicht alles verlernt habt! Stellt euch in Zweiergruppen zusammen und dann zeigt mal, was ihr bei mir gelernt habt.", reißt mich meine Lehrerin aus den Gedanken. Schnell lasse ich mein Feuer und mein Wasser wieder verschwinden und wende mich meinen Klassenkameraden zu. Bei einer solchen Gelegenheit habe ich eigentlich immer mit Victoria zusammen gearbeitet, da wir bei solchen Übungen eine ähnliche Stärke haben sollen. Doch ich kann sie nirgends entdecken.

Dann braust von der Seite auf einmal ein Stein auf mich zu, den ich einfach in der Luft stoppe. Victoria. "Und ich dachte schon, dass du jetzt Angst vor mir hast und dich in einer Ecke verkriechst.", rufe ich ihr schnippisch zu und muss mich zusammen reißen, um nicht zu lachen. "Nach deiner kleinen Wasserschlacht? Das hättest du wohl gerne!", gibt sie zurück und wirft demonstrativ ihre langen Haare nach hinten. Kurz sehen wir uns beide an, dann brechen wir in schallendes Gelächter aus. Wir konnten uns noch nie lange böse sein.

Bevor Frau Werniger uns anschnauzen kann, dass wir nicht lachen sondern üben sollen, beginnen wir uns gegenseitig mit Magie zu beschießen. Doch wir merken schnell, dass sie mir nicht mehr gewachsen ist. Seit ich gestern Abend mit Riley an den Klippen gewesen bin ist etwas mit mir passiert. Meine Magie hat an Stärke zugenommen und ich weiß gar nicht, wie es dazu kam und ob dieser nervige Werwolf etwas damit zu tun hat.

Die Gedanken an Riley verdrängend teste ich ein Wenig meine neuen Fähigkeiten. Doch nur so, dass Victoria auch genügend Zeit hat auszuweichen oder den Angriff abzuwehren. Nur das sie beim letzten Angriff meinerseits nicht richtig aufpasst und die Wasserkugel in der Größe einer Wasserbombe sie mitten auf der Brust trifft. Sofort wird ihr graues Oberteil halb durchsichtig und man kann ihren BH sehen.

Rot anlaufend verschränkt sie die Arme vor der Brust und funkelt mich wütend an. "Elisabeth Snow! Das ist nicht lustig! Wegen dir bin ich schon wieder nass!", faucht sie mich an aber ich kann mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen. "Du bist doch nicht aus Zucker.", lache ich und bilde eine Feuerkugel. "Soll ich dich trocknen?", frage ich herausfordernd, doch meine Freundin schüttelt abwehren den Kopf. "Lass es bleiben. Ich habe keine Lust auf Verbrennungen fünften Grades." "Du bist gemein." Gespielt verletzt lasse ich das Feuer wieder verschwinden.

Dann brechen wir Beide wieder in schallendes Gelächter aus. Es ist so schön, dass jetzt alles wieder so ist wie vorher. Bevor der Unfall war und bevor unsere Freundschaft auf der Kippe stand. Bevor sich meine Magie vollständig gezeigt hat. Vielleicht habe ich keine Familie mehr, aber meine Freunde werden zu mir halten und mich wieder aufbauen. Das Leben geht weiter und endlich bin ich auch bereit dafür.

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now