16. Kapitel

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Magerys Herz machte einen Satz, als sie erkannte wessen Umrisse sich  von der Dunkelheit abhoben. Die Melodie der im Takt schlagenden Männer hatte abgebrochen, sodass nur das laute Knistern der Flammen den Platz erfüllte.

"Was wollt ihr, Ubbe Ragnarson? Ich mache nur Gebrauch von dem Recht was mir zusteht, wenn es auf meinem Grund und Boden gebrochen wird", sagte Brynna mit durchdringender Stimme.
Der junge Wikinger hatte den Pulk umrundet und stand der Schildmaid nun gegenüber. Um die Schultern trug er einen Mantel aus Wolfspelz, der über dem Brustbein mit einer goldenen Schnalle zusammengehalten wurde.
Vor der immernoch glühenden Wand aus Feuer, Qualm und Asche, die sich hinter ihm in den Nachthimmel erhob sah er aus wie ein Gott, geboren aus den Flammen der Unterwelt.

"Es ist nicht an dir die Engländerin für ihre Vergehen zu bestrafen, sofern sie überhaupt schuldig ist."

Seine Stimme klang ruhiger als Magery es erwartet hatte. Dennoch zeigte Ubbes Miene keinen Ausdruck, als sich seine blauen Augen in die der Schildmaid bohrten. Etwas in Magery erschauderte. Sie kannte diesen Blick nur zu gut, der einem das Gefühl gab einen Eiszapfen in das pochende Herz gerammt zu bekommen, um von dort aus jede Aterie des Körpers in scharfen Eiskristalle gefrieren zu lassen.
Ivar konnte genauso blicken. Alle Lothbroks schienen über diese Gabe zu verfügen.
Der älteste Sohn Aslaugs wartete keine Antwort ab, sondern trat geradewegs vor die beiden Wachen, welche das Mädchen immernoch an den Boden pressten. Der stämmige Mann, dessen Hände die Engländerin ein paar Augenblicke zuvor noch hatten verkrüppeln sollen trat ebenfalls hinzu. Mit seiner linken Hand hielt er nach wie vor das Beil umklammert. Ubbe stockte und warf seinen Mantel über die Schultern, der zuvor das Blatt einer drei Daumen dicken Streitaxt verborgen hatte. Vielsagend legte er die Hand auf den Kopf der Waffe.

"Tretet zur Seite.", zischte er, wobei sein rechter Kieferknochen vor Anspannung deutlich hervor trat.

Der Einäugige spuckte seitlich auf den Boden, bevor er den Kopf senkte und mit langsamen Schritten zurück trat. Die anderen Männer taten es ihm gleich. Magery atmete hörbar aus, als sie spürte wie der Druck der vielen Hände an Armen und Nacken nachließ. Ubbe kniete sich zu der Engländerin und half ihr auf. Doch anders als er es erwartet hatte, stützte sie sich nicht gegen ihn oder ergriff seine Hand, sondern ging taumelt auf die braune Stute zu, die ein paar Schritte weiter zum stehen gekommen war. Als die Engländerin das Pferd erreichte, umfasste sie mit beiden Händen krampfhaft den Strick, der dem Tier immernoch vom Hals hing. Mit flehenden Augen wandte sie sich zu Ubbe um. Etwas tadelndes lag in dem Blau seiner Iris, während sein Blick zwischen Magery und der Stute hin und her sprang.

"Wir nehmen die Stute mit. Das Mädchen kann kaum noch laufen. Sie wird sie tragen.", sagte Ubbe ohne Brynna eines Blickes zu würdigen.

Magery musste sich zusammenreißen nicht in Freudentränen auszubrechen. Sie wusste, dass Ubbe für sie gelogen hatte. Und sie war ihm dankbar.
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Als sie am nächsten Morgen zwischen Fellen und Federn in ihrem Bett erwachte, konnte sich Magery kaum noch an den Heimweg erinnern. Jedoch war ihr das recht. Denn am liebsten hätte sie die gesamte vergangene Nacht vergessen.
Vergessen, wie der Wachhund sie fasst in Stücke gerissen hätte. Vergessen, mit welcher Genugtuung Brynna auf sie hinab geblickt hatte. Vergessen, wie man sie fast zum Krüppel gemacht hätte. Doch diese Dinge vergaß Magery nicht. Sie tanzten immernoch vor ihrem inneren Augen und brannten sich wie glühende Kohlen in ihren Geist ein, die man auf Wachswaben drückte.

Bevor sie sich zum Übungsplatz begab, legte sie ihre Kleider ab, die verräterisch nach Rauch stanken und mit Rußflecken übersät waren. Es war zwar keine Ungewöhnlichkeit nach Feuern zu riechen, die bei allen Gebäuden und Plätzen brannten. Jedoch nicht in dem Maße, wie die junge Adelige es nun tat. Also ersetzte sie die alten Stoffe durch ein weißes Hemd mit losen Ärmeln und eine braune Baumwollhose. Anders als zu Beginn ihrer Kämpfe auf dem Platz, genoss sie nun die Freiheiten der Hose, die sich jeder ihrer Bewegungen anpasste.

Ruthless (Ivar, Vikings)Where stories live. Discover now